Sehr geehrter Herr Scholz. Liebe Ampel. Wenn Sie nach dem #Mobilitätsgipfel über echte Lösungen für die Verkehrswende sprechen wollen – unsere Expert:innen beraten Sie weiterhin gern: nichtnurauto@zukunft-fahrrad.de
Guten Abend, liebe Leserin, lieber Leser,
wir begrüßen Sie herzlich zum neuen Berlin.Table, dem Late-Night-Memo für die Hauptstadt.
Heute kümmern wir uns um spannende Zahlen zu den sinkenden Öleinnahmen Russlands, die dem Kreml kaum gefallen werden, aber in Europa für ein bisschen Entspannung sorgen dürften. Und wir schauen mit Tobias Lindner, dem zuständigen Staatsminister im Auswärtigen Amt, nach Brasilien, wo am Sonntag Tausende Menschen den Präsidentenpalast, das Parlament und das oberste Gericht gestürmt haben. Für Lindner ist das Land beim Klimaschutz “systemrelevant” und spricht nach den verheerenden Angriffen von einem “Weckruf auch für uns”.
Außerdem schauen wir auf die möglichen Folgen der Silvesternacht für Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey, haben uns die Social-Media-Auftritte der wichtigsten Politiker angesehen, berichten über die Digital-Revolution bei Abstimmungen im Bundestag und haben mit dem Chef der Welthungerhilfe, Mathias Mogge, über seine Kritik am Egoismus Europas gesprochen. Zum Abschluss schauen wir auf eine junge Politikerin, die in ihrer Partei noch nicht ganz oben ist, aber dorthin kommen könnte. Ihr Name: Heidi Reichinnek, ihre Partei: die notleidende Linke.
Wie gewohnt informieren wir Sie außerdem über spannende Stücke anderer Medien, über die Aufmacher am Abend, die Schlagzeilen morgen früh – und die wichtigsten Interviews in den Morgensendungen. Wenn Ihnen der Berlin.Table gefällt, leiten Sie uns bitte weiter. Wenn Ihnen diese Mail zugeleitet wurde: Hier können Sie sich für das Late-Night-Memo kostenlos anmelden.
Wir wissen und bedauern es, dass es bei der Anmeldung hier und da – noch – etwas hakelig zugehen kann. Deshalb noch einmal von dieser Stelle: Wir sind kostenlos zu erhalten, und das wird auch so bleiben. Wir versorgen Sie jeden Sonntag-, Dienstag- und Donnerstagabend mit neuen Informationen und aktuellen Analysen aus der Hauptstadt. Das nächste Late-Night-Memo erhalten Sie am kommenden Donnerstag.
An dieser Ausgabe haben Okan Bellikli, Stefan Braun, Enno Eidens, Horand Knaup, Malte Kreutzfeldt, Daniel Schmidthäussler, Vera Weidenbach und Britta Weppner mitgewirkt. Wir alle heißen Sie herzlich willkommen.
Russland: Sanktionen zeigen deutliche Wirkung. Seit dem 5. Dezember importieren die EU-Staaten von wenigen Ausnahmen abgesehen kein russisches Rohöl mehr per Tanker; seit Ende Dezember fließt nach Deutschland auch per Pipeline kein Öl aus Russland mehr. Im ostdeutschen Schwedt sorgt das für Ängste, denn die dortige Raffinerie ist dadurch derzeit nur zur Hälfte ausgelastet. Doch immerhin zeigen neue Zahlen nun, dass die Maßnahme das gewünschte Ziel erreicht: Die russischen Einnahmen aus Öl, Gas und Kohle gehen deutlich zurück und lagen im Dezember erstmals niedriger als vor dem Beginn des Angriffs auf die Ukraine. Das ergab eine aktuelle Analyse des Thinktanks Centre for Research on Energy and Clean Air (CREA).
