jetzt also Annalena Baerbock. Gestern Abend um 23:10 Uhr wurde die grüne Kandidatin von Romeo und Pauline gegrillt. Die beiden Elfjährigen fragten nach ihrem Lebenslauf, ob man abschreiben darf und warum der Klimaschutz so teuer wird. Das sind alles wichtige und berechtigte, wenn auch nicht sehr überraschende Fragen. Aber, sind das wirklich die Dinge, die Kinder interessieren? Baerbock tat sich, wie bereits Armin Laschet und Olaf Scholz, schwer mit den Kinderreportern – genauer: mit den Redakteuren von Klaas Heufer-Umlauf, die per Knopfmikro den Kindern so schlagfertig einflüsterten. Aber um die Befindlichkeit der Erwachsenen geht es überhaupt nicht in diesem Interview. Die Frage ist: Haben ProSieben und Heufer-Umlauf, der “Late Night Berlin” moderiert, den Kindern eigentlich eine Stimme gegeben – oder sie ihnen genommen? Medienethiker haben da eine klare Haltung.
Wirklich zu Wort kamen 584 Schülerinnen und Schüler bei einer bundesweiten Umfrage zur Wahl. Und auch wenn die Umfrage wahrscheinlich nicht repräsentativ ist, so haben die Fünft- bis 13-Klässler doch erstaunliche Antworten geliefert. Nämlich da, wo sie nicht nur ankreuzen, sondern in offenen Antworten aufschreiben konnten, was ihnen ge- oder missfällt. So spannend kann es sein, wenn man Kinder und Jugendliche ohne voice over oder Filter zu Wort kommen lässt.
Herzlich grüßt
Der Auftritt von zwei Kindern in “Late Night Berlin” von Klaas Heufer-Umlauf wird womöglich Konsequenzen haben. Die “Freiwillige Selbstkontrolle Fernsehen” teilte mit, dass sie der Einhaltung der Kinderschutzstandards und medienethischen Regeln bei der Produktionsfirma Florida TV nachgehen werde. Die Leiterin Claudia Mikat sagte Bildung.Table, der Auftritt der beiden Elfjährigen sei unauthentisch gewesen und werfe Fragen auf. Erfahrene Redakteurinnen von Kindersendungen wie “Logo!” sagten übereinstimmend, dass sie grundsätzlich keine Knopfmikrofone in die Ohren von Kinderreportern platzierten. Die beiden Kinder trugen solche Regie-Mikrofone. Medienethiker gehen sogar noch einen Schritt weiter: Sie sprechen von Instrumentalisierung der beiden Elfjährigen. Es sei inakzeptabel, Kinder zu benutzen, um Politiker vorzuführen.
In der Show hatten die beiden Teenies Romeo und Pauline die Kanzlerkandidaten Laschet und Scholz in Bedrängnis gebracht, am gestrigen späten Abend war Annalena Baerbock dran. Armin Laschet kam beim Thema des extremen CDU-Rechtsauslegers Maaßen ins Schleudern. Als der Kanzlerkandidat den Jungen fragte, ob er denn finde, dass Maaßen ein Rechter sei, entgegnete Romeo trocken: “Frage ich Sie”. Laschet war baff. Romeo und seine Partnerin Pauline wurden anschließend für ihre Interviews gefeiert. Die Nachrichtenagentur Dpa zitierte erfahrene Kollegen mit den Worten: “Das waren die zwei härtesten Interviews im Wahlkampf“. Was die Dpa in ihrer Berichterstattung aber wegließ: Es waren keine Kinderinterviews, sondern fremdgesteuerte Gespräche, die Romeo und Pauline führten. Die beiden hatten, wie die Produktionsfirma Florida TV bestätigte, einen Knopf im Ohr. Die Schlagfertigkeit kam also nicht nur vom – großen – Talent der Kinderreporter.
Die Redaktion des ZDF, die Logo produziert, teilte mit, sie achte beim Casting von Kinderreportern darauf, dass Kinder und nicht angehende Nachwuchs-Journalisten ausgewählt werden. Es gehe darum, neugierige Mädchen und Jungen zu finden, die gut zuhören können und auch schlagfertig sind. Ziel sei es gerade nicht, politische Expertenfragen zu stellen, sondern jene Fragen, die Kinder etwas angehen. “Wir suchen interessierte Kinder und keine kleinen Erwachsenen”, sagte die Leiterin der Logo-Redaktion, Constanze Knöchel, Bildung.Table. Der Umgang mit Regie-Mikrofon im Ohr sei klar geregelt. “Bei Logo haben Kinderreporter keinen Knopf im Ohr”, so Knöchel. “Wir intervenieren nicht in den Interviewfluss hinein.” Natürlich bereiteten Redakteure die Kinder auf Interviews vor und begleiteten sie dabei. “Aber es gilt der Grundsatz, dass man das Gespräch, das die Kinder führen, laufen lässt.”
Ähnlich äußerte sich Shary Reeves, ehemalige Moderatorin von “Wissen macht Ah!”. Sie bewundere die Leistung von Romeo und Pauline, sagte Reeves Bildung.Table. Allerdings hätte sie einem Kind keinen Mikroknopf ins Ohr getan, um Regieanweisungen zu geben. Es gehe bei der Arbeit mit Kindern um Fairness und Vertrauen. Das Ziel der Sendung von Klaas Heufer-Umlauf seien aber nicht die Kinder gewesen. Es sei allein darum gegangen, die Politiker vorzuführen.
Die Produktionsfirma der Show von Klaas Heufer-Umlauf ließ sich zu den Kinderreportern Romeo und Pauline nicht auf ein Interview ein. “Es ist gängige Praxis, dass Fernseh-Journalist:innen einen Knopf im Ohr tragen“, teilte Florida TV schriftlich mit, “warum sollte man also ausgerechnet zwei 11-jährigen Kindern dieses gängige Hilfsmittel verwehren? Zumal sie immerhin mit der Aufgabe betraut sind, drei Kanzlerkandidat:innen zu interviewen.” Auskünfte über das Casting, den Jugendschutzbeauftragten und den Betreuer der Kinder verweigerte Geschäftsführer Arne Kreutzfeldt trotz wiederholter Anfragen.
Der Umgang mit der Sendung offenbart einen Zuständigkeitswirrwarr beim Jugendmedienschutz. Konkret für den Umgang von Florida TV mit dem Kindern sind das Jugendamt und das Gewerbeaufsichtsamt zuständig. Die “Kommission für Jugendmedienschutz” der Länder kümmert sich nur darum, wenn die Rechte von Kindern als Medienrezipienten verletzt sind. Die Kommission hat mehrere Anfragen und Beschwerden wegen der Sendung mit Romeo und Pauline erhalten, hat aber keine gesetzliche Handhabe, um dem nachzugehen. Das ist vor allem deswegen problematisch, weil immer öfter Kinder von Influencerfamilien in der Öffentlichkeit bloßgestellt und benutzt werden. Das sehen alle Gesprächspartner von Bildung.Table so.
Selbst die “Gesellschaft für Medienpädagogik und Kommunikationskultur” erklärte sich zunächst für “nicht zuständig”. Später teilte sie schriftlich mit, “für eine politische Kommunikation dürfen Kinder nicht instrumentalisiert werden.” Die Deutsche Presseagentur gestand auf Anfrage ein, sie habe weder ihre Kunden noch die Leser:innen darüber informiert, dass Romeo und Pauline fremdgesteuert waren. Dpa habe nur eine Meldung gebracht, sagte ein Sprecher. “Wir haben die nachfolgende Debatte darum, ob die jungen Moderatoren die Fragen eigenständig gestellt haben, nicht aufgegriffen.”
Die Münchner Medienethikerin Claudia Paganini erhebt indes schwere Vorwürfe gegen den Sender und die Produktionsfirma Florida TV. “Es ging überhaupt nicht um die Kinder oder das, was sie interessiert”, sagte Paganini. “Die beiden vermeintlichen Kinderreporter wurden instrumentalisiert, um die Politiker bloßzustellen.” Paganini lehrt in München an der Hochschule für Philosophie. Sie bedauerte, dass es bei Auftritten von Kindern in TV-Sendungen nur um den Arbeitsschutz geht.
Paganini hält grundsätzliche ethische Fragen für genauso wichtig. Man dürfe einen Menschen nicht für fremde Zwecke einsetzen, verwies Paganini auf den ethischen Grundsatz von Kant. “Der Mensch, und überhaupt jedes vernünftige Wesen, existiert als Zweck an sich selbst, nicht bloß als Mittel zum beliebigen Gebrauche für diesen oder jenen Willen“, schreibt Kant. Das sei aber hier geschehen, denn die Kinder spielten in dem Interview keine Rolle. “Romeo und Pauline konnten die Tragweite ihres Einsatzes als Kinderreporter gar nicht abschätzen”, sagte die Philosophin.
Paganini wies darauf hin, dass es Schutzbedürfnisse von Kindern im Fernsehen gibt. “Ich frage mich, ob sich die Redakteure im Klaren sind, dass sie Romeo und Pauline der Gefahr möglicher Reaktionen im Netz ausgesetzt haben, gegen die sie sich nicht schützen können“, so die Philosophin und Journalistin. Nach solchen Beiträgen könne es zu Lawinen von Hass aus dem Netz kommen. “Wie könnten Romeo und Pauline damit umgehen?” Es sei den beiden Kindern wahrscheinlich nicht bewusst, dass sie von nun an als die beiden Interviewer des Wahlkampfs 2021 im Netz verewigt sind.
