Talk of the town
Erscheinungsdatum: 27. August 2025

Deutsch-Französischer Ministerrat: Merz und Macron stehen unter Druck

Beim ersten Deutsch-Französischen Ministerrat der Regierung Merz am Freitag in Toulon soll es keine gemeinsame Abschlusserklärung geben; aber Friedrich Merz und Emmanuel Macron und mit ihnen die deutsch-französische Achse sind gefordert. Zu viele ungelöste Fragen – und Differenzen zwischen Paris und Berlin – lähmen Europa. Deshalb wollen Kanzler und Präsident zum Abschluss des Treffens zumindest gemeinsame Projekte ankündigen, heißt es in diplomatischen Kreisen. Entscheidend für die Ergebnisse werde der Verlauf des Abendessens sein, das Macron für den Kanzler am Donnerstag in der Sommerresidenz des französischen Präsidenten im mittelalterlichen Fort Brégançon gibt. 

Das Treffen findet unter dem Vorzeichen einer angezählten französischen Regierung statt. Am 8. September stellt sich die Regierung von Premier François Bayrou einem Misstrauensvotum, bei dem sie die Parlamentsmehrheit verfehlen dürfte. In Regierungskreisen geht man davon aus, dass Macron im Vorfeld der Abstimmung im Parlament keine politischen Festlegungen vornehmen wird, um innenpolitisch nicht Öl ins Feuer zu gießen. 

Merz und Macron wollen den deutsch-französischen Motor auch im Sinne der EU wieder ins Laufen bringen. In zahlreichen Konfliktpunkten besteht Abstimmungsbedarf. Differenzen gibt es etwa bei den Sicherheitsgarantien für die Ukraine, konkret bei der Frage, ob Bodentruppen entsandt werden sollen. Es knirscht bei Rüstungsprojekten wie dem französisch-spanisch-deutschen Kampfflugzeug (FCAS), der deutsch-französischen Entwicklung eines Kampfpanzers (MGCS), der in Deutschland den Leopard 2 und in Frankreich den Leclerc ablösen soll. Außerdem hat sich Macron der Ankündigung, Palästina als Staat anzuerkennen, weit von der deutschen Israel-Position entfernt. Offen ist zudem die Frage, ob Deutschland unter dem französischen Nuklearschirm Schutz bekommt. 

Auch in der EU-Politik ist es Zeit, dass Frankreich und Deutschland ihre Positionen abgleichen. Das gilt sowohl für den Mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) als auch für das Klimaziel 2040. Berlin unterstützt den Kommissionsvorschlag, Paris hat Bedenken beim Ziel von CO₂-Reduktionen um 90 Prozent. Die Zeit drängt, denn im kommenden Monat müssen die Mitgliedstaaten eine Position finden, damit sie geschlossen und als Vorreiter zur Weltklimakonferenz in Brasilien (COP30) fahren können. In der Handelspolitik hofft Merz, dass Macron trotz der Widerstände seiner Bauern den Weg für das Mercosur-Abkommen frei macht. Das Treffen beginnt am Freitag um 11.15 Uhr und soll um 15 Uhr mit einer Pressekonferenz von Merz und Macron enden. Danach schließt sich ein Treffen der Verteidigungsminister Sébastien Lecornu und Boris Pistorius an. 

Zum Beginn des eigentlichen Ministertreffens wird Macron einen inhaltlichen Aufschlag machen. Danach wird Merz seine Position definieren. Danach beginnen die inhaltlichen Runden, bei denen jeweils die deutschen Fachminister mit ihren französischen Amtskollegen den Lead haben. Es treffen sich nicht die gesamten beiden Kabinette, sondern nur die Minister mit bilateralem Gesprächsbedarf. Von deutscher Seite dabei sind: Lars Klingbeil (Finanzen), Alexander Dobrindt (Innen), Johann Wadephul (Außen), Boris Pistorius (Verteidigung), Katherina Reiche (Wirtschaft), Dorothee Bär (Forschung), Bärbel Bas (Arbeit), Karsten Wildberger (Digitales), Thorsten Frei (Kanzleramt), Gunther Krichbaum (Regierungsbeauftragter für die deutsch-französischen Beziehungen) sowie Anke Rehlinger (Bundesratspräsidentin). 

In der bilateralen Zusammenarbeit dürfte der Schwerpunkt bei der Wirtschaftspolitik liegen. Die Bundesregierung will die Wettbewerbsfähigkeit erhöhen. Digitale Souveränität und strategische Autonomie sind vor allem der französischen Seite wichtig. Nach dem Mittagessen stehen die Themen Zuwanderung und soziale Reformen auf der Tagesordnung. Als Regierungsbeauftragter für die deutsch-französischen Beziehungen hat Staatsminister Gunther Krichbaum mit seinem französischen Amtskollegen Benjamin Haddad ein Papier zur Verstärkung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit erarbeitet.  

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Letzte Aktualisierung: 27. August 2025

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