Talk of the town
Erscheinungsdatum: 03. August 2025

Frust über Jens Spahn: Wie in der SPD über einen Untersuchungsausschuss gedacht wird

Jens Spahn (picture alliance/dpa | Kay Nietfeld)

In der schwarz-roten Koalition will man die Sommerpause nutzen, um über die Probleme der vergangenen Wochen ein bisschen Gras wachsen zu lassen. Vor allem bei einem Thema soll der Abstand in der sitzungsfreien Zeit dazu dienen, die aufgeladene Stimmung zu entschärfen: die Verfassungsrichterwahl. Nachdem weite Teile der Unionsfraktion nicht bereit waren, die SPD-Kandidatin Frauke Brosius-Gersdorf zu wählen, hatte man die Wahl aller drei Kandidaten und Kandidatinnen verschoben.  

Dahinter verbirgt sich die Hoffnung, im Herbst einen neuen Anlauf starten zu können – ohne Brosius-Gersdorf. Fragt man in den Reihen der Union dieser Tage nach, heißt es, die Debatte sei völlig aus dem Ruder gelaufen. Eine Personalentscheidung sei überdramatisiert worden. Im Herbst hätten alle ein Interesse daran, den Disput aus der Welt zu schaffen und sich wieder auf Wesentliches zu konzentrieren.  

Nur: Die SPD teilt diese Auffassung nicht ganz. Im Gegenteil: Bei den Sozialdemokraten erinnern sie wiederholt daran, dass es sich um einen geeinten Vorschlag gehandelt hatte. Es habe im Vorfeld klare Zusagen gegeben. Für die SPD sei klar: Die Kandidatin bleibt. In der Fraktion und bis weit in die Partei hinein hat die abgesetzte Richterwahl mehr als nur Irritationen ausgelöst. Der Frust, vor allem über Unions-Fraktionschef Jens Spahn, ist groß. Zumal Teile der Fraktion nun über einen Hebel nachdenken: Die Opposition fordert seit Wochen einen U-Ausschuss zur Aufklärung der Maskenaffäre um den Ex-Gesundheitsminister. Teile der SPD hatten sich in den vergangenen Wochen immer wieder offen dafür gezeigt. Generalsekretär Tim Klüssendorf etwa hatte im Focus auf die Frage nach einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss geantwortet, er „schließe das nicht aus“. Noch ist daraus nichts gefolgt. 

Aber im Herbst könnte sich das ändern. Denn, um einen U-Ausschuss in die Wege zu leiten, braucht es im Bundestag gerade mal ein Viertel der Stimmen. Stünden die Fraktionen von Grünen und Linken geschlossen, fehlten also neun Abgeordnete. Bislang suchen die Sozialdemokraten nicht den offenen Konflikt – aber sie lassen sich bewusst eine Hintertür offen. So sagt Vize-Fraktionschefin Wiebke Esdar Table.Briefings: „Für uns ist vollkommen klar, dass die Vorgänge in Sachen Maskenbeschaffung vollständig aufgeklärt werden müssen.“ Es gehe um viel Steuergeld und ebenso viel Vertrauen in die Politik. Man werde nach der Sommerpause ergebnisoffen schauen, „mit welchem Instrument die vollständige Aufklärung der Vorgänge rund um die Maskenbeschaffung am besten weiter erfolgen kann“, so die SPD-Politikerin. 

Andere in der Fraktion werden hinter vorgehaltener Hand noch deutlicher. Es werde sehr darauf ankommen, wie die Union mit der Richterwahl umgehe. Die eigenen Leute seien einigermaßen aufgebracht darüber, dass die Union getroffene Absprachen aufgekündigt habe. Für den Fall, dass sich die Union in der Frage Brosius-Gersdorf weiter hartleibig zeige, habe für einige Kollegen die Koalitionsdisziplin mutmaßlich nicht mehr oberste Priorität. Sie könnten mit der Opposition für einen U-Ausschuss stimmen. Das werde auch die eigene Fraktionsführung kaum verhindern können. Unterdessen halten weite Teilen der Unionsspitze ein solches Szenario für eher ausgeschlossen. Kommt es doch dazu, wäre das weit mehr als ein Seitenhieb unter Koalitionspartnern – und Schwarz-Rot stünde vor einer ernsthaften Krise. 

Letzte Aktualisierung: 03. August 2025
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