Auch der Ludwigsburger Medienethiker Matthias Rath findet die Inszenierung mit den beiden Kindern “nicht akzeptabel, ja verwerflich.” Man habe die beiden Kinder ausgewählt, weil sie für die personifizierte Wahrhaftigkeit und Harmlosigkeit stehen. Damit habe man die Kanzlerkandidaten in eine geradezu ausweglose Interviewsituation gebracht. “Wie soll ein Interviewter der absoluten Wahrhaftigkeit in dieser Gesprächssituation widersprechen?“, fragt Rath, der an der pädagogischen Hochschule in Ludwigsburg lehrt. “Das war ein Missbrauch der Wahrhaftigkeit”, sagte Rath. Der Philosoph hat indes kein Mitleid für die Politiker, die diese Interviews mitgemacht haben. “Das Kalkül der Kanzlerkandidatenteams war, sich mit den Kindern zu schmücken”. Auch die Kandidaten hätten die elfjährigen Kinder instrumentalisiert. “Die haben gedacht, die setzen mir ein Kind auf den Arm, das nützt mir. Kinder und Hunde – das funktioniert normalerweise immer. In diesem Fall nicht.”
Rath sieht in den fremdgesteuerten Interviews von Kindern ein grundsätzliches medienpädagogisches Problem im digitalen Zeitalter. Man lebe heute in komplett medialisierten Gesellschaften, in denen bereits Kleinkinder digitale Medien nutzten. Dennoch wollten weite Teile der Gesellschaft unabsehbare Folgen digitaler Medien am liebsten verbieten. Was es aber nicht gibt, sagt Rath, sei ein grundsätzliches Verständnis dafür, was ein souveräner Umgang von Kindern mit Medien ist. Dazu gehöre, dass Kinder bereits vom Kindergarten an lernen müssten, Subjekte und Produzenten medialen Handelns zu werden. Sie dürfte nicht zu Objekten von Redaktionen und Politikern werden.
Einer der ersten Orte, an denen Christian Hense die Künstliche Intelligenz zum Einsatz brachte, war eine Förderschule in Sachsen-Anhalt. Dort saßen in einer Klasse zwölf Schüler, viele mit geistiger Behinderung. Nirgendwo sonst dürften die Lernvoraussetzungen so unterschiedlich sein wie in einer solchen Klasse. In dieser Diversität hat sich Henses System bewährt: “Alle Schülerinnen und Schüler haben das Modul am Ende erledigt in sehr unterschiedlicher Zeit”, sagt er. “Das können Sie als einzelne Lehrkraft in einem ähnlichen Zeitrahmen nicht umsetzen.”
Hense entwickelt solche Module bei “Area9 Lyceum” in Leipzig. Das Unternehmen hat den Zuschlag für den ersten KI-Test im deutschen Bildungswesen ergattert. Im Auftrag der Kultusministerkonferenz hat Area9 Lyceum sein intelligentes tutorielles System namens “Area9 Rhapsode” an Schulen in drei Ländern getestet. Sachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt haben sich als erste in das Abenteuer Bildungs-KI gestürzt. Die vielen Daten, die der Algorithmus von Area9 aus dem Lernen und Verstehen der Schüler gewonnen hat, werden jetzt ausgewertet. Die KMK verfolgt damit das Ziel, mithilfe von Künstlicher Intelligenz das Lernen individueller und gerechter zu machen. “Aus den ersten Rückmeldungen der Schulen war ersichtlich, dass das System Area9 Rhapsode für die Unterstützung der Lehrkräfte und Schülerinnen und Schüler im Unterricht grundsätzlich geeignet ist und das individualisierte Lernen gut unterstützt“, sagte eine Sprecherin des Bildungsministeriums aus Sachsen-Anhalt Bildung.Table.
Area9 Lyceum will mit seiner Technologie den Zugang zur Bildung erleichtern. Das dänische Unternehmen mit Standorten in Kopenhagen und Boston hat seine deutsche Dependance in Leipzig. An der Promenade am Innenstadtring, in der Nähe der Thomaskirche, besetzt die Firma ein Dachgeschoss über einer Bank. Hier, in der guten Stube der dynamischsten Stadt im Osten, sitzen 30 Mitarbeiter an Computern zwischen noch bilderlosen weißen Wänden. Seit 2018 ist Area9 Lyceum – benannt nach einer Hirnregion und dem Bildungsort der alten Griechen – in Deutschland präsent. Gerade rechtzeitig, um den millionenschweren Auftrag des Kultusministeriums zu bekommen, der der KI die Pforten zum deutschen Schulsystem öffnen kann.
Doch schon formiert sich Widerstand. Sachsens oberster Datenschützer Andreas Schurig hat schwere Bedenken angemeldet. Bei der Interaktion mit dem System würden personenbezogene Schülerdaten verarbeitet, so die Kritik. Die Daten würden zusätzlich zu Benutzernamen, E-Mail und Passwort gespeichert. “Eine Rechtsgrundlage für die Datenverarbeitung bei dem Software-Anbieter ist nicht ersichtlich“, sagt ein Sprecher Schurigs auf Anfrage. Darüber hinaus findet der Datenschützer den Umstand, dass Area9 die Server des US-Unternehmens Amazon Web Services benutzt, “datenschutzrechtlich problematisch“. Gut möglich also, dass Deutschlands erstes Schulexperiment mit KI beendet wird, bevor es überhaupt richtig starten kann.
Area9 Lyceum beruft sich auf 25 Jahre Erfahrung. Das dänische Mutterunternehmen arbeitet seit der Jahrtausendwende mit einem KI-basierten System für medizinische Anwendungen. Das Tochterunternehmen Lyceum will nun an die Schulen ran. “Die Vision des Unternehmens ist: Zugang zu Bildung sollte jeder erhalten”, sagt Geschäftsführer Andreas Kambach. “Wir unterstützen in Dänemark Brennpunktschulen, wo durch Covid und Homeschooling die Zielgruppen vernachlässigt wurden.” Kambach, 52, der aus der Erwachsenenbildung kommt, ist stolz auf sein System, das, wie er sagt, die vier Dimensionen der kognitiven Kompetenzen vollständig abbilden könne. “Viele Menschen besetzen diesen Begriff KI als große Herausforderung oder Gefahr”, sagt er. “Dabei funktioniert unser System so, wie das Gehirn funktioniert. Es guckt, wo der Lehrer Unterstützung braucht und welche Kompetenzen der Lerner mitbringt.”
Das ist es, was Angela Merkel, SPD-Vorsitzende Saskia Esken und Kultusminister wollten, als sie im September 2020 verabredeten, KI an die Schulen zu holen. Nach Schulschließungen, Homeschooling und Lerndefiziten sollte ein System her, das auf die Individualität der Schüler eingeht – jenseits der Arbeit der Lehrkräfte. Um die KI, die in anderen Bereichen längst schon genutzt wird, in der Welt der Schulen akzeptabel zu machen, nannte man die KI Intelligentes Tutorielles System (ITS).
Kambach sieht sich als den einzigen Anbieter, der im reinen Sinne künstlich intelligent arbeitet. “Was wir machen, ist nicht alter Wein in neuen Schläuchen“, sagt er. Es gebe viele Anbieter, die mit dem Begriff ‘adaptiv’ um sich würfen. “Aber wenn die in unseren Maschinenraum gucken, stellen die fest, dass sie es doch nicht haben.” So sah man das im Dresdner Kultusministerium auch. “Wir können durch KI erfahren, um welche Schüler wir uns intensiver kümmern müssen“, sagt Jens Drummer, der Zuständige für Digitales im Ministerium. “Das kriegt man als Lehrer sonst nicht wirklich gut raus.”
Der Goldstaub von Area9 Lyceum heißt Learning Analytics. Diese Technologie mache erkennbar, wo der einzelne Schüler steht. Entwickler Hense sieht die Erkenntnisse, die die Analytics gewinnen, als eine gute Grundlage für den Flipped Classroom. Das ist das Geschäftsmodell der Dänen: Henses Arbeit besteht darin, hochkomplexen Content zu zerlegen und daraus adaptive Tools zu bauen. Eine aufwändige Aufgabe, an der schon etliche Hersteller gescheitert sind. Aus Henses Mund klingt sie wie das Ei des Kolumbus.
Christian Hense ist 39, studierter Sprachwissenschaftler und Philosoph, spezialisiert auf Psycholinguistik, Logik und Wissenschaftstheorie. Bei Area9 firmiert er als Manager Business Development. Er hat ein Zeitmesser-Modul konzipiert, das im Test bei einer vierten Klasse dem eigentlichen Lernmodul vorgeschaltet wurde. Die Erkenntnis: Wenn die Schüler gut im Stoff stecken, antworten sie gleich schnell. Bei neuem Wissen sind dagegen die zeitlichen Unterschiede sehr groß. In den erhobenen Lerndaten lässt sich nachlesen, dass ein Schüler für eine Aufgabe 25 Minuten brauchte – ein anderer 53. Gefragt wird jeder, das ist der Vorteil der Technik vor der Unterrichtssituation. “Durch die Arbeit mit dem System werden die Schüler immer angeregt, ihre Neugier wieder zu entwickeln“, sagt Christian Hense. “Jeder einzelne nimmt zu 100 Prozent am Unterricht teil.”
Area9 Rhapsode ist als ein persönliches Coaching angelegt. Der Algorithmus agiert mit dem Kind, als wäre er ein Elternteil oder Tutor, sagt Geschäftsführer Kambach. “Der lernt so lange mit dem Kind, bis es verstanden hat. Alle anderen Systeme geben den Nachweis, dass die Aufgaben gemacht wurden. Bei uns kommt der Nachweis, dass es auch verstanden wurde.” Ziel dahinter ist, dass Lehrer mehr Freiraum bekommen. Das betonen die Bildungsbehörden stets, wenn es um KI geht. Es sei keinesfalls geplant, Lehrer oder gar den Präsenzunterricht zu ersetzen, heißt es ausdrücklich aus dem Kultusministerium. Das hat erzieherische Gründe. Eine im Juni erschienene Telekom Studie empfiehlt, Lehrern gegenüber am besten nur von der assistierenden Eigenschaft der KI in der Schule zu sprechen, die zudem “aufwandsarm eingesetzt” werden könne.
Die Vorbehalte gegen intelligente Technik im Klassenzimmer sind groß. Gerade bei Lehrern, die fürchten, dass ihnen der Algorithmus ins Handwerk pfuscht. Diese Ängste würden sich aber auflösen, sobald man erste Bekanntschaft macht. Das hat Christian Hense beobachtet: “Zudem haben Lehrkräfte die Möglichkeit, sich die Lernkurven für jedes Kind anzeigen zu lassen”, sagt er.
