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Erscheinungsdatum: 25. Januar 2024

Albrecht Kiel: Eine Chance, die Digitalisierung der Verwaltung voranzutreiben

Der Zentraleuropa-Chef von Visa sieht in Bezahlkarten nicht nur für Flüchtlinge eine Chance in Sachen Digitalisierung. Bundesweite Leitplanken seien wünschenswert, dürften eine schnelle Einführung aber nicht bremsen.

Die Zahl der Flüchtlinge nach Deutschland ist 2023 beträchtlich gewachsen. Von Januar bis Dezember 2023 stellten laut Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) insgesamt 351.915 Personen einen Asylantrag in Deutschland – das sind 51,1 Prozent mehr Anträge als noch im Vorjahr. Für dieses Jahr rechnet die Asylagentur der Europäischen Union (EUAA) mit einem weiteren Anstieg. Für Kommunen bedeutet das immer weiter steigende Anforderungen bei nur begrenzt skalierbarer Personalkapazität. Die Digitalisierung der Verwaltung ist damit ein entscheidendes Instrument, um diesen zunehmenden Aufwand effektiv zu bewältigen.

Einen wichtigen Schritt zu mehr Effizienz stellen digitalisierte Auszahlungsverfahren dar. Bisher erhalten Flüchtlinge und andere Empfängerinnen und Empfänger ohne Bankkonto Leistungen größtenteils in Form von Bargeld oder Schecks. Beides händigen Verwaltungsmitarbeitende vor Ort persönlich aus. Der manuelle Aufwand ist enorm, jeden Monat von Neuem. Eine digitale, vollautomatische Auszahlung auf Basis von herkömmlichen Bezahlkarten minimiert den Aufwand und macht auch ein Erscheinen der Leistungsempfängerinnen und -empfänger vor Ort überflüssig.

Digitale Auszahlungsprozesse können somit einen wichtigen Beitrag dazu leisten, die Verwaltung zu modernisieren, die Wirtschaft anzukurbeln und Ungleichheit zu verringern. Hier gibt es bereits gute Erfahrungswerte: In Spanien waren während der Pandemie 120 Gemeinden an einem Projekt der CaixaBank beteiligt, das während der Pandemie die kontaktlose Auszahlung von Sozialleistungen mittels Prepaid-Karten ermöglichte. Die Karten waren dabei so konfiguriert, dass sie nur in bestimmten Geschäften funktionierten. In den Niederlanden hat die Zentrale Asylbehörde (COA) kürzlich die Auszahlung von Sozialleistungen über herkömmliche, guthabenbasierte Debitkarten begonnen.

Aus Projekten wie diesen wissen wir auch, dass die Berücksichtigung lokaler Gegebenheiten ein wesentlicher Erfolgsfaktor ist. Mit Blick auf die föderale Struktur Deutschlands mit 16 Bundesländern und rund 11.000 Kommunen bedeutet das: Ein flexibler Ansatz ist aussichtsreicher.

Wir sehen in Deutschland aktuell einen politischen Wettbewerb um Lösungen. Ziele und die damit verbundenen Anforderungen an Bezahlkarten sind unterschiedlich. Während die Stadt Hannover gerade eine Bezahlkarte ohne Einschränkungen einführt, sind in anderen Ausschreibungen weitergehende Anforderungen formuliert. Der aktuell diskutierte Weg von Bund und Ländern, einheitliche Leitplanken für Bezahlkarten festzulegen und zugleich auf Landes- und kommunaler Ebene individuelle Ausschreibungen zuzulassen, trägt der föderalen Struktur unseres Landes Rechnung.

Auch nach der Einigung der Länder auf bundesweit einheitliche Mindeststandards ist deshalb mit regionalen Unterschieden zu rechnen. Die Flexibilität in der technischen Ausgestaltung ermöglicht es, Bezahlkarten an den individuellen Bedürfnissen der jeweiligen Kommunen auszurichten, etwa mit Blick auf Barabhebungen, Geldtransfers ins Ausland, Einkäufe bei bestimmten Händlerkategorien sowie in festgelegten Postleitzahlenbereichen.

Vorhandene Bezahllösungen haben den Vorteil, dass sie im Handel bereits breit akzeptiert sind. Sie sind damit für Karteninhaberinnen und Karteninhaber schnell und großflächig einsetzbar. Schnell verfügbar sind vorhandene Lösungen auch für Länder und Kommunen. Sie können auf spezialisierte Partner zurückgreifen, deren erprobte Lösungen sich einfach in die digitalen Strukturen der örtlichen Kommunalverwaltungen integrieren lassen. Das spart auf Seiten der Verwaltungen Zeit sowie technische und personelle Ressourcen.

Eine zeitnahe Einführung von Bezahlkarten für Flüchtlinge wäre somit nicht nur eine unmittelbare Entlastung für Kommunen, sondern auch ein deutliches Zeichen, dass Deutschland bei der Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung vorankommt.

Letzte Aktualisierung: 24. Juli 2025
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