Nach Kriegsbeginn war trotz der Sanktionen zunächst mehr Geld nach Russland geflossen. Der Rückgang der Exportmenge wurde durch den starken Preisanstieg mehr als wettgemacht. Der Höchststand wurde im März erreicht, als Russland jeden Tag mehr als 1,1 Milliarden Euro für seine fossilen Exporte erhielt. Seitdem geht der Wert kontinuierlich zurück – teils durch verringerte Liefermengen, teils durch das Sinken der Preise. Zum Jahresende lagen die Einnahmen nur noch bei 640 Millionen Euro pro Tag. Das ist weniger als bei Kriegsbeginn, aber noch mehr als im September 2021. Allein im Dezember ging der Wert um 17 Prozent zurück.
Noch sehr viel stärker sind die Einnahmen aus Exporten in die EU geschrumpft. Lagen sie im März bei fast 700 Millionen Euro pro Tag, waren es zum Jahresende nur noch gut 200 Millionen Euro täglich. Das ist nicht nur weniger als die Hälfte des Werts bei Kriegsbeginn, sondern liegt auch deutlich unter dem Wert von September 2021. Zunächst betraf der Rückgang vor allem die Einnahmen aus Pipeline-Gas; im Dezember gab es dann einen großen Einbruch beim Rohöl. Der zwischenzeitige Anstieg beim Import von russischem LNG fällt im Vergleich dazu minimal aus.
Die Entwicklung ist damit noch nicht am Ende. Wenn im Februar die Sanktionen auf verarbeitete Ölprodukte in Kraft treten, dürften die täglichen Einnahmen nach Schätzung des CREA um weitere 120 Millionen Euro am Tag sinken. Noch weiter fallen würden sie, wenn der Höchstpreis, den die EU für die verbliebenen Öl-Importe Russland festgelegt hat, abgesenkt würde und auch für LNG ein Höchstpreis eingeführt würde, so der Thinktank.
Auswärtiges Amt: Ansturm in Brasilien ist Weckruf für Deutschland. Noch immer verstören die Bilder aus Brasilien, wo am Sonntag Tausende Menschen den Präsidentenpalast, das Parlament und das oberste Gericht stürmten. Auch in der Bundesregierung bleibt die Bestürzung groß. “Die Ereignisse erschüttern, weil wir sehen, wie verletzlich unsere offenen Demokratien sind gegenüber gewaltbereiten Antidemokraten”, sagt der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Tobias Lindner, dem Berlin.Table. Der Grünen-Politiker spricht von einem Weckruf auch für Berlin: “Wir müssen unsere Institutionen schützen und Hass, Desinformation und gesellschaftlicher Spaltung entgegenwirken.”
Brasilien hat für Deutschland große Bedeutung – beim Klimaschutz und bei der Energiewende. Laut Lindner ist das Land nicht nur der wichtigste Handelspartner Deutschlands in der Region. “Das Land ist systemrelevant für den globalen Klima- und Biodiversitätsschutz und ein Schlüsselpartner bei der Energiewende.” Darüber hinaus setze sich Brasilien international für multilaterale Zusammenarbeit ein; mit ihm verbinde Deutschland eine enge Freundschaft. Lindners Sätze zeigen: Was in Brasilia passiert ist, wird in Berlin mit größter Sorge aufgenommen. In zwei Wochen wird der Kanzler selbst in die größte Demokratie Südamerikas reisen.