Aber diese Kurven gefährden nun das ganze Projekt. Der Datenschutzbeauftragte hat das Kultusministerium aufgefordert, die Verträge mit Area9 Lyceum hinsichtlich Datenschutz offenzulegen. Vorher dürfe kein Betrieb mit Rhapsode stattfinden, auch nicht testweise. Die Aufsichtsbehörde betont auf Nachfrage, sie sei befugt, die Datenverarbeitung notfalls auch zu verbieten. Dann wäre das System im Schuleinsatz wertlos – und das Debüt der KI im deutschen Bildungswesen gescheitert. Aber darüber verhandeln Kultus und Datenschutz in Sachsen noch.
Gastbeitrag von Armin Hanisch
Als jemand ohne Pädagogikstudium, aber mit mehr als 25 Jahren Erfahrung in der Erwachsenenbildung und mit einem Hintergrund in Softwareentwicklung, nehme ich eine Perspektive ein, die eventuell einige neue Gedanken in die Diskussion um Lernmanagementsysteme (LMS) einbringt. Das Gespräch um LMS kreist viel um Systeme, Pflichtenhefte und Standardisierung. Relativ wenig kommt die Sicht Lernender vor. Die Anforderungen vernetzten, differenzierenden Lernens fehlen fast völlig.
Meiner Meinung ist die Frage nicht “LMS oder nicht und wenn ja, welches”, sondern eine ganze andere. Ich würde sie gerne aus der Definition der beiden Systeme entwickeln: Lernmanagement und Lernerfahrung. Oder anders gesagt: wie lassen sich Unterrichtsprozesse jedem Kind so anbieten, dass es sich vertieft damit beschäftigen kann?
Ein LMS ist ein learning management system, bei dem der Schwerpunkt auf dem Begriff Management liegt. Ein LXP ist ein learning eXperience system, also ein System zur Gestaltung einer Lernreise, einem Abenteuer. Es geht bei beiden Ansätzen darum, wer diese Lernreise steuert und wer die Zielorte der Reise festlegt. Bei einem LMS handelt es sich um einen “Lern-Katalog”, aus dem ich als Lernender vorgegebene Inhalte und Lernpfade auswähle. Der Hauptaspekt liegt hier auf einem einheitlichen Angebot und der Maxime, dass das LMS nicht verlassen werden muss. Sollte es verschiedene Lernpfade zu einem Ziel geben sollte, müssen diese in einem LMS alle vorgedacht sein, und zwar von einem Team an Inhaltsproduzenten (in fast allen Fällen dem Lehrpersonal). Was es da dann nicht gibt, das gibt es eben nicht.
Bei einem LXP hingegen entsteht das Netz der Lernpfade durch die Arbeit der Lernenden mit dem System. Personalisierung des Lernens durch die lernende Person ist eines der architektonischen Grundprinzipien eines guten LXP. Die Inhalte werden in der Regel nicht durch die Lehrpersonen vorgegeben, sondern entstehen durch den eigenen Lernprozess, die Zusammenarbeit und den Austausch mit anderen Lernenden. Lernende und Lehrende sind gleichberechtigte Partner in einem “Garten des Lernens.”
Gerade in einer sich deutlich wandelnden Welt außerhalb der Schule ist ein Lernmanagementsystem heute zu starr und langsam. Hier bietet die Mitarbeit der Lernenden und die Auslese sinnvoller Inhalte einen deutlichen Vorteil. Ein wesentlicher Vorteil des LXP ist also die Interaktion der Lernenden, sei es in Form von Diskussionsmöglichkeiten, sozialer Interaktion oder Empfehlungs- und Ranking-Systemen. Ein LMS hat immer die Einzelperson als Ziel. Damit ist “schülerbasiertes Lernen” gemeint, aber in dem Sinne, dass die Inhalte auf die einzelnen Schüler:innen ausgelegt sind. Denn letztlich geht es ja darum, in einem Lehrplan eine Auswertung in Form von Noten oder der Dokumention des (Nicht)Erreichens von Lernzielen zu bekommen.
Ein LXP hat dagegen eine andere Ausrichtung, die sich eher am kindlichen, explorativen und intrinsisch motivierten Lernen orientiert. In einem guten LXP in der beruflichen Bildung gibt es kaum Einschränkungen, welche Inhalte sich Lernende zu welcher Zeit und in welcher Folge erarbeiten. Ein learning experience system fördert den Austausch über Ressourcen und Lernpfade, entwickelt durch die Interaktionen von Lehrenden und vor allem der Lernenden untereinander wesentlich bessere Differenzierungen und Inhaltstiefen als es ein fix kuratiertes Angebot bieten kann.
Natürlich beschweren sich Eltern, wenn die Kinder sich ein halbes Dutzend Accounts merken müssen, weil externe Tools eingebunden werden oder wenn das Schul-LMS nicht “mobile first” entworfen wurde. Das sind aber technische Implementierungsdetails, die während der Informationsbereitstellung zu lösen sind. Niemand würde die Installation einer Wasserversorgung im Schulgebäude davon abhängig machen, ob es sich um 3⁄4 Zoll oder 1⁄2 Zoll Anschlüsse handelt. Im Softwarebereich werden darüber hitzige Diskussionen geführt.
Diese Themen sind aber in meinen Augen überhaupt nicht die wesentliche Frage. Zugang und System haben nichts mit dem Lernen und den Inhalten zu tun. Viel wichtiger ist die, wer die Lernreise steuert und die Anlegestellen dieser Reise festlegt. Gleiches gilt für die “Learning Analytics”: Die Diskussion darüber ist erst einmal müßig. Wenn ich Lernpfade und Lernniveaus empfehlen möchte, dann brauche ich immer Daten. Ob diese in einem Computersystem oder dem Hirn einer Lehrkraft liegen, ist für die Güte der Empfehlung erst einmal unerheblich. Die interessante Frage ist, welche Daten ich benötige, um eine valide Empfehlung abzugeben und ob diese Empfehlung überhaupt besser sein kann als die aus der peer group der Lernenden.
Auch der Zugang ist bei einem LXP immer “learner’s device first”. Die “learning experience” steht im Vordergrund, das bedeutet, dass Lernende unabhängig von Zeit, Ort und Gerät Zugriff auf die Inhalte haben. Das stellt eine große Herausforderung dar, wenn die Lehrenden in einem klassischen LMS die Inhalte vorproduzieren wollen. Diese müssen dann responsiv in einem fluiden Layout vorliegen, was beispielsweise die Verwendung von PDF-Arbeitsblättern als nicht “reflow”-fähiges Format ausschließt. Die in der Grundarchitektur eines LXP vorhandenen Interaktionsmöglichkeiten (Chats, Wikis, sozialer Austausch, Videoportale und Mediatheken mit den passenden Metadaten) sind in den meisten LMS aufgrund der anderen Zielsetzung auch eher rudimentär vorhanden.
Elementares Ziel ist es, das Lernen zu erleichtern, zu fördern und den Austausch der Lernenden untereinander in einer möglichst breiten Differenzierung zu bieten. Ob dies durch eine Sammlung von Tools unter einer gemeinsamen Oberfläche (oder einem einzelnen gemeinsamen Login, einem “single sign on”) erfolgt, ist erneut technisches Implementierungsdetail. Viel wichtiger ist der letzte Punkt, auf den ich eingehen möchte: Die Nutzung des LXP flexibel anhand der Kompetenzen und Erfahrungen der Lernenden zu gestalten.
Ein System für den Primarbereich muss Lernende noch wesentlich mehr an die Hand nehmen, als es das für eine Sekundarstufe II tun muss. Der ideale Ansatz wäre, Lernende von vornherein in ein solches Projekt einzubeziehen und aus der “Nutzerperspektive” zu entwerfen. Kein System außerhalb der Schule wird ohne die Ideen und Fähigkeiten künftiger Nutzer:innen gestaltet oder gar eingeführt. Lehrkräfte sollten sich daher klarmachen, dass nicht sie die Nutzer:innen eines LMS oder LXP sind, sondern die Schülerinnen und Schüler. Um es mit einem geflügelten Wort für Autoren zu sagen: “Nicht der Leser soll sich quälen, sondern der Autor!”
Zugänglichkeit, Verfügbarkeit und die Förderung des Austauschs der Lernenden untereinander, das gemeinsame Kuratieren von Lerninhalten und der eigene Takt des Lernens sind die wichtigsten Faktoren für ein gutes Lernportal. Andernfalls kann ein LMS leicht zu einer PDF-Schleuder einer stupiden Halde von Klickstrecken verkommen.
Armin Hanisch kam über den Amateurfunk zum Computer. Derzeit kümmert er sich bei der Bank für Sozialwirtschaft um Datenmigrations- und Testprojekte. Hanisch hat Erfahrungen als Analytiker, Consultant, Softwareentwickler, Projektleiter und Trainer gesammelt. Der Text erschien zuerst auf seinem Blog.
Auf über 100 zugelassene Schulbücher soll die frische 9. Gymnasialstufe in Bayern bald zurückgreifen können – “in der Regel sogar mehrere pro Fach”. Das sagte ein Sprecher des bayerischen Kultusministeriums gegenüber Bildung.Table. Zusätzlich gibt es “digitale Vorabdrucke” und “zahlreiche weitere Materialien”, die Lehrerinnen und Lehrern im Unterricht helfen können. Also alles in Ordnung bei den G9-Pionieren? Nicht ganz.
