Schultransform: Eine Sprechstunde als Monolog

Auf dem Bild sieht man einen Screenshot, sie zeigen den Stand der digitalen Transformation einer Schule an: die Tachonadeln von Schultransform.
Zeigen den Stand der digitalen Transformation einer Schule an: die Tachonadeln von Schultransform (Screenshot).

In Minute 43. darf der Digitalbeauftragte der Schule zum ersten Mal mehr als einen Satz sagen. Wir befinden uns in der Sprechstunde von Schultransform. Das ist ein neues Projekt des Bundesbildungsministeriums, das Schulen beim digitalen Umbau helfen soll. Es ist die erste öffentliche Sprechstunde. Zwei Schulen hatten sich angemeldet, nur eine hat am Ende einen Emissär in die Videokonferenz entsendet. Wenn es so weiter geht, werden das nächste Mal wohl wieder nur sehr wenige Schulen teilnehmen. 

Aber es geht nicht so weiter. Auf Intervention eines Teilnehmers beginnt der Lehrer der Schule, deren Namen hier keine Rolle spielen soll, zu sprechen. Jetzt wird es interessant. Die erste Botschaft: die Schule musste sich per Fax für die Teilnahme an der digitalen Transformation identifizieren. „Aber wir haben seit zehn Jahren kein Faxgerät mehr,“ sagt der Lehrer. Die alte Schulleiterin habe sich gemeldet, als sie das hörte, und folgendes gesagt: Im Keller der Schule stehe irgendwo noch ein altes Telexgerät (Fernschreiber oder Teleprinterexchange) herum, das könne man eventuell reaktivieren.

Die Beraterinnen von Schultransform – es sind vier – bleiben leider ratlos. Man habe die Methode Fax empfohlen bekommen, berichtet eine Mitarbeiterin von Helliwood, das ist die ausführende Agentur des Projekts Schultransform. Eine zweite Sprechstundenhilfe hebt nun zu einem längeren Exkurs an, der die Sache aber auch nicht zu klären vermag. Immerhin wird dem anwesenden Lehrer geholfen: Er darf sein Authentifizierungsformblatt mit dem Schulstempel versehen, scannen und per Mail schicken

Drei Stunden dauert die Selbstevaluation bei Schultransform

Aber der Lehrer ist noch nicht fertig. Er berichtet, dass ein Drittel seiner Kolleg:innen nicht so leicht für den digitalen Wandel zu motivieren sei. Sodann: eine etwa dreistündige Selbstevaluierung und Dokumentation des aktuellen Standes der Digitalisierung – so lange dauert der Schultransform-Papierkram – sei einfach zu viel. Es werde wohl nicht gelingen, die Lehrkräfte dazu zu bewegen. „Ich höre schon, was die sagen werden: wann sollen wir das denn machen!“ 

In der Tat verweist der Lehrer auf ein Problem der Schultransform-Beratung. Der Grund, warum der Mann erst nach drei Viertelstunden dran kommt, liegt nämlich daran, dass die Beraterinnen zuvor ausführten, was alles bei Schultransform auszufüllen ist – ehe die Beratung überhaupt beginnt. Und das ist: unendlich viel Papierarbeit. Natürlich läuft das nicht mehr auf Papier, in diesem Fall wird kein Fax benötigt. Aber die Selbsteinschätzung auf insgesamt sechs Feldern von Leadership über Vision bis Lernräume dürfte ungefähr so kompliziert sein wie das Ausfüllen eines Antrags auf Mittelbewilligung für den Digitalpakt – und das ist bekanntermaßen sehr umständlich. Haben die Lehrerinnen und Lehrer alles eingetragen, werden sie dafür mit Tachonadeln belohnt (Foto). Die zeigen an, wie weit die Schule ist. Das mag eine wissenswerte Information sein. Nur, ist damit auch nur ein einziger Fortschritt bei der digitalen Transformation der Schule erzielt

Dabei gibt es noch viel zu tun. Der Lehrer zeigt den Beraterinnen das Foto einer Flipchart, auf der das Kollegium geclustert hat: Was soll bleiben, was muss sich ändern, was kann weg? Vier Dinge können bleiben, ca. 30 schulische Phänomene sollen sich ändern und acht sollen ganz verschwinden. So hat das Kollegium einer – so viel sei verraten – Hamburger Stadteilschule es sich gewünscht. Zu den Dingen, die weg können, gehört unter anderem das: ein ausführliches, sechsseitiges Zwischenzeugnis in der achten Klasse. Die verbale Beurteilung mache den Kolleg:innen wahnsinnig viel Arbeit – werde aber von Schülern und Eltern praktisch nicht zur Kenntnis genommen. Als der Lehrer mit seinem Bericht zu Ende gekommen ist, sind die Beraterinnen von Schultransform beseelt – und beenden die Sprechstunde. cif

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