FAZ: Nato und EU wollen in Zukunft noch enger kooperieren. Thomas Gutschker hat sich die Kooperations-Erklärung von Nato und EU, die am Montag unterzeichnet wurde, genauer angeschaut und Bemerkenswertes festgestellt. Unzweifelhaft wird der Vorrang der Allianz bei der kollektiven Verteidigung festgeschrieben. Erst danach wird der Wert einer eigenen europäischen Verteidigung anerkannt, die “die Nato ergänzt und mit ihr interoperabel ist”. Wer sich für europäische Verteidigung in Kriegszeiten interessiert, sollte es dem FAZ-Autoren nachmachen und den Text ebenfalls noch einmal studieren. (“Die Allianz hat Vorrang” S. 2)
Die PKV leistet einen enorm starken Beitrag zur Gesundheitswirtschaft. Das belegt aufs Neue die aktuelle Studie des WifOR-Instituts mit Daten aus Rheinland-Pfalz: Allein dort fließen durch die Mehrumsätze der Privatversicherten pro Jahr fast 700 Mio. Euro extra ins Gesundheitssystem. Das sichert Arbeitsplätze und stärkt die medizinische Versorgung. (Mehr)
Welt: Baerbock-Überraschungsbesuch in der Ostukraine. Außenministerin Annalena Baerbock hat mit ihrem ukrainischen Amtskollegen Dmytro Kuleba die Stadt Charkiw besucht. Deniz Yücel hat die Ministerin begleitet. Stationen waren unter anderem ein zerstörtes Umspannwerk sowie eine Kinderklinik. Laut Yücel ist Baerbock die erste ranghohe ausländische Politikerin, die seit Kriegsbeginn nach Charkiw in die Nähe der Grenze zu Russland gefahren ist. Er beschreibt, dass auch das Thema Waffenlieferung eine Rolle spielte (“Baerbock traut sich so nah an die Front wie niemand aus der Bundesregierung“, S. 9)
Tagesspiegel: So heiß wie noch nie. Der Sommer 2022 war der wärmste, der je in Europa gemessen wurde, berichtet der Tagesspiegel unter Bezug auf den EU-Klimawandeldienst Copernicus. Besonders beklemmend: Kein Kontinent erwärmt sich schneller als Europa, wo die Temperaturen in den vergangenen 30 Jahren mehr als doppelt so stark gestiegen sind wie im globalen Durchschnitt. Fortsetzung folgt. (“Hitzerekord in Europa“, S. 13)
Handelsblatt: Preisbremse hilft dem Mittelstand nicht. Die seit Beginn des Jahres geltende Gaspreisbremse für die Industrie erfüllt laut Handelsblatt nur bedingt ihren Zweck. Unternehmer sprechen von einer “Katastrophe”. Grund seien die Auflagen, die Firmen erfüllen müssen, um Subventionen abzurufen. Vor allem energieintensive Branchen wie Stahl, Metallverarbeitung und Chemie klagen. Angesichts der drohenden Rezession sehen sich viele Firmenchefs zu einer validen Prognose über das laufende Jahr kaum in der Lage und verzichten auf einen Antrag. (“Kritik an der Preisbremse” Titel & S. 4-5)
taz: Halbherzige Initiative, das Containern zu entkriminalisieren. Während die meisten Medien die Initiative von Justizminister Marco Buschmann (FDP) und Agrarminister Cem Özdemir (Grüne) loben, das so genannte Containern straffrei zu stellen, kritisiert die taz, dass der Vorstoß nicht weit genug geht. Statt das Fischen nach Lebensmitteln aus Abfallcontainern auf Bundesebene zu entkriminalisieren, überließen die Bundesminister das jetzt den Ländern. Da dies einstimmig geschehen muss, sind die Chancen dafür eher gering. (“Laue Initiative zum Containern” S. 8)
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Berliner Silvesternacht: Giffeys Risiko und Giffeys Chance. Den zuvor eher schleppenden Wahlkampf um die Macht in der Hauptstadt Berlin hat die böllerreiche Silvesternacht politisch wachgerüttelt. Es war von niemandem beabsichtigt, aber die Attacken auf Polizeibeamte, Rettungsdienste und teilweise auch Unbeteiligte haben den Wahlkampf befeuert – mit offenem Ausgang. Vor allem die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD), macht sich die Themen innere Sicherheit, Jugend und Integration zumindest verbal bereits zu eigen. Ein Komplex, der Chance und Risiko gleichermaßen birgt.