Denn der Bayerische Lehrer- und Lehrerinnenverband (BLLV) schlägt Alarm und berichtet von Eltern und Lehrkräften, die sich über fehlende Schulbücher beschweren. Dafür sollen bislang fehlende Zulassungen durch das Staatsministerium oder Lieferschwierigkeiten bei den Verlagen verantwortlich sein. “Seit Jahren ist der Lehrplan der 9. Klasse am Gymnasium veröffentlicht. Auch der Termin des ersten Schultages dürfte den Verantwortlichen bekannt gewesen sein”, übte BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann Kritik. “Verlage und Ministerium hätten genügend Zeit gehabt, die Bücher zu entwerfen, zu genehmigen und in Druck zu bringen.” Die aktuelle neunte Jahrgangsstufe ist der erste G9-Jahrgang und braucht deshalb jährlich neue Schulbücher. Die CSU beschloss 2017, dass Bayern zu einem neunjährigen Gymnasium zurückkehrt.
Auf die konkrete Frage nach den fehlenden Schulbüchern gab es vonseiten des bayerischen Kultusministeriums übrigens keine Antwort. Dort scheint der Schulbuch-Schwund kein Thema zu sein. Dennoch gibt das Ministerium einen positiven Ausblick – zumindest in Sachen digitale Schulbücher: “Derzeit sind mehr als 600 Titel in allen Schularten als digitales Schulbuch zugelassen – und es werden erfreulicherweise laufend mehr.” Außerdem arbeite das Ministerium gemeinsam mit dem für Schulbücher zuständigen Verband Bildungsmedien daran, “dass die Verlage noch schneller noch mehr hochwertige digitale Schulbücher entwickeln.” Enno Eidens
Schülerinnen und Schüler sind uneinig darin, ob die deutsche Schule wirklich gut auf die Digitalisierung vorbereitet ist. Ein Drittel der Schüler findet den digitalen Unterricht vergleichsweise gut. Die Hälfte aber bezweifelt in einer der seltenen Meinungsbefragung unter Schülern, “dass meine Schule digital gut für die Zukunft aufgestellt ist.” Diese Ergebnisse zeigt eine Umfrage unter 584 Schülern in ganz Deutschland, die die Nachhilfe-Plattform “Studienkreis online” durchgeführt hat. Der Studienkreis gab keine Auskunft darüber, ob die Befragung aus dem August repräsentativ ist.
Die Schülerinnen und Schüler zwischen zehn und 19 Jahren gaben Hinweise darauf, was ihnen für eine moderne digitale Schule wichtig ist: 86 Prozent finden, dass Tablets und Laptops dazu gehören, 72 Prozent wollen in der Schule das Programmieren erlernen. Andere digitale Formate oder Tools standen nicht zur Auswahl. Die höchsten Werte bei der Frage nach moderner Schule erzielte mit 92 Prozent Zustimmung die Frage nach “praxisorientierten Unterrichtsinhalten”. 87 Prozent der Schüler wollten individuelle Unterrichtsinhalte und 82 Prozent sprachen sich für kleinere Klassen aus. Der FREIday in Form von Projekttagen fand bei 73 Prozent der Befragten gefallen. Sieben von zehn Schülern wollen im Unterricht mehr über den Klimawandel erfahren.
Der vielleicht interessanteste Teil der Erhebung durch Studienkreis Online-Nachhilfe sind die offenen Antworten, in denen die Schüler der fünften bis 13. Klassen frei bestimmen konnten, was für sie wichtig ist. Die Schwerpunkte sind dabei Digitalisierung – und bessere Lehrer, nicht selten geht beides miteinander einher. “Der Digitalunterricht muss viel besser laufen. Lehrer, die es selbst nicht können, können uns nicht helfen”, schrieb ein Fünftklässler. Es brauche “mehr Lehrkräfte, die regelmäßig geprüft werden und auch digitale Zusatzausbildung erhalten (bzgl. digitaler Medien aber auch bzgl. Unterrichtsgestaltung mit digitalen Medien)”, hielt ein Schüler der achten Klasse fest. Ein Gleichaltriger schrieb: “Erst die Lehrer richtig ausbilden und denen mitteilen, dass es ihre Pflicht ist, uns zu unterrichten und dass sie dafür ihr Geld bekommen. Auch Mobbing ist ein sehr großes Problem. Schüler die vor Angst nicht in die Schule gehen wollen, so was sollte es nicht geben.”
Aus den neunten Klassen kamen Richtung Lehrkräften diese Sätze: “Lehrer in den USA ausbilden lassen in positiver Motivation. In D Land gibt es nur defizitorientierte Kritik und wenig Lob bei guten Leistungen.” Ein anderer Schüler notierte: “Lehrer sollten in einem anderen Beruf gearbeitet haben, damit sie mehr Lebenspraxis und Realitätssinn haben.” Eine Zehntklässlerin wünschte sich “bessere LehrerInnen, die sich auf die Kinder einstellen können und mehr Respekt zeigen, auf die Kinder eingehen können. LehrerInnen sollten besser ausgebildet werden, mehr auf die heutige Generation eingehen können.” Viele Schülerinnen und Schüler sprechen in den offenen Fragen auch das Thema Corona an. Ein Jugendlicher aus der 13. Klasse findet den Umgang mit der jungen Generation unfair: “Ich habe das Gefühl, dass wir in den letzten Monaten total vernachlässigt wurden. Wir mussten immer Rücksicht auf die älteren Leute nehmen, saßen deswegen monatelang zu Hause, hatten keine bzw. teilweise schlechten Online Unterricht & dürften uns nicht treffen.” cif
Die synchrone Kommunikation via Messenger möchte ich nicht mehr missen. Ich kann so jederzeit auf einem sehr niederschwelligen Niveau und in einer Kommunikation auf Augenhöhe mit den Studierenden in Kontakt bleiben. Es entsteht praktisch ein eigener virtueller Seminarraum. Ich kann tatsächlich one-to-many alle erreichen, wenn ich das möchte. Ich kann das, ohne Umwege zu gehen über Mail, Content-Managementsysteme oder andere Lernplattformen. Wenn nun noch eine kollaborative Office-Umgebung und ein progressives Ablagesystem wie Miro hinzukommt, dann kann ich folgenden – erweiterten – Workflow in der Seminargruppe abbilden: Wir arbeiten asynchron im Seminar und Unter-Lerngruppen zusammen und verständigen uns darüber synchron im Messenger. So sehen die Studierenden nicht nur ihren eigenen Arbeitsfortschritt, sondern auch den der anderen Studierenden. Allein das setzt eine Dynamik frei, die mit einem rein analogen Seminar kaum noch zu vergleichen ist.
Wir benötigen nicht nur den Messenger, sondern ein durchaus anspruchsvolles und differenziertes Regime verschiedener Tools: Ich selbst habe einige Jahre beim Messenger auf Telegram gesetzt, inzwischen hat die TU Dresden zum Glück eine eigene Instanz des Messengers auf dem Matrix-Protokoll angeschafft, also Element. Technisch ist hier wichtig, dass ich die doch sehr formelle Kommunikation über E-Mail mit den Studierenden umgehen kann. Damit habe ich ein ideales, schnelles Kommunikationswerkzeug. Zudem kann ich den Messenger auf jeder beliebigen Plattform einsetzen. Zur Kooperation braucht man noch eine Office-Umgebung. Hier setze ich wechselseitig auf Cryptpads, oder – das darf ich jetzt nicht sagen – die Arbeitsumgebung im Google-Space oder, wenn’s nicht anders geht, Microsoft 365.
Ich habe den Messenger schon vorher benutzt. Im Corona-Semester hat er sich dann aber als unverzichtbares Tool herausgestellt. Das wird also auf jeden Fall bleiben. Messenger und auch YouTube zur Wissensvermittlung in kleinen Dosen außerhalb des Seminars werden bleiben – und sie werden die Präsenzlehre um ein Vielfaches verbessern.
Es bereitet mir als Lehrendem große Freude, all die offenen Fragen der Studierenden im und über den Messenger zu beantworten. Ich kann die zusammen getragen Materialien, die Links und so weiter sofort sehen, annotieren und kommentieren. Ich kann das an andere Studierende weiterempfehlen. So entwickelt sich eine ganz andere Intensität, die in einem analogen Seminar ohne die genannten Tools kaum erreichbar wäre.
Meine Kritik geht dahin, dass dieses Tool nicht längst öfter genutzt wird.
Alexander Lasch ist an der TU Dresden Professor für Linguistik und Geschichte der Sprache.
1. und 2. Oktober 2021
BarCamp: EduCamp im Internet 2021
BarCamps sind Konferenzen, bei denen die Teilnehmenden selbst die Inhalte gestalten. Bei der EduCamp-Reihe geht es dabei um “medienpädagogische Fragestellungen” mit Fokus auf “den Einsatz von Medien im Bildungskontext” – an Schulen, Hochschulen und in unternehmen. Wer die Konferenz noch mitgestalten möchte, kann seine Vorschlage über ein Online-Tool einreichen und sich dort auch über die bereits vorgeschlagenen Themen informieren. Am Freitagnachmittag und -abend lernen sich die diesjährigen Teilnehmenden kennen, am Samstag geht es in die Workshops. Um Anmeldung wird gebeten, die Teilnehmerzahl ist unbegrenzt. Infos & Anmeldung
2. Oktober 2021, 9:00 – 17:15 Uhr
Digitalkongress 2021: “Vernetzt! Lernen und Lehren im Zeitalter der Digitalität”
Das Zentrum für Schulqualität und Lehrerbildung Baden-Württemberg (ZSL) lädt zum diesjährigen Digitalkongress ein. Das diesjährige Thema soll die “gewinnbringende Nutzung digitaler Medien in Schule und Unterricht” sein. Dafür gibt es Vorträge und Workshops sowie eine abschließende Podiumsdiskussion. Eine Anmeldung ist notwendig. Infos & Anmeldung
Termin 6. Oktober 2021, 16:00 – 20:00 Uhr
Online-Tagung: #moMUCdigital
Im Oktober geht es weiter bei digitalen mobilen Schule München. Kernthemen sind “zeitgemäße Bildung” und “digitale Unterrichtswelten” – gelernt wird in Workshops mit optionaler Vertiefung. Am 6. Oktober geht es unter anderem um “Das iPad in Lehrerhand”, “Interaktive Whiteboards”, “Fake New im Unterricht” und Blended Learning. Die Anmeldung ist kostenlos. Infos & Anmeldung
jetzt also Annalena Baerbock. Gestern Abend um 23:10 Uhr wurde die grüne Kandidatin von Romeo und Pauline gegrillt. Die beiden Elfjährigen fragten nach ihrem Lebenslauf, ob man abschreiben darf und warum der Klimaschutz so teuer wird. Das sind alles wichtige und berechtigte, wenn auch nicht sehr überraschende Fragen. Aber, sind das wirklich die Dinge, die Kinder interessieren? Baerbock tat sich, wie bereits Armin Laschet und Olaf Scholz, schwer mit den Kinderreportern – genauer: mit den Redakteuren von Klaas Heufer-Umlauf, die per Knopfmikro den Kindern so schlagfertig einflüsterten. Aber um die Befindlichkeit der Erwachsenen geht es überhaupt nicht in diesem Interview. Die Frage ist: Haben ProSieben und Heufer-Umlauf, der “Late Night Berlin” moderiert, den Kindern eigentlich eine Stimme gegeben – oder sie ihnen genommen? Medienethiker haben da eine klare Haltung.
