Es wird nicht mehr lange dauern, dann rückt das nächste Wahljahr in den Blick – und damit ein Bundesland, in dem Union und SPD (und alle anderen Parteien der Mitte) ein Rückschlag droht: Sachsen-Anhalt wird nach allen Umfragen der letzten Monate das nächste Land sein, in dem es für die Parteien der Mitte um alles gehen könnte. Die Nervosität in der CDU, die derzeit mit Rainer Haseloff den Ministerpräsidenten stellt, ist groß.
Derweil gibt sich die AfD gibt in Sachsen-Anhalt selbstbewusst. Siegesgewiss würde sie am liebsten schon Posten verteilen – die Wahl findet voraussichtlich am 6. September 2026 statt. Trotz derzeit etwas schwächerer Umfragewerte von gut 30 Prozent (bei der Bundestagswahl lag sie bei gut 37) kündigt die AfD eine Alleinregierung an. Spitzenkandidat Ulrich Siegmund startete mit 98 Prozent Zustimmung auf dem Parteitag in den Wahlkampf. Er gilt als „Everybody’s Darling“, als „Schwiegermutter-Typ“. Doch so geschlossen, wie sich die Partei nach außen gibt und verkündet, es passe „kein Blatt Papier“ dazwischen, sieht es hinter den Kulissen nicht aus. Siegmund zieht allerhand Neid auf sich, das Gerangel um mögliche Ministerposten hat begonnen. Dennoch wirkt der Verband im Vergleich zur zerrütteten Ära nach dem Abgang von André Poggenburg versöhnlich, gerade angesichts blendender Aussichten.
Kein Wunder, dass CDU-Landeschef Sven Schulze von einer „großen Herausforderung“ spricht. Den Christdemokraten muss es nicht nur gelingen, stärkste Kraft zu werden. Sie müssen es anschließend auch noch schaffen, eine stabile Mehrheit gegen die AfD zu bilden. Die in weiten Teilen rechtsextreme Partei war bei der Bundestagswahl sowohl bei den Erst- als auch bei den Zweitstimmen stärkste Kraft – mit deutlichem Vorsprung. Schulze fordert deshalb auch Unterstützung aus Berlin. „Wir werden das nicht alleine schaffen“, sagte er Table.Briefings. Die CDU werde einen deutlich intensiveren Wahlkampf machen müssen als bisher.
Doch die Union hat ihre eigenen Baustellen. Spricht man mit Christdemokraten aus Sachsen-Anhalt, dann weisen sie in vertraulichen Gesprächen auf ein Problem hin, das alle in der CDU am liebsten ignorieren würden. Es zieht sich ein Riss durch die Partei, weil viele vermeintlich logische Positionen der West-CDU im Osten immer weniger ankommen. Eine Annäherung an die Linke? Was liberale CDUler im Westen längst für möglich halten, bleibt für die im Osten ein absolutes No-Go. Aufrüstung gegen Russland? Was vom Kanzler abwärts viele im Westen für absolut zwingend halten, bereitet CDUlern im Osten große Bauchschmerzen. Nicht, weil sie Putin-Freunde wären, sondern weil sie dabei zuschauen können, wie sehr diese Position die AfD füttert. Und ausgerechnet Friedrich Merz wird – auch von führenden Unionspolitikern im Osten – als Westdeutscher empfunden, der für die Fragen des Ostens wenig Sensibilität besitzt.
Diese verzwickte Lage dürfte der Hauptgrund dafür sein, dass Haseloff wahrscheinlich selbst nochmal antritt. Er verkörpert exakt das, was viele in der sachsen-anhaltischen CDU wünschen: Klare Worte, nichts Verschwurbeltes, Probleme ansprechen, ohne im Ton aggressiv zu werden. Haseloff steht damit in klassischer Tradition seines Vorgängers Wolfgang Böhmer. Auch der genoss einen besonderen Status als Vertreter des gesunden Menschenverstands, der Chuzpe genug hat, sich in freundlichen Worten von der Bundesspitze abzugrenzen, wenn es ihm nötig erschien. Aus Parteikreisen heißt es, zunächst habe es auch die Überlegung gegeben, Schulze zum Spitzenkandidaten zu machen. Der 45-Jährige ist derzeit Wirtschaftsminister und Landesvorsitzender und gehört zu den Erfahrensten in den eigenen Reihen. Was ihm bislang aber fehlt: der Landesvater-Bonus und das Böhmer-Gen. Von jenen Spitzenleuten der AfD, die sich vor Ort auskennen, heißt es hinter vorgehaltener Hand: Bitte nicht Haseloff, der zieht über Parteigrenzen hinweg.
Ob die CDU auf AfD-Fehler und Streitereien hoffen kann, ist offen. CDU-Landeschef Schulze macht sich ohnehin keine Illusionen, dass AfD-interner Streit irgendwie helfen könnte. „Wir wissen, was die AfD vorhätte mit diesem Land. Wir wissen auch, was Teile der Linken vorhätten.“ Deshalb sei der Auftrag hier, Ideen zu entwickeln, die die Menschen abholen. Was die AfD in Sachsen-Anhalt plant, lesen Sie in der Analyse des Berlin.Table.