Talk of the town
Erscheinungsdatum: 07. Juli 2025

Wasserstoff: Wie die Regierung eine umstrittene Energieform fördern will

Oberhausen, Nordrhein-Westfalen, Deutschland - Gruener Wasserstoff bei Air Liquide, Wasserstoffproduktion im Chemiepark OQ Chemicals. TRAILBLAZER, ein 20 MW-Elektrolyseur zur Herstellung von gruenem, klimaneutralem Wasserstoff. Eine Ingenieurin steht an der Anlage, regelt an einem Schieberventil den Leitungsdurchfluss.

Wirtschaftsministerin Katherina Reiche will die Nutzung von Wasserstoff in Deutschland vereinfachen und beschleunigen. Das geht aus dem Referentenentwurf des BMWE für das Wasserstoffbeschleunigungsgesetz hervor, der Table.Briefings vorliegt. Im Fokus stehe „die Vereinfachung und Digitalisierung von Planungs-, Genehmigungs- und Vergabeverfahren“, um die deutschen Klimaziele zu erreichen, heißt es darin. 

Im Vergleich zu einem früheren Entwurf der Ampel-Koalition wurden die Anforderungen an den Wasserstoff an mehreren Stellen abgeschwächt. So wird in Paragraf 1 als „Ziel und Zweck des Gesetzes” nur noch eine „sichere und umweltverträgliche Erzeugung” von Wasserstoff genannt; der Zusatz, dass diese „aus erneuerbaren Energien“ erfolgen soll, wurde gestrichen. Auch das „überragende öffentliche Interesse“, das im früheren Entwurf nur für Elektrolyseure vorgesehen war, die von 2029 an mindestens zu 80 Prozent erneuerbaren Strom nutzen, soll nun unabhängig vom genutzten Strom gelten. 

Bereits zuvor hatte Reiche wiederholt erklärt, zunächst nicht nur „grünen“ Wasserstoff nutzen zu wollen, der mithilfe von Strom aus erneuerbaren Energien erzeugt wird, sondern „alle Farben“ – also etwa auch Wasserstoff, der aus fossilem Erdgas erzeugt oder mithilfe von Strom unabhängig von seiner Herkunft erzeugt wird. Ziel bleibe aber „langfristig die Umstellung auf klimaneutralen Wasserstoff, basierend auf einem wachsenden Anteil erneuerbarer Energien aus dem Inland und aus Importen“, hieß es aus dem Ministerium. 

Zudem wurde der Umfang der geplanten Gesetzesänderungen ausgeweitet. Neben dem Energiewirtschaftsgesetz, dem Bundesfernstraßengesetz und dem Raumordnungsgesetz sind im neuen Entwurf umfangreichere Änderungen auch beim Immissionsschutzgesetz, beim Bundesberggesetz und beim Wasserhaushaltsgesetz vorgesehen. Mit einer ähnlichen Stoßrichtung hatte der Bund vor kurzem den Ausbau von Telekommunikationsnetzen beschleunigen wollen; auch der Bau von CO₂-Pipelines soll künftig deutlich erleichtert werden. 

Der Einsatz von „grünem Wasserstoff“ hatte in der Ampelkoalition als entscheidendes Mittel für die ökologische Transformation der Industrie gegolten. Doch das Projekt wankt – spätestens nach dem Rückzug von ArcelorMittal aus der Grünstahlproduktion in Bremen und Eisenhüttenstadt sowie der Absage des Energiekonzerns Leag, einen für die Produktion von grünem Wasserstoff benutzten Elektrolyseur in Sachsen zu bauen. Allein ArcelorMittal hatte auf Beihilfen in Höhe von 1,3 Milliarden Euro verzichtet. Begründung des weltweit zweitgrößten Stahlkonzerns: Das Projekt lohnt sich wegen hoher Energiekosten und zu wenig Beihilfen nicht in Deutschland. Zusätzlich infrage gestellt wird der Wasserstoff-Hochlauf dadurch, dass Reiche im Gegensatz zu ihrem Vorgänger Robert Habeck bei den geplanten Backup-Gaskraftwerken auf eine verbindliche Umrüstung auf Wasserstoff verzichten will.  

Letzte Aktualisierung: 24. Juli 2025
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