Von Tobias Ernst
Kinder haben in puncto Mathematikverständnis von Haus aus ungleiche Startbedingungen.Ähnlich wie beim Spracherwerb gilt hier: Wer früh gefördert wird, hat bessere Chancen auf Erfolg – beruflich und sozial. Schon Babys können Mengen unterscheiden und erkennen, ob es mehr oder weniger von etwas gibt. Kleinkinder bekommen ein Gespür für Strukturen und Muster in wiederkehrenden Handlungen oder in der Rhythmik von Liedern und Reimen. Kompetent begleitet, lassen sich diese Grundlagen der Mathematik festigen und ausbauen.
Studien zeigen: Unter-Dreijährigen fällt das Sortieren von Gegenständen leichter, wenn ihre Bezugspersonen sie früh auf Zahlen und Mengen hinweisen. Kinder ohne diesen Input haben spätestens in der Schule erhebliche Nachteile im Rechnen – und holen nur selten auf.
Die Mathematikkompetenz der Deutschen ist mittelmäßig. Rund 20 Prozent der Erwachsenen in Deutschland verfügen laut einer OECD-Studie über geringe alltagsmathematische Kompetenzen. Im internationalen Vergleich ist das nur durchschnittlich, mit wenig Aussicht auf Besserung: Im letzten PISA-Test rutschten die 15-jährigen Schülerinnen und Schüler weiter ab.
Unsere Wirtschaft kann sich einen Rückgang mathematischer Fähigkeiten nicht leisten. In den Jahren 2023 und 2024 blieben rund 209.000 MINT-Arbeitsplätze unbesetzt, also Berufe, die Expertise in den Bereichen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik erfordern. Das ist angesichts maroder Infrastruktur, Extremwetterfolgen, geopolitischer Konflikte und des wachsenden KI-Wettbewerbs verheerend. Innovation braucht kluge Köpfe mit Mathematikverständnis – für den Brückenbau, moderne Energietechnik, ein stabiles Gesundheitssystem und die Raumfahrt.
Mit guter früher MINT-Bildung lässt sich Mathematikkompetenz schon in der Kita fördern. Dabei geht es weniger ums „Rechnen lernen“, als um das altersgerechte Entdecken mathematischer Grundlagen beim Spielen, Bauen oder Sortieren – zum Beispiel mit Bauklötzen. Gute pädagogische Fachkräfte regen das an, indem sie zielgerichtet und wiederholt Impulse setzen und Fragen stellen: „Können wir die Bausteine auch mal anders als nach Farben gruppieren?“ So lernen Kinder, Mengen unterschiedlich aufzuteilen, Vermutungen zu prüfen und darüber ins Gespräch zu kommen. Dieses forschende Lernen stärkt zugleich Kreativität, Zusammenarbeit, Motorik und Sprache.
Die mathematische Früherziehung muss als Teil einer umfassenden Kita-Qualitätsstrategie gestärkt werden. Dabei gehört die pädagogische Arbeit in den Fokus der Investitionen. Denn mit ihr steht und fällt der Lernerfolg der Kinder – und damit langfristig auch die Zukunftsfähigkeit unseres Landes. Das erfordert:
Tobias Ernst ist Vorstandsvorsitzender der „Stiftung Kinder forschen“. Nach seinem Studium der Rechtswissenschaften arbeitete Ernst als Projektleiter bei der Bertelsmann Stiftung, in der Nachhaltigkeitsberatung der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers (PwC), als Deputy CEO bei Teach First Deutschland und zuletzt sechs Jahre für das Start-up Kiron Open Higher Education, das Geflüchteten und Benachteiligten kostenlos Zugang zu Bildung verschafft. Mehr zu seiner Person lesen Sie hier.
Dieser Text ist auf Basis eines Beitrags für die Reihe „Analysen Argumente“ der Konrad-Adenauer-Stiftung entstanden. Den Beitrag könne Sie hier in voller Länge lesen.