Berlin.Table Talk of the town

Nach der Brüsseler Entscheidung: Was bedeutet die Nacht für den Kanzler?

19. Dezember 2025

Friedrich Merz gab sich nach dem Verhandlungsmarathon optimistisch. Die EU habe sich geeinigt, sie habe geschlossen gehandelt, die Ukraine werde weiter unterstützt, das alles sei ein gutes Ergebnis. So kann man das sehen, wenn man Zuversicht ausstrahlen möchte. Und das, so viel ist sicher, will und muss der Kanzler auf alle Fälle.

Trotzdem hat die Brüsseler Nacht ein heikles Muster bestätigt, das ihn seit Amtsanritt begleitet. Ein Muster, das für seine Glaubwürdigkeit zur Gefahr wird. Wieder hat er vor entscheidenden Verhandlungen das ganz große Ergebnis angekündigt; er hat suggeriert, dass die frozen assets in seinem Sinne genutzt würden. Doch am Ende steht er mit halbleeren Händen da. Ihm ist erneut passiert, was er auch in der Koalition mit der SPD mehrfach erlebt hat; er hält einen Kompromiss in Händen, der wie eine Niederlage daher kommt. Am Ende eines turbulenten Jahres ist das Erwartungsmanagement des Kanzlers erneut suboptimal gelaufen.

Allerdings steckte er dieses Mal in einem besonderen Dilemma. Hätte er vorneweg gesagt, dass es schwer werden würde, hätte das gemessen an den Notwendigkeiten allzu lasch geklungen. Außerdem war spätestens mit dem Gipfeltreffen im Kanzleramt am Montagabend der Ton Richtung Donald Trump und Wladimir Putin gesetzt. Merz musste größtmögliche Entschlossenheit demonstrieren. Umso heikler ist für ihn jetzt das Ergebnis.

Zumal der jetzt gezogene Plan B etwas beinhaltet, was ihm innerhalb der Union Ärger bereiten könnte. Der Beschluss bedeutet nichts anderes als dass die EU nun erhebliche Schulden aufnehmen wird – ein Schritt, den CDU und CSU stets hart abgelehnt haben, auch wenn es (siehe unten) keine hochumstrittenen Euro-Bonds sind. Angesichts der allgemeinen Stimmungslage in den Unionsparteien ist es deswegen alles andere als ausgeschlossen, dass sich an der Stelle Widerstand rühren könnte. Erste Reaktionen deuten das schon an.

Norbert Röttgen lobt die Unterstützung für die Ukraine – und warnt vor den Schulden. Dass die Verteidigung der Ukraine zwei weitere Jahre finanziert werde, sei „sehr positiv, für die Ukraine und für die europäische Sicherheit“, so der stellvertretende Fraktionsvorsitzende zu Table.Briefings. Das sei vor allem ein Verdienst des Kanzlers. Aber dass dies zunächst durch europäische Schulden auf Kosten der eigenen Bürger geschehe, sei Ausdruck europäischer Schwäche. „Den Willen zur Selbstbehauptung auch gegenüber den USA bringt die notwendige Mehrheit der europäischen Staaten nicht auf“, erklärte Röttgen.

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Letzte Aktualisierung: 19. Dezember 2025