Wirklich zu Wort kamen 584 Schülerinnen und Schüler bei einer bundesweiten Umfrage zur Wahl. Und auch wenn die Umfrage wahrscheinlich nicht repräsentativ ist, so haben die Fünft- bis 13-Klässler doch erstaunliche Antworten geliefert. Nämlich da, wo sie nicht nur ankreuzen, sondern in offenen Antworten aufschreiben konnten, was ihnen ge- oder missfällt. So spannend kann es sein, wenn man Kinder und Jugendliche ohne voice over oder Filter zu Wort kommen lässt.
Herzlich grüßt
Der Auftritt von zwei Kindern in “Late Night Berlin” von Klaas Heufer-Umlauf wird womöglich Konsequenzen haben. Die “Freiwillige Selbstkontrolle Fernsehen” teilte mit, dass sie der Einhaltung der Kinderschutzstandards und medienethischen Regeln bei der Produktionsfirma Florida TV nachgehen werde. Die Leiterin Claudia Mikat sagte Bildung.Table, der Auftritt der beiden Elfjährigen sei unauthentisch gewesen und werfe Fragen auf. Erfahrene Redakteurinnen von Kindersendungen wie “Logo!” sagten übereinstimmend, dass sie grundsätzlich keine Knopfmikrofone in die Ohren von Kinderreportern platzierten. Die beiden Kinder trugen solche Regie-Mikrofone. Medienethiker gehen sogar noch einen Schritt weiter: Sie sprechen von Instrumentalisierung der beiden Elfjährigen. Es sei inakzeptabel, Kinder zu benutzen, um Politiker vorzuführen.
In der Show hatten die beiden Teenies Romeo und Pauline die Kanzlerkandidaten Laschet und Scholz in Bedrängnis gebracht, am gestrigen späten Abend war Annalena Baerbock dran. Armin Laschet kam beim Thema des extremen CDU-Rechtsauslegers Maaßen ins Schleudern. Als der Kanzlerkandidat den Jungen fragte, ob er denn finde, dass Maaßen ein Rechter sei, entgegnete Romeo trocken: “Frage ich Sie”. Laschet war baff. Romeo und seine Partnerin Pauline wurden anschließend für ihre Interviews gefeiert. Die Nachrichtenagentur Dpa zitierte erfahrene Kollegen mit den Worten: “Das waren die zwei härtesten Interviews im Wahlkampf“. Was die Dpa in ihrer Berichterstattung aber wegließ: Es waren keine Kinderinterviews, sondern fremdgesteuerte Gespräche, die Romeo und Pauline führten. Die beiden hatten, wie die Produktionsfirma Florida TV bestätigte, einen Knopf im Ohr. Die Schlagfertigkeit kam also nicht nur vom – großen – Talent der Kinderreporter.
Die Redaktion des ZDF, die Logo produziert, teilte mit, sie achte beim Casting von Kinderreportern darauf, dass Kinder und nicht angehende Nachwuchs-Journalisten ausgewählt werden. Es gehe darum, neugierige Mädchen und Jungen zu finden, die gut zuhören können und auch schlagfertig sind. Ziel sei es gerade nicht, politische Expertenfragen zu stellen, sondern jene Fragen, die Kinder etwas angehen. “Wir suchen interessierte Kinder und keine kleinen Erwachsenen”, sagte die Leiterin der Logo-Redaktion, Constanze Knöchel, Bildung.Table. Der Umgang mit Regie-Mikrofon im Ohr sei klar geregelt. “Bei Logo haben Kinderreporter keinen Knopf im Ohr”, so Knöchel. “Wir intervenieren nicht in den Interviewfluss hinein.” Natürlich bereiteten Redakteure die Kinder auf Interviews vor und begleiteten sie dabei. “Aber es gilt der Grundsatz, dass man das Gespräch, das die Kinder führen, laufen lässt.”
Ähnlich äußerte sich Shary Reeves, ehemalige Moderatorin von “Wissen macht Ah!”. Sie bewundere die Leistung von Romeo und Pauline, sagte Reeves Bildung.Table. Allerdings hätte sie einem Kind keinen Mikroknopf ins Ohr getan, um Regieanweisungen zu geben. Es gehe bei der Arbeit mit Kindern um Fairness und Vertrauen. Das Ziel der Sendung von Klaas Heufer-Umlauf seien aber nicht die Kinder gewesen. Es sei allein darum gegangen, die Politiker vorzuführen.
Die Produktionsfirma der Show von Klaas Heufer-Umlauf ließ sich zu den Kinderreportern Romeo und Pauline nicht auf ein Interview ein. “Es ist gängige Praxis, dass Fernseh-Journalist:innen einen Knopf im Ohr tragen“, teilte Florida TV schriftlich mit, “warum sollte man also ausgerechnet zwei 11-jährigen Kindern dieses gängige Hilfsmittel verwehren? Zumal sie immerhin mit der Aufgabe betraut sind, drei Kanzlerkandidat:innen zu interviewen.” Auskünfte über das Casting, den Jugendschutzbeauftragten und den Betreuer der Kinder verweigerte Geschäftsführer Arne Kreutzfeldt trotz wiederholter Anfragen.
Der Umgang mit der Sendung offenbart einen Zuständigkeitswirrwarr beim Jugendmedienschutz. Konkret für den Umgang von Florida TV mit dem Kindern sind das Jugendamt und das Gewerbeaufsichtsamt zuständig. Die “Kommission für Jugendmedienschutz” der Länder kümmert sich nur darum, wenn die Rechte von Kindern als Medienrezipienten verletzt sind. Die Kommission hat mehrere Anfragen und Beschwerden wegen der Sendung mit Romeo und Pauline erhalten, hat aber keine gesetzliche Handhabe, um dem nachzugehen. Das ist vor allem deswegen problematisch, weil immer öfter Kinder von Influencerfamilien in der Öffentlichkeit bloßgestellt und benutzt werden. Das sehen alle Gesprächspartner von Bildung.Table so.
Selbst die “Gesellschaft für Medienpädagogik und Kommunikationskultur” erklärte sich zunächst für “nicht zuständig”. Später teilte sie schriftlich mit, “für eine politische Kommunikation dürfen Kinder nicht instrumentalisiert werden.” Die Deutsche Presseagentur gestand auf Anfrage ein, sie habe weder ihre Kunden noch die Leser:innen darüber informiert, dass Romeo und Pauline fremdgesteuert waren. Dpa habe nur eine Meldung gebracht, sagte ein Sprecher. “Wir haben die nachfolgende Debatte darum, ob die jungen Moderatoren die Fragen eigenständig gestellt haben, nicht aufgegriffen.”
Die Münchner Medienethikerin Claudia Paganini erhebt indes schwere Vorwürfe gegen den Sender und die Produktionsfirma Florida TV. “Es ging überhaupt nicht um die Kinder oder das, was sie interessiert”, sagte Paganini. “Die beiden vermeintlichen Kinderreporter wurden instrumentalisiert, um die Politiker bloßzustellen.” Paganini lehrt in München an der Hochschule für Philosophie. Sie bedauerte, dass es bei Auftritten von Kindern in TV-Sendungen nur um den Arbeitsschutz geht.
Paganini hält grundsätzliche ethische Fragen für genauso wichtig. Man dürfe einen Menschen nicht für fremde Zwecke einsetzen, verwies Paganini auf den ethischen Grundsatz von Kant. “Der Mensch, und überhaupt jedes vernünftige Wesen, existiert als Zweck an sich selbst, nicht bloß als Mittel zum beliebigen Gebrauche für diesen oder jenen Willen“, schreibt Kant. Das sei aber hier geschehen, denn die Kinder spielten in dem Interview keine Rolle. “Romeo und Pauline konnten die Tragweite ihres Einsatzes als Kinderreporter gar nicht abschätzen”, sagte die Philosophin.
Paganini wies darauf hin, dass es Schutzbedürfnisse von Kindern im Fernsehen gibt. “Ich frage mich, ob sich die Redakteure im Klaren sind, dass sie Romeo und Pauline der Gefahr möglicher Reaktionen im Netz ausgesetzt haben, gegen die sie sich nicht schützen können“, so die Philosophin und Journalistin. Nach solchen Beiträgen könne es zu Lawinen von Hass aus dem Netz kommen. “Wie könnten Romeo und Pauline damit umgehen?” Es sei den beiden Kindern wahrscheinlich nicht bewusst, dass sie von nun an als die beiden Interviewer des Wahlkampfs 2021 im Netz verewigt sind.
