Table.Briefing: Bildung

Table.Alert: Falko Liecke – ein Hardliner im Berliner Schulressort?

Table.Alert: Falko Liecke – ein Hardliner im Berliner Schulressort?

Liebe Leserin, lieber Leser,

gestern ist durchgesickert, dass die Berliner CDU offenbar Falko Liecke als Bildungsstaatssekretär im neuen Senat nominieren möchte – wenn denn die SPD-Basis mitspielt. Der Neuköllner Sozialstadtrat gilt als Hardliner, insbesondere in der Migrationspolitik. Doch Liecke lässt sich nicht auf “stumpfe Law-and-Order-Politik verkürzen”, schreibt Christian Füller in seiner Analyse.

Mein Kollege Torben Bennink hat sich außerdem über einen offenen Brief von 20 Erziehungswissenschaftlern gebeugt. Darin nennen die Autoren das Dezember-Gutachten der SWK einen “konservativen Aufguss der veralteten Pauk-Schule” – und warnen die Minister vor überstürztem Aktionismus.

Viel Freude bei der Lektüre,

Ihr
Moritz Baumann
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Analyse

Der Law-and-Social-Staatssekretär

Falko Liecke soll, wenn es nach der CDU geht, Schul-Staatssekretär in Berlin werden.

Diese Personalie macht die geplante schwarz-rote Koalition in Berlin nicht einfacher: Wenige Tage vor Ende des Mitgliederentscheids in der SPD ist am Mittwoch bekanntgeworden, dass Falko Liecke Staatssekretär im Schulressort der Hauptstadt werden soll. Der CDU-Sozialstadtrat kommt aus der Neuköllner Schule mitsamt harter Hand in der Migrationspolitik.

Liecke war einer derjenigen, die nach den Böllerangriffen auf Sicherheitskräfte in Berlin in neurechten Sendungen vor kriminellen Parallelgesellschaften warnten. Für den linken Flügel der SPD ist vieles von dem, was der Vertraute des Bürgermeisters in spe Kai Wegner sagt, ein rotes Tuch. “Kriminell von Kindesbeinen an”, “Die Schule des Verbrechens”, “Zwangskopftuch”. So lauten Kapitelüberschriften und Stichworte aus Lieckes Buch “Brennpunkt Deutschland: Neukölln ist erst der Anfang“. 

Jusos: Liecke absolut falsch als Schulstaatssekretär

Lieckes Nominierung hat die Kampagne aus Teilen der Sozialdemokratie gegen eine schwarz-rote Koalition in Berlin noch einmal befeuert. Die stellvertretende Juso-Vorsitzende Berlins, Zoe Anthea Kraft, hält Falko Liecke “absolut falsch für den Posten des Schulstaatssekretärs in Berlin.” Mit ihm werde deutlich, wen die CDU in Berlin aufzustellen bereit ist, sagte Kraft Table.Media. “Wir hoffen, dass einige Genossen jetzt aufwachen und gegen die schwarz-rote Koalition stimmen.” 

Lesen Sie auch: Berliner CDU greift nach Bildungsressort

Auch sein Vorgänger im Senat, Jugend-Staatssekretär Aziz Bozkurt (SPD), der für eine schwarz-rote Koalition wirbt, sagt über Liecke: “Seine Diskurse und Meinungen passen nicht zu Berlin.” Wirklich?

Vor Liecke und der CDU haben Bozkurts Parteifreunde Thilo Sarrazin, Heinz Buschkowsky und immer wieder Franziska Giffey die harte Schule in der Integrationspolitik der 330.000-Einwohner-Stadt Neukölln geprägt. In dieses Horn stößt seit langer Zeit auch Liecke. Er fordert etwa, Clanfamilien notfalls das Sorgerecht für ihre Kinder zu entziehen. Sonst endeten die Kinder wie die Krawallmacher an Silvester. “Die Täter sind junge Männer, die zwar hier aufgewachsen, aber dennoch kulturell, moralisch und ethisch fremd sind.”