Der nun mögliche Auftrieb für Giffey kam auch für die Bundes-SPD überraschend. Viele in der Partei hatten ihr nur noch mittelmäßige Chancen eingeräumt, das Rote Rathaus zu verteidigen. Ein noch an Weihnachten kaum denkbarer Erfolg in Berlin gäbe den Genossen zum Auftakt der vier Landtagswahlen 2023 ordentlich Auftrieb. Die Diskussion um die krawallige Silvesternacht vereinigt dabei viele landespolitische Themen: Giffey, zuvor mit ihrer Kampagne kaum in Erscheinung getreten, könne nun – im Unterschied zu CDU und FDP – konkretes politisches Handeln unter Beweis stellen, sagt die Politikwissenschaftlerin Julia Reuschenbach von der FU Berlin. Dass Giffeys Positionen mit denen von Innenministerin Nancy Faeser übereinstimmen, dürfte Giffey dabei zugutekommen.
Sie wolle ein Stoppschild setzen und zugleich die Hand ausstrecken, so hat es Giffey angekündigt. In Neukölln besuchte sie die Feuerwache, deren Mitarbeiter den Attacken besonders ausgesetzt waren. Mit der Ankündigung eines Jugendgipfels will sie das Thema auf der Tagesordnung halten. “Man hat das Gefühl, sie will es zum prägenden Thema machen”, sagt Thorsten Faas, Leiter der Arbeitsstelle Politische Soziologie am Otto-Suhr-Institus, über Giffeys Auftritte seit Silvester. Allerdings hält er die Strategie auch für ein Wagnis: “Dass sie es jetzt so pusht, ist ungefähr so risikoreich, wie wenn die SPD den Klimaschutz plakatieren würde.” Innere Sicherheit sei nun mal kein klassisches SPD-Thema. Offen ist für Faas, was bis zum Wahltag in den Köpfen hängen bleibt: “Der Eindruck, dass sie sich kümmert? Oder der Eindruck, dass diese Stadt nicht mehr funktioniert?”
Julia Reuschenbach sieht bessere Chancen für Giffey. Schon als Bezirksstadträtin und Bürgermeisterin von Neukölln habe sie Sicherheit und Ordnung zu einem ihrer zentralen Themen gemacht. Letztlich gehe es vor allem um Glaubwürdigkeit und darum, ob es ihr gelingen kann, verstärkte Aufmerksamkeit auch für Jugend- und Sozialarbeit zu wecken, und zwar “nicht vorschnell, sondern differenziert und ohne Vorverurteilungen, Stigmatisierungen und Rassismus.” Bei der Wahl im Jahr 2021 habe die SPD vor allem bei Wählerinnen und Wählern mit einfacher Bildung und bei älteren Menschen gepunktet. Jetzt allerdings sei “die Lage angesichts von Krieg und hohen Energiepreisen eine gänzlich andere”, so die SPD-Expertin. Noch aber müsse das für Giffey nicht zum Nachteil werden. Denkbar sei, dass die strengere Linie bei der inneren Sicherheit auch in bürgerlichen Milieus verfangen könne.
Regierungskonstellationen? Laut Faas ist alles offen. Der Politologe gibt Giffey nur geringe Chancen, im großen Stil von einem Landesmutter-Bonus profitieren zu können. Dafür sei das Parteiensystem viel zu zersplittert. Faas hält es für möglich, dass am Schluss taktische Überlegungen alles überlagern. So könnten mehr Wahlberechtigte als erwartet am Ende vor der Frage stehen: “Wen will ich auf keinen Fall? Und wie verhindere ich den oder die?” Faas erwartet eine deutlich niedrigere Wahlbeteiligung als bei der vergangenen Wahl. Welche Partei ihre Wähler besser mobilisieren kann – dazu mag Faas nach der Vorgeschichte keine Prognose abgeben.
