Talk of the town
Erscheinungsdatum: 28. September 2025

Putins Drohnen: Wie sich Berlin und Brüssel auf die Bedrohung vorbereiten

Der Flughafen Kopenhagen am Montag (picture alliance / Ritzau Scanpix | Steven Knap)

Deutschland will Tatkraft zeigen und in Europa eine Führungsrolle in Sachen Drohnenabwehr einnehmen. Gerät dabei die Trennung von Polizei und Bundeswehr unter die Räder?

Hybride Bedrohungen von Nato-Staaten

Unmittelbar vor der Kabinettsklausur in Berlin und zwei europäischen Gipfeln in Kopenhagen drängt sich das Thema Drohnen-Angriffe auf die Agenda der politisch Verantwortlichen. Der Drohnenwall mit Früherkennung und Abfangfähigkeiten als Schutzschild für die Ostflanke wird beim informellen EU-Gipfel am Mittwoch im Fokus stehen. Drohnen und Drohnenabwehr sind dabei eine von neun Fähigkeitslücken, die in Kopenhagen Thema sein werden. Das Spektrum reicht von Artilleriesystemen wie Abstandswaffen über strategische Enabler wie Luftbetankung bis zu elektronischer Kriegsführung. Deutschland ist offenbar bereit, dabei in Europa eine „Führungsrolle“ zu übernehmen. So heißt es in einem Input-Paper aus Berlin. Aber auch in Deutschland selbst ist das Drohnenthema im Fokus – und dürfte bei der Kabinettsklausur am Dienstag und Mittwoch intensiv diskutiert werden.  

Ein Problem ist, dass die Gefahrenlage öffentlich noch unklar bleibt. Weder das BKA noch das Bundesinnenministerium und auch nicht das BMVg geben Daten über Drohnensichtungen und hybride Angriffe auf militärische oder zivile Infrastruktur preis. Die Grünen hatten im Juli in einer Kleinen Anfrage entsprechende Informationen zu erhalten versucht – vergebens. Ein internes BKA-Papier, aus dem der Spiegel als erstes berichtet hat, erfasst im ersten Quartal dieses Jahres 536 verdächtige Drohnenüberflüge in Deutschland. Zum Vergleich: Zwischen September 2021 und September 2023 wurden laut Report Mainz 627 sicherheitsrelevante Drohnensichtungen gezählt.  

Die Bundeswehr hat bei Mitteln der elektronischen Kampfführung aufgerüstet. Auf Nachfrage sagte jüngst eine Sprecherin des BMVg: „Mit derartigen Mitteln, sei es im elektromagnetischen Spektrum oder durch klassische Munition oder Netzwerfer, ist eine erfolgreiche Abwehr möglich.“ Allerdings rückt beim Thema Drohnengefahr die Frage in den Vordergrund, ob hier die Trennung zwischen Zivilem und Militärischem verschwimmt. Wenn Innenminister Alexander Dobrindt im Luftsicherheitsgesetz (das in der Regierung diskutiert wird) mehr Befugnisse für die Bundeswehr schaffen will, damit diese im Rahmen von Amtshilfe für die Polizei Drohnen abschießt, dann berührt das die Kompetenztrennung zwischen Polizei und Bundeswehr. Genau genommen würde es sie aufheben.  

Bei Dobrindt geht es zwar um den Schutz ziviler Infrastruktur. Doch Ähnliches ist auch im sogenannten Artikelgesetz für die Bundeswehr geplant. Artikel 9 sieht vor, dass Feldjäger Polizeiaufgaben übernehmen. Sie sollen verdächtige Drohnen-Piloten festnehmen sowie ihre Identität überprüfen dürfen, wenn unbekannte Drohnen über militärischem Gelände oder über Truppenbewegungen fliegen. Entscheidend ist, dass sie diese Personenüberprüfungen laut aktueller Planung auch außerhalb des militärischen Geländes vornehmen dürfen sollen. Das berührt eindeutig die Trennung von Bundeswehr- und Polizeiaufgaben. 

Verena Jackson von der Hochschule der Bundeswehr begrüßt Dobrindts Vorschlag. „Wenn wir jetzt nicht Tempo machen mit rechtlichen und technischen Vorstößen, dann haben wir ein Problem“, sagte sie Table.Briefings. Wichtig sei ein geschlossenes europäisches Vorgehen. Eine Änderung des Luftsicherheitsgesetzes, wie von Dobrindt angestrebt, hält sie nicht für verfassungswidrig. Angesichts der neuen hybriden Bedrohungen hält Jackson die Trennung zwischen innerer und äußerer Sicherheit für technologisch überholt. Aber sie sagt auch: „Für eine wirklich effektive Drohnenabwehr oder effektive Verteidigung gegen hybride Bedrohungen bräuchte es perspektivisch eine Verfassungsänderung.“  

Vorläufig aber macht sich vieles an der Frage fest, ob die Voraussetzungen für einen Bundeswehreinsatz dieser Art erfüllt sind. Bislang darf sie das nur beim inneren Notstand oder bei Naturkatastrophen; Dobrindt möchte das angesichts der Gefahren erweitern. Mögliche Abschüsse müssten außerdem verhältnismäßig sein. Das heißt, es stehen keine milderen Mittel zur Verfügung – etwa die Drohnen abzudrängen. Auch müssen die Folgen berücksichtigt werden, also die Gefahren etwa durch herabstürzende Teile. Wie das Bundesverfassungsgericht diese Fragen beantwortet, weiß aktuell niemand zu sagen.  

Die Grünen sind nicht gegen Dobrindts Pläne, werfen ihm aber vor, zu lange gezögert zu haben. „Vorschläge, die bereits am Ende der vergangenen Wahlperiode vorlagen, hat man aus parteitaktischen Überlegungen verworfen“, sagte der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Konstantin von Notz Table.Briefings. Schon Anfang September hatten die Grünen in einem Fraktionsbeschluss Versäumnisse bei der nicht-militärischen Fähigkeiten der Abwehr hybrider Gefahren kritisiert und etwa die Einrichtung eines „Zentrums für strategische Vorausschau“ gefordert“.   

Wie die dänische Ratspräsidentschaft Europa bis 2030 verteidigungsfähig machen will, lesen Sie im Europe.Table.   

Warum die Wissenschaftlerin Verena Jackson in der jetzigen Debatte erst den Anfang einer großen Veränderung sieht, lesen Sie im Security.Table.  

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Letzte Aktualisierung: 28. September 2025

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