Auch der Ludwigsburger Medienethiker Matthias Rath findet die Inszenierung mit den beiden Kindern “nicht akzeptabel, ja verwerflich.” Man habe die beiden Kinder ausgewählt, weil sie für die personifizierte Wahrhaftigkeit und Harmlosigkeit stehen. Damit habe man die Kanzlerkandidaten in eine geradezu ausweglose Interviewsituation gebracht. “Wie soll ein Interviewter der absoluten Wahrhaftigkeit in dieser Gesprächssituation widersprechen?“, fragt Rath, der an der pädagogischen Hochschule in Ludwigsburg lehrt. “Das war ein Missbrauch der Wahrhaftigkeit”, sagte Rath. Der Philosoph hat indes kein Mitleid für die Politiker, die diese Interviews mitgemacht haben. “Das Kalkül der Kanzlerkandidatenteams war, sich mit den Kindern zu schmücken”. Auch die Kandidaten hätten die elfjährigen Kinder instrumentalisiert. “Die haben gedacht, die setzen mir ein Kind auf den Arm, das nützt mir. Kinder und Hunde – das funktioniert normalerweise immer. In diesem Fall nicht.”
Rath sieht in den fremdgesteuerten Interviews von Kindern ein grundsätzliches medienpädagogisches Problem im digitalen Zeitalter. Man lebe heute in komplett medialisierten Gesellschaften, in denen bereits Kleinkinder digitale Medien nutzten. Dennoch wollten weite Teile der Gesellschaft unabsehbare Folgen digitaler Medien am liebsten verbieten. Was es aber nicht gibt, sagt Rath, sei ein grundsätzliches Verständnis dafür, was ein souveräner Umgang von Kindern mit Medien ist. Dazu gehöre, dass Kinder bereits vom Kindergarten an lernen müssten, Subjekte und Produzenten medialen Handelns zu werden. Sie dürfte nicht zu Objekten von Redaktionen und Politikern werden.
Einer der ersten Orte, an denen Christian Hense die Künstliche Intelligenz zum Einsatz brachte, war eine Förderschule in Sachsen-Anhalt. Dort saßen in einer Klasse zwölf Schüler, viele mit geistiger Behinderung. Nirgendwo sonst dürften die Lernvoraussetzungen so unterschiedlich sein wie in einer solchen Klasse. In dieser Diversität hat sich Henses System bewährt: “Alle Schülerinnen und Schüler haben das Modul am Ende erledigt in sehr unterschiedlicher Zeit”, sagt er. “Das können Sie als einzelne Lehrkraft in einem ähnlichen Zeitrahmen nicht umsetzen.”
Hense entwickelt solche Module bei “Area9 Lyceum” in Leipzig. Das Unternehmen hat den Zuschlag für den ersten KI-Test im deutschen Bildungswesen ergattert. Im Auftrag der Kultusministerkonferenz hat Area9 Lyceum sein intelligentes tutorielles System namens “Area9 Rhapsode” an Schulen in drei Ländern getestet. Sachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt haben sich als erste in das Abenteuer Bildungs-KI gestürzt. Die vielen Daten, die der Algorithmus von Area9 aus dem Lernen und Verstehen der Schüler gewonnen hat, werden jetzt ausgewertet. Die KMK verfolgt damit das Ziel, mithilfe von Künstlicher Intelligenz das Lernen individueller und gerechter zu machen. “Aus den ersten Rückmeldungen der Schulen war ersichtlich, dass das System Area9 Rhapsode für die Unterstützung der Lehrkräfte und Schülerinnen und Schüler im Unterricht grundsätzlich geeignet ist und das individualisierte Lernen gut unterstützt“, sagte eine Sprecherin des Bildungsministeriums aus Sachsen-Anhalt Bildung.Table.
Area9 Lyceum will mit seiner Technologie den Zugang zur Bildung erleichtern. Das dänische Unternehmen mit Standorten in Kopenhagen und Boston hat seine deutsche Dependance in Leipzig. An der Promenade am Innenstadtring, in der Nähe der Thomaskirche, besetzt die Firma ein Dachgeschoss über einer Bank. Hier, in der guten Stube der dynamischsten Stadt im Osten, sitzen 30 Mitarbeiter an Computern zwischen noch bilderlosen weißen Wänden. Seit 2018 ist Area9 Lyceum – benannt nach einer Hirnregion und dem Bildungsort der alten Griechen – in Deutschland präsent. Gerade rechtzeitig, um den millionenschweren Auftrag des Kultusministeriums zu bekommen, der der KI die Pforten zum deutschen Schulsystem öffnen kann.
Doch schon formiert sich Widerstand. Sachsens oberster Datenschützer Andreas Schurig hat schwere Bedenken angemeldet. Bei der Interaktion mit dem System würden personenbezogene Schülerdaten verarbeitet, so die Kritik. Die Daten würden zusätzlich zu Benutzernamen, E-Mail und Passwort gespeichert. “Eine Rechtsgrundlage für die Datenverarbeitung bei dem Software-Anbieter ist nicht ersichtlich“, sagt ein Sprecher Schurigs auf Anfrage. Darüber hinaus findet der Datenschützer den Umstand, dass Area9 die Server des US-Unternehmens Amazon Web Services benutzt, “datenschutzrechtlich problematisch“. Gut möglich also, dass Deutschlands erstes Schulexperiment mit KI beendet wird, bevor es überhaupt richtig starten kann.
Area9 Lyceum beruft sich auf 25 Jahre Erfahrung. Das dänische Mutterunternehmen arbeitet seit der Jahrtausendwende mit einem KI-basierten System für medizinische Anwendungen. Das Tochterunternehmen Lyceum will nun an die Schulen ran. “Die Vision des Unternehmens ist: Zugang zu Bildung sollte jeder erhalten”, sagt Geschäftsführer Andreas Kambach. “Wir unterstützen in Dänemark Brennpunktschulen, wo durch Covid und Homeschooling die Zielgruppen vernachlässigt wurden.” Kambach, 52, der aus der Erwachsenenbildung kommt, ist stolz auf sein System, das, wie er sagt, die vier Dimensionen der kognitiven Kompetenzen vollständig abbilden könne. “Viele Menschen besetzen diesen Begriff KI als große Herausforderung oder Gefahr”, sagt er. “Dabei funktioniert unser System so, wie das Gehirn funktioniert. Es guckt, wo der Lehrer Unterstützung braucht und welche Kompetenzen der Lerner mitbringt.”
Das ist es, was Angela Merkel, SPD-Vorsitzende Saskia Esken und Kultusminister wollten, als sie im September 2020 verabredeten, KI an die Schulen zu holen. Nach Schulschließungen, Homeschooling und Lerndefiziten sollte ein System her, das auf die Individualität der Schüler eingeht – jenseits der Arbeit der Lehrkräfte. Um die KI, die in anderen Bereichen längst schon genutzt wird, in der Welt der Schulen akzeptabel zu machen, nannte man die KI Intelligentes Tutorielles System (ITS).
Kambach sieht sich als den einzigen Anbieter, der im reinen Sinne künstlich intelligent arbeitet. “Was wir machen, ist nicht alter Wein in neuen Schläuchen“, sagt er. Es gebe viele Anbieter, die mit dem Begriff ‘adaptiv’ um sich würfen. “Aber wenn die in unseren Maschinenraum gucken, stellen die fest, dass sie es doch nicht haben.” So sah man das im Dresdner Kultusministerium auch. “Wir können durch KI erfahren, um welche Schüler wir uns intensiver kümmern müssen“, sagt Jens Drummer, der Zuständige für Digitales im Ministerium. “Das kriegt man als Lehrer sonst nicht wirklich gut raus.”
Der Goldstaub von Area9 Lyceum heißt Learning Analytics. Diese Technologie mache erkennbar, wo der einzelne Schüler steht. Entwickler Hense sieht die Erkenntnisse, die die Analytics gewinnen, als eine gute Grundlage für den Flipped Classroom. Das ist das Geschäftsmodell der Dänen: Henses Arbeit besteht darin, hochkomplexen Content zu zerlegen und daraus adaptive Tools zu bauen. Eine aufwändige Aufgabe, an der schon etliche Hersteller gescheitert sind. Aus Henses Mund klingt sie wie das Ei des Kolumbus.
Christian Hense ist 39, studierter Sprachwissenschaftler und Philosoph, spezialisiert auf Psycholinguistik, Logik und Wissenschaftstheorie. Bei Area9 firmiert er als Manager Business Development. Er hat ein Zeitmesser-Modul konzipiert, das im Test bei einer vierten Klasse dem eigentlichen Lernmodul vorgeschaltet wurde. Die Erkenntnis: Wenn die Schüler gut im Stoff stecken, antworten sie gleich schnell. Bei neuem Wissen sind dagegen die zeitlichen Unterschiede sehr groß. In den erhobenen Lerndaten lässt sich nachlesen, dass ein Schüler für eine Aufgabe 25 Minuten brauchte – ein anderer 53. Gefragt wird jeder, das ist der Vorteil der Technik vor der Unterrichtssituation. “Durch die Arbeit mit dem System werden die Schüler immer angeregt, ihre Neugier wieder zu entwickeln“, sagt Christian Hense. “Jeder einzelne nimmt zu 100 Prozent am Unterricht teil.”
Area9 Rhapsode ist als ein persönliches Coaching angelegt. Der Algorithmus agiert mit dem Kind, als wäre er ein Elternteil oder Tutor, sagt Geschäftsführer Kambach. “Der lernt so lange mit dem Kind, bis es verstanden hat. Alle anderen Systeme geben den Nachweis, dass die Aufgaben gemacht wurden. Bei uns kommt der Nachweis, dass es auch verstanden wurde.” Ziel dahinter ist, dass Lehrer mehr Freiraum bekommen. Das betonen die Bildungsbehörden stets, wenn es um KI geht. Es sei keinesfalls geplant, Lehrer oder gar den Präsenzunterricht zu ersetzen, heißt es ausdrücklich aus dem Kultusministerium. Das hat erzieherische Gründe. Eine im Juni erschienene Telekom Studie empfiehlt, Lehrern gegenüber am besten nur von der assistierenden Eigenschaft der KI in der Schule zu sprechen, die zudem “aufwandsarm eingesetzt” werden könne.
Die Vorbehalte gegen intelligente Technik im Klassenzimmer sind groß. Gerade bei Lehrern, die fürchten, dass ihnen der Algorithmus ins Handwerk pfuscht. Diese Ängste würden sich aber auflösen, sobald man erste Bekanntschaft macht. Das hat Christian Hense beobachtet: “Zudem haben Lehrkräfte die Möglichkeit, sich die Lernkurven für jedes Kind anzeigen zu lassen”, sagt er.
