Wählen Frauen häufiger als Männer? Oder umgekehrt? Früher waren Männer in der Tat wahlfreudiger als Frauen – 1953 etwa lag die Beteiligung der Männer (88 Prozent) noch um 3,1 Prozentpunkte höher als die der Frauen (84). Aber seitdem ist viel passiert. Bei der Bundestagswahl 2021 waren Geschlechterunterschiede passé: 76,5 Prozent der Frauen und 76,7 Prozent der Männer machten von ihrem Wahlrecht Gebrauch. Alles Geschichte also? Keineswegs.
Gegenläufige Muster zeigen sich, wenn man Unterschiede zwischen Geschlechtern in verschiedenen Altersgruppen betrachtet. Bei jungen Menschen sind die Unterschiede erstaunlich deutlich: Junge Frauen wählen häufiger als junge Männer; die Größenordnung des Unterschieds liegt bei Menschen unter 30 bei rund drei Prozentpunkten. Der Geschlechterabstand wird kleiner, je älter Menschen werden.
Die Wahlbeteiligung steigt mit dem Alter deutlich an. Die höchste Wahlbeteiligung findet sich bei Menschen zwischen 50 und 70 Jahren – und das bei praktisch gleichen Wahlbeteiligungsraten bei Männern und Frauen. Bei Menschen im Alter von 70+ geht die Wahlbeteiligung dann wieder zurück – und eine große Lücke zwischen Männern und Frauen tut sich auf. Bei Menschen ab 70 wählen deutlich mehr Männer (79 Prozent) als Frauen (72,5 Prozent). Da es diese Lücke nicht nur bei der Bundestagswahl 2021, sondern bei allen Wahlen seit 1953 gab, muss es eine strukturelle Erklärung geben.
Empirische Belege gibt es bisher nicht, aber die deutlich höhere Lebenserwartung der Frauen führt möglicherweise dazu, dass sie im hohen Alter weniger mobil und häufiger alleinstehend sind – und damit auch nicht mehr in politische Diskurse einbezogen sind.
Dies ist der erste Teil einer Folge, die sich mit Wahlkampf, Wahlverhalten und Demoskopie bei Bundestagswahlen beschäftigt. Sie wurde für Table.Briefings von den Politikwissenschaftlern Thorsten Faas und Ansgar Wolsing (Grafik) konzipiert und erstellt und wird bis zum Wahlsonntag einmal wöchentlich erscheinen.