Elektronische Abstimmung: Der Bundestag wird digitaler. Mit Nachdruck arbeiten die Ampel-Koalitionäre an der Modernisierung des Parlaments. Dazu gehört auch eine elektronische Abstimmungsanlage, für die die Verwaltung des Bundestages bis Ende Februar eine Machbarkeitsstudie vorlegen soll. Darauf hat sich die Kommission für den Einsatz neuer Informations- und Kommunikationstechniken und -medien, eine Unterkommission des Ältestenrates, kurz vor Weihnachten einstimmig verständigt.
Ein Antrag begründet den Vorstoß mit den üblichen “erheblichen Verzögerungen im Sitzungsverlauf”. Insbesondere namentliche Abstimmungen seien davon betroffen, argumentieren die Ampel-Vertreter Johannes Fechner (SPD), Emilia Fester (Grüne) und Manuel Höferlin (FDP) – “in der Regel 20 bis 30 Minuten für eine einzige namentliche Abstimmung”. Bei mehreren Abstimmungen multipliziere sich der Zeitbedarf entsprechend. Zum Vergleich: Bei der EU in Brüssel seien dank des etablierten elektronischen Systems innerhalb von 60 bis 90 Minuten Dutzende namentlicher Abstimmungen möglich. Der Zeitgewinn ist aber nur ein Argument. Hinzu kommen die unmittelbare Ergebnisübermittlung in Form einer Anzeige im Sitzungsaal sowie eine mögliche Fehlerkorrektur bei versehentlich falschen Voten.
Nun ist die Verwaltung am Zuge. Sie muss prüfen, mit welcher Art Geräten – ob am Tisch und in Armlehnen installiert oder mobil im Plenarsaal – und mit welchem Authentifizierungsverfahren ein manipulationssicheres Stimmverfahren gewährleistet werden kann. Klar ist: Abgestimmt werden soll ausschließlich im Plenarsaal. Auch über Kosten und Umsetzungsdauer soll die Bundestagsverwaltung Auskunft geben. Lesen Sie hier die ausführliche Analyse.
SZ: Nato und EU rücken enger zusammen
Tagesspiegel: Neue Lockerungen: Bundesländer schaffen Maskenpflicht in Bus und Bahn ab
taz: Fabrikarbeiter for Future (Besetzter Autozulieferbetrieb in Italien)
Handelsblatt: Kritik an der Preisbremse (Hilfen der Bundesregierung)
Sächsische Zeitung: Kein A4-Ausbau zwischen Dresden und Bautzen
Zeit Online: KI und Arbeit: 100 verschiedene Überschriften? Kommen sofort!
RND: Geheimdokumente in altem Büro: Bidens heikle Hinterlassenschaft
t-online: Vorstoß von Wirtschaftsweiser: “Diese Rentenvorschläge sind geradezu unanständig”
GMX/Web.de: Lehrerin in Berufsschule in Nordrhein-Westfalen getötet
Business Insider: Bei Vorwerk hat sich die Gründerfamilie aus der Geschäftsführung zurückgezogen – spielt aber immer noch eine wichtige Rolle
SZ: Außenministerin in der Ukraine: “Sinnbild für den absoluten Irrsinn des russischen Angriffskriegs”
Welt: Angespannte Atmosphäre in Lützerath – Polizei entfernt erste Barrikaden
FAZ: Neue Studie zur Energiewende: Europa vor Japan auf Platz eins bei Wasserstoffpatenten
Handelsblatt: Außenministerin Baerbock besucht Ostukraine – Putin-Vertrauter: Kreml sieht sich im Kampf mit der Nato
NZZ: In Regensburg geflohener Mörder ist gefasst. Alles deutet auf eine geplante Flucht hin
Berlin und Social Media: Platz eins für den Kanzler. Olaf Scholz – ein Champion in den sozialen Netzwerken? Das hätten viele wahrscheinlich nicht gedacht. Und doch hat der Sozialdemokrat von allen bekannten Köpfen des Politikbetriebs mit rund zwei Millionen die meisten Followerinnen und Follower auf Instagram. Und das, obwohl viele – vor allem jüngere Bundestagsabgeordnete – schon viel länger dort unterwegs sind. Klar ist: Der Titel “Bundeskanzler” hilft. Auf seinem persönlichen Account sind es nur gut 200.000 Menschen.