Aber diese Kurven gefährden nun das ganze Projekt. Der Datenschutzbeauftragte hat das Kultusministerium aufgefordert, die Verträge mit Area9 Lyceum hinsichtlich Datenschutz offenzulegen. Vorher dürfe kein Betrieb mit Rhapsode stattfinden, auch nicht testweise. Die Aufsichtsbehörde betont auf Nachfrage, sie sei befugt, die Datenverarbeitung notfalls auch zu verbieten. Dann wäre das System im Schuleinsatz wertlos – und das Debüt der KI im deutschen Bildungswesen gescheitert. Aber darüber verhandeln Kultus und Datenschutz in Sachsen noch.
Gastbeitrag von Armin Hanisch
Als jemand ohne Pädagogikstudium, aber mit mehr als 25 Jahren Erfahrung in der Erwachsenenbildung und mit einem Hintergrund in Softwareentwicklung, nehme ich eine Perspektive ein, die eventuell einige neue Gedanken in die Diskussion um Lernmanagementsysteme (LMS) einbringt. Das Gespräch um LMS kreist viel um Systeme, Pflichtenhefte und Standardisierung. Relativ wenig kommt die Sicht Lernender vor. Die Anforderungen vernetzten, differenzierenden Lernens fehlen fast völlig.
Meiner Meinung ist die Frage nicht “LMS oder nicht und wenn ja, welches”, sondern eine ganze andere. Ich würde sie gerne aus der Definition der beiden Systeme entwickeln: Lernmanagement und Lernerfahrung. Oder anders gesagt: wie lassen sich Unterrichtsprozesse jedem Kind so anbieten, dass es sich vertieft damit beschäftigen kann?
Ein LMS ist ein learning management system, bei dem der Schwerpunkt auf dem Begriff Management liegt. Ein LXP ist ein learning eXperience system, also ein System zur Gestaltung einer Lernreise, einem Abenteuer. Es geht bei beiden Ansätzen darum, wer diese Lernreise steuert und wer die Zielorte der Reise festlegt. Bei einem LMS handelt es sich um einen “Lern-Katalog”, aus dem ich als Lernender vorgegebene Inhalte und Lernpfade auswähle. Der Hauptaspekt liegt hier auf einem einheitlichen Angebot und der Maxime, dass das LMS nicht verlassen werden muss. Sollte es verschiedene Lernpfade zu einem Ziel geben sollte, müssen diese in einem LMS alle vorgedacht sein, und zwar von einem Team an Inhaltsproduzenten (in fast allen Fällen dem Lehrpersonal). Was es da dann nicht gibt, das gibt es eben nicht.
Bei einem LXP hingegen entsteht das Netz der Lernpfade durch die Arbeit der Lernenden mit dem System. Personalisierung des Lernens durch die lernende Person ist eines der architektonischen Grundprinzipien eines guten LXP. Die Inhalte werden in der Regel nicht durch die Lehrpersonen vorgegeben, sondern entstehen durch den eigenen Lernprozess, die Zusammenarbeit und den Austausch mit anderen Lernenden. Lernende und Lehrende sind gleichberechtigte Partner in einem “Garten des Lernens.”
Gerade in einer sich deutlich wandelnden Welt außerhalb der Schule ist ein Lernmanagementsystem heute zu starr und langsam. Hier bietet die Mitarbeit der Lernenden und die Auslese sinnvoller Inhalte einen deutlichen Vorteil. Ein wesentlicher Vorteil des LXP ist also die Interaktion der Lernenden, sei es in Form von Diskussionsmöglichkeiten, sozialer Interaktion oder Empfehlungs- und Ranking-Systemen. Ein LMS hat immer die Einzelperson als Ziel. Damit ist “schülerbasiertes Lernen” gemeint, aber in dem Sinne, dass die Inhalte auf die einzelnen Schüler:innen ausgelegt sind. Denn letztlich geht es ja darum, in einem Lehrplan eine Auswertung in Form von Noten oder der Dokumention des (Nicht)Erreichens von Lernzielen zu bekommen.
Ein LXP hat dagegen eine andere Ausrichtung, die sich eher am kindlichen, explorativen und intrinsisch motivierten Lernen orientiert. In einem guten LXP in der beruflichen Bildung gibt es kaum Einschränkungen, welche Inhalte sich Lernende zu welcher Zeit und in welcher Folge erarbeiten. Ein learning experience system fördert den Austausch über Ressourcen und Lernpfade, entwickelt durch die Interaktionen von Lehrenden und vor allem der Lernenden untereinander wesentlich bessere Differenzierungen und Inhaltstiefen als es ein fix kuratiertes Angebot bieten kann.
Natürlich beschweren sich Eltern, wenn die Kinder sich ein halbes Dutzend Accounts merken müssen, weil externe Tools eingebunden werden oder wenn das Schul-LMS nicht “mobile first” entworfen wurde. Das sind aber technische Implementierungsdetails, die während der Informationsbereitstellung zu lösen sind. Niemand würde die Installation einer Wasserversorgung im Schulgebäude davon abhängig machen, ob es sich um 3⁄4 Zoll oder 1⁄2 Zoll Anschlüsse handelt. Im Softwarebereich werden darüber hitzige Diskussionen geführt.
Diese Themen sind aber in meinen Augen überhaupt nicht die wesentliche Frage. Zugang und System haben nichts mit dem Lernen und den Inhalten zu tun. Viel wichtiger ist die, wer die Lernreise steuert und die Anlegestellen dieser Reise festlegt. Gleiches gilt für die “Learning Analytics”: Die Diskussion darüber ist erst einmal müßig. Wenn ich Lernpfade und Lernniveaus empfehlen möchte, dann brauche ich immer Daten. Ob diese in einem Computersystem oder dem Hirn einer Lehrkraft liegen, ist für die Güte der Empfehlung erst einmal unerheblich. Die interessante Frage ist, welche Daten ich benötige, um eine valide Empfehlung abzugeben und ob diese Empfehlung überhaupt besser sein kann als die aus der peer group der Lernenden.
Auch der Zugang ist bei einem LXP immer “learner’s device first”. Die “learning experience” steht im Vordergrund, das bedeutet, dass Lernende unabhängig von Zeit, Ort und Gerät Zugriff auf die Inhalte haben. Das stellt eine große Herausforderung dar, wenn die Lehrenden in einem klassischen LMS die Inhalte vorproduzieren wollen. Diese müssen dann responsiv in einem fluiden Layout vorliegen, was beispielsweise die Verwendung von PDF-Arbeitsblättern als nicht “reflow”-fähiges Format ausschließt. Die in der Grundarchitektur eines LXP vorhandenen Interaktionsmöglichkeiten (Chats, Wikis, sozialer Austausch, Videoportale und Mediatheken mit den passenden Metadaten) sind in den meisten LMS aufgrund der anderen Zielsetzung auch eher rudimentär vorhanden.
Elementares Ziel ist es, das Lernen zu erleichtern, zu fördern und den Austausch der Lernenden untereinander in einer möglichst breiten Differenzierung zu bieten. Ob dies durch eine Sammlung von Tools unter einer gemeinsamen Oberfläche (oder einem einzelnen gemeinsamen Login, einem “single sign on”) erfolgt, ist erneut technisches Implementierungsdetail. Viel wichtiger ist der letzte Punkt, auf den ich eingehen möchte: Die Nutzung des LXP flexibel anhand der Kompetenzen und Erfahrungen der Lernenden zu gestalten.
Ein System für den Primarbereich muss Lernende noch wesentlich mehr an die Hand nehmen, als es das für eine Sekundarstufe II tun muss. Der ideale Ansatz wäre, Lernende von vornherein in ein solches Projekt einzubeziehen und aus der “Nutzerperspektive” zu entwerfen. Kein System außerhalb der Schule wird ohne die Ideen und Fähigkeiten künftiger Nutzer:innen gestaltet oder gar eingeführt. Lehrkräfte sollten sich daher klarmachen, dass nicht sie die Nutzer:innen eines LMS oder LXP sind, sondern die Schülerinnen und Schüler. Um es mit einem geflügelten Wort für Autoren zu sagen: “Nicht der Leser soll sich quälen, sondern der Autor!”
Zugänglichkeit, Verfügbarkeit und die Förderung des Austauschs der Lernenden untereinander, das gemeinsame Kuratieren von Lerninhalten und der eigene Takt des Lernens sind die wichtigsten Faktoren für ein gutes Lernportal. Andernfalls kann ein LMS leicht zu einer PDF-Schleuder einer stupiden Halde von Klickstrecken verkommen.
Armin Hanisch kam über den Amateurfunk zum Computer. Derzeit kümmert er sich bei der Bank für Sozialwirtschaft um Datenmigrations- und Testprojekte. Hanisch hat Erfahrungen als Analytiker, Consultant, Softwareentwickler, Projektleiter und Trainer gesammelt. Der Text erschien zuerst auf seinem Blog.
Auf über 100 zugelassene Schulbücher soll die frische 9. Gymnasialstufe in Bayern bald zurückgreifen können – “in der Regel sogar mehrere pro Fach”. Das sagte ein Sprecher des bayerischen Kultusministeriums gegenüber Bildung.Table. Zusätzlich gibt es “digitale Vorabdrucke” und “zahlreiche weitere Materialien”, die Lehrerinnen und Lehrern im Unterricht helfen können. Also alles in Ordnung bei den G9-Pionieren? Nicht ganz.