Falko Liecke ist kein stumpfer Hardliner

Liecke allerdings lässt sich nicht auf eine stumpfe Law-and-Order-Politik verkürzen. Selbst in Sendungen wie Tichy oder ‘Achtung, Reichelt’ betont der Sozialstadtrat, dass man alleine mit Justiz und Polizei in migrantisch geprägten Stadtteilen nicht weiterkommt. Es brauche auch Bildungsangebote.

Wenn er über den Wohnungskonzern Vonovia spricht, sind bei Liecke sogar Parallelen zu den linken Enteignungsbefürwortern aus Berlin zu hören: In einem Brennpunkt wie der so genannten “High-Deck-Siedlung” in Neukölln müsse der Wohnungsriese soziale und gesellschaftliche Verantwortung wahrnehmen. Der Berliner CDU-Vize verwies gar auf das Beispiel Dänemark, wo Siedlungen und Bausünden wie das High-Deck abgerissen würden. Abreißen? Soweit geht selbst die Linke in Berlin nicht. 

Lieckes sozial- und bildungspolitisches Programm steht in seinem Buch – wenngleich man nicht nur die martialischen Überschriften lesen sollte. Was der seit 25 Jahren aktive Kommunalpolitiker dort entwirft, ist nichts weniger als ein Sozial- und Erziehungsprogramm für eine Krisenstadt. Der gerne als Hardliner porträtierte Mann ist stolz darauf, dass er die so genannten Babylotsen in Neukölln etabliert hat. Und dass die Gesundheit der Neuköllner deutlich besser geworden sei in seiner Amtszeit. “Vielleicht ist das mein größter politischer Erfolg.

Lob der Babylotsen und Stadtteilmütter

Noch eine Anekdote. In seinem Buch berichtet Liecke von einem Treffen in einem Elterncafé. Eine der Frauen trage einen Niqab, “der nur einen schmalen Schlitz für die Augen frei lässt. Was ich politisch vollkommen ablehne, muss hier einen Raum haben, den ich mit zusammengebissenen Zähnen, aber mit klaren Blick für die Alternative toleriere.” Der Wunsch-Staatssekretär auch lobt die Stadtteilmütter, die im Jahr 2006 der ehemalige Bezirksbürgermeister Buschkowsky eingeführt hatte.

Und dann beschreibt Liecke sein Programm: “Ich bin der Überzeugung, dass die Zukunft der Kinder aus diesen Familien an den Müttern hängt. Sie sind es, die unsere Mehrheitsgesellschaft stärken, befähigen und unterstützen muss.” 

Immer wieder skandalisiert Liecke die finanziellen Verhältnisse, die es ihm als Kommunalpolitiker erschweren, für seinen Bezirk Gutes zu erreichen. Er gebe in Neukölln 100.000 Euro jährlich für die so genannte Präventionskette aus. Sie will von der Schwangerschaft bis zur Schule allen Kindern ein Aufwachsen frei von Gewalt und Vernachlässigung ermöglichen. Gleichzeitig würden alleine in Neukölln aber 60 Millionen Euro in Hilfen zu Erziehung investiert.

Oder die Elterncafés. Eine Stunde Flughafenbau in Brandenburg, so rechnet er vor, reiche für ein komplettes Jahr Elterncafé für den ganzen Stadtteil. “Wir brauchen diese kleinen, fast immer prekär, finanzierten, lokalen Projekte, die eine unschätzbar wertvolle Arbeit leisten.” Klingt so etwa ein vermeintlicher Rassist und Neurechter?