Auf Twitter liegt im Vergleich aller Ministerien das Auswärtige Amt vorn. Trotz der Diskussion um Elon Musk ist das Netzwerk im politischen Berlin weiterhin dominant, dem AA folgen dort fast eine Million Menschen. Das vom Wirtschaftsministerium 2022 veröffentlichte Video zur Katar-Reise von Robert Habeck haben bis heute – was bei Posts von Behörden nicht oft vorkommt – sogar noch mehr Leute gesehen.
Die Plattformen haben gute wie schlechte Seiten. Zum einen sorgen sie immer wieder wegen Shitstorms für Aufsehen, wie zuletzt im Zusammenhang mit dem Silvester-Video von Christine Lambrecht. Dass die Selbstinszenierung nach hinten losgehen kann, zeigte außerdem die Diskussion um die “One Love”-Binde von Nancy Faeser. Der Vorwurf: Symbolpolitik. Manchmal kommt es auch zu Pannen: Als Christian Lindner vor Weihnachten für eine Kampagne der Berliner Stadtmission warb, ließ er sich mit einem Plakat abbilden, auf dem stand: “#EureArmutGehtMichAn”. Prompt warfen ihm zahlreiche Nutzer Zynismus vor. Manche bearbeiteten das Foto so, dass Sprüche wie “#EureArmutKotztMichAn” zu lesen waren. Den ursprünglichen Beitrag auf Instagram löschte Lindner zunächst.
Trotz der Risiken nutzen praktisch alle Parteien Social Media. Es gibt ihnen die Möglichkeit, Personen und Inhalte greifbarer zu machen. Die Grünen erläutern auf Instagram-Texttafeln beispielsweise Details zur Strom- und Gaspreisbremse, während Rolf Mützenich in einem TikTok-Video erzählt, was seine Aufgaben als SPD-Fraktionschef sind. Die Liberalen wiederum haben eine Reihe namens “Free Facts” mit eigener Moderatorin, die regelmäßig Einblicke in die Regierungsarbeit gibt. Auf ihren persönlichen Accounts erzählen die MdBs noch dazu Privates, etwa von psychischen Problemen. Sie zeigen einen Blick hinter die Kulissen des Bundestags ebenso wie Haustiere und Lieblingsrezepte.
Erfolgreich damit sind nicht nur junge MdBs. Gerade diese bringen aber neue Sichtweisen mit ein – etwa die, die eine Einwanderungsgeschichte haben und mit Blick auf das neue Aufenthaltsrecht von ihren Erfahrungen erzählen. Quantität, also Likes oder Retweets, ist aber nicht gleich Qualität. Das betont der Politikberater Martin Fuchs: “Die Plattformen und Analysetools sind so gebaut, dass viel immer als gut bewertet wird – das muss aus den Köpfen raus.” Manche Politikerinnen und Politiker würden in ihren Posts zum Beispiel eher die Konkurrenz abwerten als auf eigene Inhalte setzen.
Ein Phänomen, das nicht nur auf die virtuelle Welt beschränkt ist. Online funktioniert das laut Fuchs gut, macht auf Dauer jedoch die politische Kultur kaputt. Bisweilen würden es Parteien darüber hinaus mit ihren Anspielungen auf Popkultur oder Onlinetrends übertreiben, sodass die Kommunikation stellenweise infantil und inhaltsleer werde: “Das nehmen die Nutzer dann nicht mehr ernst.” Die AfD sieht er ungeachtet ihrer konkreten Forderungen als Gegenbeispiel: Die online erfolgreiche Partei setze statt auf Klamauk nur auf Inhalte.