Denn der Bayerische Lehrer- und Lehrerinnenverband (BLLV) schlägt Alarm und berichtet von Eltern und Lehrkräften, die sich über fehlende Schulbücher beschweren. Dafür sollen bislang fehlende Zulassungen durch das Staatsministerium oder Lieferschwierigkeiten bei den Verlagen verantwortlich sein. “Seit Jahren ist der Lehrplan der 9. Klasse am Gymnasium veröffentlicht. Auch der Termin des ersten Schultages dürfte den Verantwortlichen bekannt gewesen sein”, übte BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann Kritik. “Verlage und Ministerium hätten genügend Zeit gehabt, die Bücher zu entwerfen, zu genehmigen und in Druck zu bringen.” Die aktuelle neunte Jahrgangsstufe ist der erste G9-Jahrgang und braucht deshalb jährlich neue Schulbücher. Die CSU beschloss 2017, dass Bayern zu einem neunjährigen Gymnasium zurückkehrt.
Auf die konkrete Frage nach den fehlenden Schulbüchern gab es vonseiten des bayerischen Kultusministeriums übrigens keine Antwort. Dort scheint der Schulbuch-Schwund kein Thema zu sein. Dennoch gibt das Ministerium einen positiven Ausblick – zumindest in Sachen digitale Schulbücher: “Derzeit sind mehr als 600 Titel in allen Schularten als digitales Schulbuch zugelassen – und es werden erfreulicherweise laufend mehr.” Außerdem arbeite das Ministerium gemeinsam mit dem für Schulbücher zuständigen Verband Bildungsmedien daran, “dass die Verlage noch schneller noch mehr hochwertige digitale Schulbücher entwickeln.” Enno Eidens
Schülerinnen und Schüler sind uneinig darin, ob die deutsche Schule wirklich gut auf die Digitalisierung vorbereitet ist. Ein Drittel der Schüler findet den digitalen Unterricht vergleichsweise gut. Die Hälfte aber bezweifelt in einer der seltenen Meinungsbefragung unter Schülern, “dass meine Schule digital gut für die Zukunft aufgestellt ist.” Diese Ergebnisse zeigt eine Umfrage unter 584 Schülern in ganz Deutschland, die die Nachhilfe-Plattform “Studienkreis online” durchgeführt hat. Der Studienkreis gab keine Auskunft darüber, ob die Befragung aus dem August repräsentativ ist.
Die Schülerinnen und Schüler zwischen zehn und 19 Jahren gaben Hinweise darauf, was ihnen für eine moderne digitale Schule wichtig ist: 86 Prozent finden, dass Tablets und Laptops dazu gehören, 72 Prozent wollen in der Schule das Programmieren erlernen. Andere digitale Formate oder Tools standen nicht zur Auswahl. Die höchsten Werte bei der Frage nach moderner Schule erzielte mit 92 Prozent Zustimmung die Frage nach “praxisorientierten Unterrichtsinhalten”. 87 Prozent der Schüler wollten individuelle Unterrichtsinhalte und 82 Prozent sprachen sich für kleinere Klassen aus. Der FREIday in Form von Projekttagen fand bei 73 Prozent der Befragten gefallen. Sieben von zehn Schülern wollen im Unterricht mehr über den Klimawandel erfahren.
Der vielleicht interessanteste Teil der Erhebung durch Studienkreis Online-Nachhilfe sind die offenen Antworten, in denen die Schüler der fünften bis 13. Klassen frei bestimmen konnten, was für sie wichtig ist. Die Schwerpunkte sind dabei Digitalisierung – und bessere Lehrer, nicht selten geht beides miteinander einher. “Der Digitalunterricht muss viel besser laufen. Lehrer, die es selbst nicht können, können uns nicht helfen”, schrieb ein Fünftklässler. Es brauche “mehr Lehrkräfte, die regelmäßig geprüft werden und auch digitale Zusatzausbildung erhalten (bzgl. digitaler Medien aber auch bzgl. Unterrichtsgestaltung mit digitalen Medien)”, hielt ein Schüler der achten Klasse fest. Ein Gleichaltriger schrieb: “Erst die Lehrer richtig ausbilden und denen mitteilen, dass es ihre Pflicht ist, uns zu unterrichten und dass sie dafür ihr Geld bekommen. Auch Mobbing ist ein sehr großes Problem. Schüler die vor Angst nicht in die Schule gehen wollen, so was sollte es nicht geben.”
Aus den neunten Klassen kamen Richtung Lehrkräften diese Sätze: “Lehrer in den USA ausbilden lassen in positiver Motivation. In D Land gibt es nur defizitorientierte Kritik und wenig Lob bei guten Leistungen.” Ein anderer Schüler notierte: “Lehrer sollten in einem anderen Beruf gearbeitet haben, damit sie mehr Lebenspraxis und Realitätssinn haben.” Eine Zehntklässlerin wünschte sich “bessere LehrerInnen, die sich auf die Kinder einstellen können und mehr Respekt zeigen, auf die Kinder eingehen können. LehrerInnen sollten besser ausgebildet werden, mehr auf die heutige Generation eingehen können.” Viele Schülerinnen und Schüler sprechen in den offenen Fragen auch das Thema Corona an. Ein Jugendlicher aus der 13. Klasse findet den Umgang mit der jungen Generation unfair: “Ich habe das Gefühl, dass wir in den letzten Monaten total vernachlässigt wurden. Wir mussten immer Rücksicht auf die älteren Leute nehmen, saßen deswegen monatelang zu Hause, hatten keine bzw. teilweise schlechten Online Unterricht & dürften uns nicht treffen.” cif
Die synchrone Kommunikation via Messenger möchte ich nicht mehr missen. Ich kann so jederzeit auf einem sehr niederschwelligen Niveau und in einer Kommunikation auf Augenhöhe mit den Studierenden in Kontakt bleiben. Es entsteht praktisch ein eigener virtueller Seminarraum. Ich kann tatsächlich one-to-many alle erreichen, wenn ich das möchte. Ich kann das, ohne Umwege zu gehen über Mail, Content-Managementsysteme oder andere Lernplattformen. Wenn nun noch eine kollaborative Office-Umgebung und ein progressives Ablagesystem wie Miro hinzukommt, dann kann ich folgenden – erweiterten – Workflow in der Seminargruppe abbilden: Wir arbeiten asynchron im Seminar und Unter-Lerngruppen zusammen und verständigen uns darüber synchron im Messenger. So sehen die Studierenden nicht nur ihren eigenen Arbeitsfortschritt, sondern auch den der anderen Studierenden. Allein das setzt eine Dynamik frei, die mit einem rein analogen Seminar kaum noch zu vergleichen ist.
Wir benötigen nicht nur den Messenger, sondern ein durchaus anspruchsvolles und differenziertes Regime verschiedener Tools: Ich selbst habe einige Jahre beim Messenger auf Telegram gesetzt, inzwischen hat die TU Dresden zum Glück eine eigene Instanz des Messengers auf dem Matrix-Protokoll angeschafft, also Element. Technisch ist hier wichtig, dass ich die doch sehr formelle Kommunikation über E-Mail mit den Studierenden umgehen kann. Damit habe ich ein ideales, schnelles Kommunikationswerkzeug. Zudem kann ich den Messenger auf jeder beliebigen Plattform einsetzen. Zur Kooperation braucht man noch eine Office-Umgebung. Hier setze ich wechselseitig auf Cryptpads, oder – das darf ich jetzt nicht sagen – die Arbeitsumgebung im Google-Space oder, wenn’s nicht anders geht, Microsoft 365.
Ich habe den Messenger schon vorher benutzt. Im Corona-Semester hat er sich dann aber als unverzichtbares Tool herausgestellt. Das wird also auf jeden Fall bleiben. Messenger und auch YouTube zur Wissensvermittlung in kleinen Dosen außerhalb des Seminars werden bleiben – und sie werden die Präsenzlehre um ein Vielfaches verbessern.
Es bereitet mir als Lehrendem große Freude, all die offenen Fragen der Studierenden im und über den Messenger zu beantworten. Ich kann die zusammen getragen Materialien, die Links und so weiter sofort sehen, annotieren und kommentieren. Ich kann das an andere Studierende weiterempfehlen. So entwickelt sich eine ganz andere Intensität, die in einem analogen Seminar ohne die genannten Tools kaum erreichbar wäre.
Meine Kritik geht dahin, dass dieses Tool nicht längst öfter genutzt wird.
Alexander Lasch ist an der TU Dresden Professor für Linguistik und Geschichte der Sprache.
1. und 2. Oktober 2021
BarCamp: EduCamp im Internet 2021
BarCamps sind Konferenzen, bei denen die Teilnehmenden selbst die Inhalte gestalten. Bei der EduCamp-Reihe geht es dabei um “medienpädagogische Fragestellungen” mit Fokus auf “den Einsatz von Medien im Bildungskontext” – an Schulen, Hochschulen und in unternehmen. Wer die Konferenz noch mitgestalten möchte, kann seine Vorschlage über ein Online-Tool einreichen und sich dort auch über die bereits vorgeschlagenen Themen informieren. Am Freitagnachmittag und -abend lernen sich die diesjährigen Teilnehmenden kennen, am Samstag geht es in die Workshops. Um Anmeldung wird gebeten, die Teilnehmerzahl ist unbegrenzt. Infos & Anmeldung
2. Oktober 2021, 9:00 – 17:15 Uhr
Digitalkongress 2021: “Vernetzt! Lernen und Lehren im Zeitalter der Digitalität”
Das Zentrum für Schulqualität und Lehrerbildung Baden-Württemberg (ZSL) lädt zum diesjährigen Digitalkongress ein. Das diesjährige Thema soll die “gewinnbringende Nutzung digitaler Medien in Schule und Unterricht” sein. Dafür gibt es Vorträge und Workshops sowie eine abschließende Podiumsdiskussion. Eine Anmeldung ist notwendig. Infos & Anmeldung
Termin 6. Oktober 2021, 16:00 – 20:00 Uhr
Online-Tagung: #moMUCdigital
Im Oktober geht es weiter bei digitalen mobilen Schule München. Kernthemen sind “zeitgemäße Bildung” und “digitale Unterrichtswelten” – gelernt wird in Workshops mit optionaler Vertiefung. Am 6. Oktober geht es unter anderem um “Das iPad in Lehrerhand”, “Interaktive Whiteboards”, “Fake New im Unterricht” und Blended Learning. Die Anmeldung ist kostenlos. Infos & Anmeldung