Kitapflicht nur abhängig von “sozialen Indikatoren”

Eine ausgewiesene schulpolitische Expertise kann Falko Liecke nicht vorweisen. Ihm gehe es darum, die Bildungslaufbahn von Kindern möglichst früh auf die richtige Spur zu bringen. Deswegen kümmert er sich um die Mütter und die Familien. Deswegen fordert er eine Kitapflicht – aber eben keine allgemeine. “Wohlgemerkt nicht für alle Bewohner im Kiez”, schreibt er, “sondern aufgrund bestimmter sozialer Indikatoren wie Bildungsstand, Sprachniveau und Einkommen.”

Der stellvertretende CDU-Vorsitzende Berlins distanziert sich unmissverständlich von Rechtsextremen. “Bürgerliche, konservative und auch politisch rechts stehende Menschen in diesem Land” dürften hier “keinerlei Nähe zulassen”.

Warum Liecke dann allerdings in Sendungen wie “Reichelt!” geht, bleibt sein Geheimnis. Den Gegnern einer schwarz-roten Koalition hat er damit einen Gefallen getan

  • Berlin
  • Schulverwaltung

News

“Veraltete Pauk-Schule” – Berliner Professoren sezieren SWK-Papier

In einem offenen Brief kritisieren 20 Erziehungswissenschaftler die SWK-Empfehlungen zur Grundschule (Brief als Download). Das Dezember-Gutachten des KMK-Gremiums sei ein “konservativer Aufguss der veralteten Pauk-Schule”, schreiben sie und unterziehen das SWK -Papier, das nach Veröffentlichung der schlechten Ergebnisse des IQB-Bildungstrends erschienen ist, in zehn Punkten einer kritischen Prüfung.

Zwar teilten sie die Sorge, dass viele Kinder nicht die Mindestanforderungen am Ende der Grundschulzeit erreichen. Die Empfehlungen des wissenschaftlichen Beirats der Kultusminister seien allerdings unzureichend – mehr noch: Die SWK verenge “die Vorstellung von dem, was Bildung ist und sein soll, in problematischer Weise”. 

“Bildung in Deutschland heißt: Daten zählen”

So kritisiert die Wissenschaftlergruppe, dass sich die SWK einseitig auf die Kernfächer Deutsch und Mathematik fokussiere. Das “missachtet das Bildungspotenzial aller anderen Fächer des Grundschulunterrichts”, etwa aus dem naturwissenschaftlichen oder musisch-künstlerischen Bereich. Sie nennen das einen “defizitorientierten Blick auf die nächste Generation”.

Das SWK-Gutachten hatte eine Debatte entfacht, ob Lehrer im Klassenzimmer wieder zu den Wurzeln zurückkehren müssten: pauken, pauken, pauken. Üben sei aber “weit mehr als Wiederholung und Einschleifen von Kompetenzen”, mahnen die Wissenschaftler und plädieren für einen “bildungstheoretisch fundierten Begriff des Übens”.

Lernstandserhebungen – wie zum Beispiel der IQB-Bildungstrend – könnten die Kompetenzen von Schülern nicht angemessen abbilden. Viele Faktoren blenden sie aus, schreiben die Autoren in einem Gastbeitrag in der FAZ. Der Vorwurf: “Bildung in Deutschland heißt: Daten zählen”. Sie fordern, sozialen, emotionalen und demokratischen Fähigkeiten mehr Gewicht zu geben. Trotz vieler Messungen, beispielsweise in Form von Vergleichsarbeiten, hätten sich die Schülerleistungen seit 20 Jahren kaum verbessert.

