Talk of the town
Erscheinungsdatum: 06. Juli 2025

SPD-Parteitag: Die Demütigung für Parteichef Lars Klingbeil – und eine Beinahe-Überraschung

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Das Wahlergebnis kam heftig – und es war das Thema des SPD-Parteitags. Es kam wie eine Strafaktion der Parteitagsdelegierten für ihren Vorsitzenden daher. Für Lars Klingbeil waren die 64,9 Prozent auf dem SPD-Parteitag ein schmerzhafter Fingerzeig nach Monaten, in denen er die zerzauste und angeschlagene Partei erst in Koalitionsverhandlungen und dann mit immerhin sieben Ministerinnen und Ministern in die Regierung geführt hatte. Ein deutlicher Hinweis, dass die Kompromissbereitschaft der Partei erschöpft ist. Dahinter verblassten die zahlreichen Positionierungen und Anträge zu einem AfD-Verbotsverfahren, zur Wehrpflicht, zum Mindestlohn oder dem Krieg in Gaza. Es gab Diskussionen, aber bei keinem Thema harte, unversöhnliche Auseinandersetzungen. Vorzuwerfen hatte sich Klingbeil dennoch nichts, wie er gegenüber Table.Briefings versicherte. Neun Gründe für sein bitteres Wahlergebnis lesen Sie in der Analyse des Berlin.Table.

 

Sichtbar wurde aber auch, dass die Partei von der Organisationskraft früherer Jahre weit entfernt ist. „Politik ist Organisation“, hatte Ex-Parteichef Franz Müntefering immer wieder gepredigt. In den großen Landesverbänden hatte vorab nichts auf das desaströse Ergebnis für den Co-Parteichef hingedeutet. Auch die Aussprache zum Leitantrag, die sich mit dem Wahlergebnis, seinen möglichen Ursachen und der Verfasstheit der Partei beschäftigte, war überaus moderat verlaufen. Und doch: Die Fähigkeit zum parteiinternen Diskurs hat offenkundig gelitten, die Kommunikationsstränge stimmen nicht mehr, und auch das scheinbar solide Mitgliedervotum für den Koalitionsvertrag (84,6 Prozent) mit der Union erwies sich als trügerisch.

 

Im Schatten von Klingbeils Wahlergebnis hat der Parteitag die Kräfteverhältnisse in der Führung neu definiert. Bärbel Bas muss ihr gutes Ergebnis (95,0 Prozent) und die damit verbundenen Erwartungen in den nächsten Monaten durch inhaltliche Arbeit bestätigen, auf der Saarländerin Anke Rehlinger (97,2 Prozent) ruhen ohnehin für die Zukunft einige Hoffnungen. Vernehmbar wird sich künftig auch der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Alexander Schweitzer (95,3 Prozent) einbringen, der ebenfalls mit einem gediegenen Ergebnis in die Reihe der Vizes aufrückte. Nicht mehr Teil der Parteispitze ist Hubertus Heil, der aber mit einem kraftvollen Kurzauftritt und viel Beifall zu erkennen gab, dass er längst nicht alle Ambitionen beiseitegelegt hat. Auch Neu-Generalsekretär Tim Klüssendorf erhielt mit 90,8 Prozent – ungewöhnlich für einen Generalsekretär – einen soliden Vertrauensvorschuss.

 

Um ein Haar wäre es zu einer bemerkenswerten Premiere gekommen. Die scheidende Parteivorsitzende Saskia Esken hatte zu ihrem letzten Auftritt Angela Merkel eingeladen – und die hatte zunächst auch zugesagt. Es wäre der erste Auftritt der Kanzlerin a.D. bei einem SPD-Parteitag gewesen. Die beiden Frauen hatten über das übliche Arbeitsverhältnis hinaus eine persönliche Beziehung entwickelt, die von besonderer gegenseitiger Wertschätzung geprägt war. Im Verlauf des Feintunings für den Termin ergaben sich dann jedoch Empfindlichkeiten und Abstimmungsschwierigkeiten in der Parteitagsregie, der ohnehin eng getaktet war, zudem sollte die CDU-Führung vorab zumindest informiert werden – so dass die Überraschung am Ende ausfiel.

Letzte Aktualisierung: 24. Juli 2025
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