Talk of the town
Erscheinungsdatum: 08. Oktober 2025

Chatkontrolle: Warum die Bundesregierung gegen anlasslose Überprüfungen ist

Chatkontrolle
Im Kampf gegen Kinderpornografie will die EU Chats kontrollieren (picture alliance / dpa | Matthias Balk)

Union und SPD lehnen eine anlasslose Kontrolle privater Chat-Nachrichten ab. Doch wie wollen sie gegen die Verbreitung kinderpornografischer Inhalte über Messenger-Dienste vorgehen?

Die Bundesregierung hat in der Frage der Chatkontrolle zusammengefunden, auch wenn es offiziell noch keine Einigung gibt. Aber weder SPD noch Union wollen, dass private Nachrichten vor dem Versenden massenhaft auf verdächtige Inhalte hin gescannt werden dürfen, auch wenn es der Aufdeckung kinderpornografischer Inhalte dienen kann. 

Die SPD war in dieser Frage stets klar. „Anlasslose Chatkontrolle muss in einem Rechtsstaat tabu sein“, betonte Bundesjustizministerin Stefanie Hubig am Mittwoch. In der Union war die Debatte kontroverser, denn den Kampf gegen Kinderpornografie nehmen CDU und CSU durchaus ernst. Und gerade die Innenpolitiker wollen es mit dem Datenschutz in Deutschland auch nicht übertreiben. Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) hatte sich nicht klar positioniert. Am Mittwoch sagte die Sprecherin seines Hauses: „In der Bundesregierung führt keiner eine Diskussion um Chatkontrolle, sondern es geht tatsächlich um das Thema Kindesmissbrauch und Kinderpornografie.“ Regierungssprecher Stefan Kornelius bekräftigte, dass anlasslose Chatkontrolle für die Bundesregierung „ein Tabu“ sei. 

In der Unionsfraktion gibt es mittlerweile breite Einigkeit, dass die Chatkontrolle nicht der richtige Weg sei. In der Sitzung am Dienstag wurde nach Teilnehmerangaben an die Kampagne gegen den Europaabgeordneten Axel Voss erinnert, der sich im Zuge der Urheberrechtsreform für sogenannte Uploadfilter starkgemacht und sich dafür den Vorwurf der Zensur eingehandelt hatte. Das wollen CDU und CSU nicht noch einmal erleben. 

Die NGOs haben in den vergangenen Tagen ihren Protest gegen die Chatkontrolle vorgebracht. Die AfD hat für Donnerstag eine aktuelle Stunde beantragt, auch die Linke arbeitet sich an dem Thema ab. Die Union wollte der Skandalisierung durch die klare Ansage des Fraktionsvorsitzenden Jens Spahn („Das wäre so, als würde man vorsorglich mal alle Briefe öffnen und schauen, ob da etwas Verbotenes drin ist“) das Wasser abgraben. 

Hintergrund ist eine geplante EU-Verordnung zur Festlegung von Vorschriften zur Prävention und Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern (CSA-VO). Das EU-Parlament hatte seine Position bereits 2023 gefunden. Darin ist keine anlasslose Kontrolle privater Kommunikation vorgesehen. Doch die EU-Mitgliedstaaten konnten sich bisher nicht einigen. Die dänische Ratspräsidentschaft hat im Sommer einen neuen Vorschlag vorgelegt, den sie kommende Woche beim Rat der Innen- und Justizminister abstimmen lassen wollte. Daraus wird nun nichts, denn ohne die Zustimmung Deutschlands erreicht der Vorschlag nicht die notwendige qualifizierte Mehrheit. 

Die Diskussion dreht sich jetzt um die Frage, welches Instrument an die Stelle der Chatkontrolle tritt. Darüber müssen sich BMJ und BMI verständigen und bis Dezember eine Einigung finden. Denn dann könnte das Thema in Brüssel wieder auf die Tagesordnung des Rates kommen. Wenn es einen Anlass gibt, dann können sich SPD und CDU durchaus eine Entschlüsselung von Chats vorstellen. Aber die Frage ist, wann es einen Anlass gibt. Muss der Verdachtsgrad der Strafprozessordnung erreicht sein, braucht es also tatsächliche Anhaltspunkte? Oder kann man sich auf eine neue Schwelle unterhalb dessen einigen? 

Die Zeit drängt. Die derzeit geltende Interimsverordnung ermöglicht es Anbietern von E-Mail- und Messenger-Diensten, freiwillig Technologien einzusetzen, um Darstellungen sexuellen Missbrauchs von Kindern aufzuspüren, zu melden und zu entfernen. Damit gibt es eine rechtliche Grundlage für Maßnahmen, die sonst mit dem Datenschutzrecht kollidieren würden. Die Verordnung soll die Zeit überbrücken, bis die dauerhaft geplante CSA-Verordnung verabschiedet ist. Und sie soll verhindern, dass Strafverfolgung und Kinderschutz in einer Rechtslücke ins Leere laufen. Doch die Verordnung ist zeitlich befristet und läuft am 3. April 2026 aus. Was sich hinter dem dänischen Kompromissvorschlag verbirgt, lesen Sie im Europe.Table.  

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Letzte Aktualisierung: 08. Oktober 2025

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