Sie warnen die Kultusminister davor, in Folge des SWK-Gutachtens überstürzt Stundentafeln und Fortbildungen zu überarbeiten – nur damit Deutschland in den Tests wieder besser abschneidet. “Wird weiterhin nur gemessen und vermessen, geraten zentrale Ziele von Schule aus dem Blick”, schreibt die Autorengruppe. Die Bildungsforschung habe gezeigt, “dass nachhaltige Veränderungen in der Bildungspraxis Jahre, wenn nicht Jahrzehnte benötigen”. Torben Bennink

  • Bildungsforschung
  • Grundschule
  • Mindeststandards
  • Ständige Wissenschaftliche Kommission

BILDUNG.TABLE REDAKTION

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    Liebe Leserin, lieber Leser,

    gestern ist durchgesickert, dass die Berliner CDU offenbar Falko Liecke als Bildungsstaatssekretär im neuen Senat nominieren möchte – wenn denn die SPD-Basis mitspielt. Der Neuköllner Sozialstadtrat gilt als Hardliner, insbesondere in der Migrationspolitik. Doch Liecke lässt sich nicht auf “stumpfe Law-and-Order-Politik verkürzen”, schreibt Christian Füller in seiner Analyse.

    Mein Kollege Torben Bennink hat sich außerdem über einen offenen Brief von 20 Erziehungswissenschaftlern gebeugt. Darin nennen die Autoren das Dezember-Gutachten der SWK einen “konservativen Aufguss der veralteten Pauk-Schule” – und warnen die Minister vor überstürztem Aktionismus.

    Viel Freude bei der Lektüre,

    Ihr
    Moritz Baumann
    Bild von Moritz  Baumann

    Analyse

    Der Law-and-Social-Staatssekretär

    Falko Liecke soll, wenn es nach der CDU geht, Schul-Staatssekretär in Berlin werden.

    Diese Personalie macht die geplante schwarz-rote Koalition in Berlin nicht einfacher: Wenige Tage vor Ende des Mitgliederentscheids in der SPD ist am Mittwoch bekanntgeworden, dass Falko Liecke Staatssekretär im Schulressort der Hauptstadt werden soll. Der CDU-Sozialstadtrat kommt aus der Neuköllner Schule mitsamt harter Hand in der Migrationspolitik.

    Liecke war einer derjenigen, die nach den Böllerangriffen auf Sicherheitskräfte in Berlin in neurechten Sendungen vor kriminellen Parallelgesellschaften warnten. Für den linken Flügel der SPD ist vieles von dem, was der Vertraute des Bürgermeisters in spe Kai Wegner sagt, ein rotes Tuch. “Kriminell von Kindesbeinen an”, “Die Schule des Verbrechens”, “Zwangskopftuch”. So lauten Kapitelüberschriften und Stichworte aus Lieckes Buch “Brennpunkt Deutschland: Neukölln ist erst der Anfang“. 

    Jusos: Liecke absolut falsch als Schulstaatssekretär

    Lieckes Nominierung hat die Kampagne aus Teilen der Sozialdemokratie gegen eine schwarz-rote Koalition in Berlin noch einmal befeuert. Die stellvertretende Juso-Vorsitzende Berlins, Zoe Anthea Kraft, hält Falko Liecke “absolut falsch für den Posten des Schulstaatssekretärs in Berlin.” Mit ihm werde deutlich, wen die CDU in Berlin aufzustellen bereit ist, sagte Kraft Table.Media. “Wir hoffen, dass einige Genossen jetzt aufwachen und gegen die schwarz-rote Koalition stimmen.” 

    Lesen Sie auch: Berliner CDU greift nach Bildungsressort

    Auch sein Vorgänger im Senat, Jugend-Staatssekretär Aziz Bozkurt (SPD), der für eine schwarz-rote Koalition wirbt, sagt über Liecke: “Seine Diskurse und Meinungen passen nicht zu Berlin.” Wirklich?

    Vor Liecke und der CDU haben Bozkurts Parteifreunde Thilo Sarrazin, Heinz Buschkowsky und immer wieder Franziska Giffey die harte Schule in der Integrationspolitik der 330.000-Einwohner-Stadt Neukölln geprägt. In dieses Horn stößt seit langer Zeit auch Liecke. Er fordert etwa, Clanfamilien notfalls das Sorgerecht für ihre Kinder zu entziehen. Sonst endeten die Kinder wie die Krawallmacher an Silvester. “Die Täter sind junge Männer, die zwar hier aufgewachsen, aber dennoch kulturell, moralisch und ethisch fremd sind.”

    Falko Liecke ist kein stumpfer Hardliner

    Liecke allerdings lässt sich nicht auf eine stumpfe Law-and-Order-Politik verkürzen. Selbst in Sendungen wie Tichy oder ‘Achtung, Reichelt’ betont der Sozialstadtrat, dass man alleine mit Justiz und Polizei in migrantisch geprägten Stadtteilen nicht weiterkommt. Es brauche auch Bildungsangebote.

    Wenn er über den Wohnungskonzern Vonovia spricht, sind bei Liecke sogar Parallelen zu den linken Enteignungsbefürwortern aus Berlin zu hören: In einem Brennpunkt wie der so genannten “High-Deck-Siedlung” in Neukölln müsse der Wohnungsriese soziale und gesellschaftliche Verantwortung wahrnehmen. Der Berliner CDU-Vize verwies gar auf das Beispiel Dänemark, wo Siedlungen und Bausünden wie das High-Deck abgerissen würden. Abreißen? Soweit geht selbst die Linke in Berlin nicht. 

    Lieckes sozial- und bildungspolitisches Programm steht in seinem Buch – wenngleich man nicht nur die martialischen Überschriften lesen sollte. Was der seit 25 Jahren aktive Kommunalpolitiker dort entwirft, ist nichts weniger als ein Sozial- und Erziehungsprogramm für eine Krisenstadt. Der gerne als Hardliner porträtierte Mann ist stolz darauf, dass er die so genannten Babylotsen in Neukölln etabliert hat. Und dass die Gesundheit der Neuköllner deutlich besser geworden sei in seiner Amtszeit. “Vielleicht ist das mein größter politischer Erfolg.

    Lob der Babylotsen und Stadtteilmütter

    Noch eine Anekdote. In seinem Buch berichtet Liecke von einem Treffen in einem Elterncafé. Eine der Frauen trage einen Niqab, “der nur einen schmalen Schlitz für die Augen frei lässt. Was ich politisch vollkommen ablehne, muss hier einen Raum haben, den ich mit zusammengebissenen Zähnen, aber mit klaren Blick für die Alternative toleriere.” Der Wunsch-Staatssekretär auch lobt die Stadtteilmütter, die im Jahr 2006 der ehemalige Bezirksbürgermeister Buschkowsky eingeführt hatte.

    Und dann beschreibt Liecke sein Programm: “Ich bin der Überzeugung, dass die Zukunft der Kinder aus diesen Familien an den Müttern hängt. Sie sind es, die unsere Mehrheitsgesellschaft stärken, befähigen und unterstützen muss.” 

    Immer wieder skandalisiert Liecke die finanziellen Verhältnisse, die es ihm als Kommunalpolitiker erschweren, für seinen Bezirk Gutes zu erreichen. Er gebe in Neukölln 100.000 Euro jährlich für die so genannte Präventionskette aus. Sie will von der Schwangerschaft bis zur Schule allen Kindern ein Aufwachsen frei von Gewalt und Vernachlässigung ermöglichen. Gleichzeitig würden alleine in Neukölln aber 60 Millionen Euro in Hilfen zu Erziehung investiert.

    Oder die Elterncafés. Eine Stunde Flughafenbau in Brandenburg, so rechnet er vor, reiche für ein komplettes Jahr Elterncafé für den ganzen Stadtteil. “Wir brauchen diese kleinen, fast immer prekär, finanzierten, lokalen Projekte, die eine unschätzbar wertvolle Arbeit leisten.” Klingt so etwa ein vermeintlicher Rassist und Neurechter?

    Kitapflicht nur abhängig von “sozialen Indikatoren”

    Eine ausgewiesene schulpolitische Expertise kann Falko Liecke nicht vorweisen. Ihm gehe es darum, die Bildungslaufbahn von Kindern möglichst früh auf die richtige Spur zu bringen. Deswegen kümmert er sich um die Mütter und die Familien. Deswegen fordert er eine Kitapflicht – aber eben keine allgemeine. “Wohlgemerkt nicht für alle Bewohner im Kiez”, schreibt er, “sondern aufgrund bestimmter sozialer Indikatoren wie Bildungsstand, Sprachniveau und Einkommen.”

    Der stellvertretende CDU-Vorsitzende Berlins distanziert sich unmissverständlich von Rechtsextremen. “Bürgerliche, konservative und auch politisch rechts stehende Menschen in diesem Land” dürften hier “keinerlei Nähe zulassen”.

    Warum Liecke dann allerdings in Sendungen wie “Reichelt!” geht, bleibt sein Geheimnis. Den Gegnern einer schwarz-roten Koalition hat er damit einen Gefallen getan

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    “Veraltete Pauk-Schule” – Berliner Professoren sezieren SWK-Papier

    In einem offenen Brief kritisieren 20 Erziehungswissenschaftler die SWK-Empfehlungen zur Grundschule (Brief als Download). Das Dezember-Gutachten des KMK-Gremiums sei ein “konservativer Aufguss der veralteten Pauk-Schule”, schreiben sie und unterziehen das SWK -Papier, das nach Veröffentlichung der schlechten Ergebnisse des IQB-Bildungstrends erschienen ist, in zehn Punkten einer kritischen Prüfung.

    Zwar teilten sie die Sorge, dass viele Kinder nicht die Mindestanforderungen am Ende der Grundschulzeit erreichen. Die Empfehlungen des wissenschaftlichen Beirats der Kultusminister seien allerdings unzureichend – mehr noch: Die SWK verenge “die Vorstellung von dem, was Bildung ist und sein soll, in problematischer Weise”. 

    “Bildung in Deutschland heißt: Daten zählen”

    So kritisiert die Wissenschaftlergruppe, dass sich die SWK einseitig auf die Kernfächer Deutsch und Mathematik fokussiere. Das “missachtet das Bildungspotenzial aller anderen Fächer des Grundschulunterrichts”, etwa aus dem naturwissenschaftlichen oder musisch-künstlerischen Bereich. Sie nennen das einen “defizitorientierten Blick auf die nächste Generation”.

    Das SWK-Gutachten hatte eine Debatte entfacht, ob Lehrer im Klassenzimmer wieder zu den Wurzeln zurückkehren müssten: pauken, pauken, pauken. Üben sei aber “weit mehr als Wiederholung und Einschleifen von Kompetenzen”, mahnen die Wissenschaftler und plädieren für einen “bildungstheoretisch fundierten Begriff des Übens”.

    Lernstandserhebungen – wie zum Beispiel der IQB-Bildungstrend – könnten die Kompetenzen von Schülern nicht angemessen abbilden. Viele Faktoren blenden sie aus, schreiben die Autoren in einem Gastbeitrag in der FAZ. Der Vorwurf: “Bildung in Deutschland heißt: Daten zählen”. Sie fordern, sozialen, emotionalen und demokratischen Fähigkeiten mehr Gewicht zu geben. Trotz vieler Messungen, beispielsweise in Form von Vergleichsarbeiten, hätten sich die Schülerleistungen seit 20 Jahren kaum verbessert.

    Sie warnen die Kultusminister davor, in Folge des SWK-Gutachtens überstürzt Stundentafeln und Fortbildungen zu überarbeiten – nur damit Deutschland in den Tests wieder besser abschneidet. “Wird weiterhin nur gemessen und vermessen, geraten zentrale Ziele von Schule aus dem Blick”, schreibt die Autorengruppe. Die Bildungsforschung habe gezeigt, “dass nachhaltige Veränderungen in der Bildungspraxis Jahre, wenn nicht Jahrzehnte benötigen”. Torben Bennink

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