Unterhaltung ist per se aber kein Problem. Wichtig ist dem Experten zufolge nur, dass sie nicht den roten Faden in der Kommunikation ausmacht. Gute Karten hat allgemein zudem, wer souverän auf Spott oder Kritik reagiert. FDP-Chef Lindner gilt hier als Vorbild. Als zum Beispiel kürzlich ein Nutzer Szenen aus seinem Podcast so zusammenschnitt, dass er sich selbst “interviewte”, kommentierte der Parteichef: “Es war uns eine Freude ? CL & CL”.
Welthungerhilfe: “Wir sind zu sehr auf unseren Vorteil bedacht.” Mathias Mogge, Vorsitzender der Deutschen Welthungerhilfe, sieht sehr kritisch auf den Egoismus der EU und der westlichen Staaten. Insbesondere in der Handelspolitik hält er das Verhalten für kurzsichtig und auf Dauer gefährlich. “Erst sehr viel später wird darüber nachgedacht, welche Folgen könnte das auf andere haben”, sagte Mogge dem Berlin.Table. Und fügt hinzu: “Selbst Ländern mit guten Voraussetzungen wird es sehr, sehr schwer gemacht.”
In der deutschen Gesellschaft sieht er ein großes Verantwortungsbewusstsein. Viele Menschen hätten verstanden, “dass unsere Lebensweise massive Auswirkungen auf arme Länder hat”. Während er das deutsche Engagement in der Welt prinzipiell lobt, kritisiert er die nationale Komponente der deutschen Außenpolitik. “Dem, was in Sonntagsreden immer wieder als Augenhöhe betitelt wird, folgen zumeist nicht wirklich konkrete politische Absichten”, sagt Mogge. In der Regel gehe es um die Frage: “Wo können wir einen Vorteil generieren, insbesondere dann, wenn es bei uns eng wird.” Mogges Stimme hat in der Berliner Politik wie bei Nichtregierungsorganisationen Gewicht; seit einem Jahr führt er als Vorsitzender auch Venro, den Bundesverband entwicklungspolitischer und humanitärer Nichtregierungsorganisationen.
Mogge verteidigt die Idee eines eigenständigen Entwicklungshilfeministeriums. Seiner Ansicht nach ist nur mit einem eigenen Ministerium sichergestellt, dass die großen Entwicklungsfragen der Welt als Themen unabhängig von der deutschen Außenpolitik eine Rolle spielen. Trotzdem könnte die Zusammenarbeit zwischen BMZ und Außenamt “erheblich besser” sein. Im Dachverband Venro gibt es allerdings auch andere Stimmen, die eine Zusammenlegung der beiden Ministerien für die bessere Alternative halten.
Der Ukraine-Krieg hat die Spenden ungewöhnlich ansteigen lassen. Der Krieg hat den meisten deutschen Organisationen im Bereich der humanitären Hilfe so viel Geld in die Kassen gespült wie noch nie. Manche Hilfswerke haben ihre Spendeneinnahmen nahezu verdoppelt, die Deutsche Welthungerhilfe verbuchte über 90 Millionen Euro. Der Spendenrekord der Welthungerhilfe bisher lag bei 77 Millionen Euro. Ein ausführliches Interview mit Mathias Mogge lesen Sie hier.
Linkspartei: Suche nach dem Weg aus der Krise. Der Linkspartei steht ein schwieriges, vielleicht sogar ein entscheidendes Jahr bevor. Schon die Wahlwiederholung in Berlin wird ein wichtiger Gradmesser sein. Sie wird zeigen, wie stark das Herz der Partei überhaupt noch schlägt. Sollte sie die Regierungsbeteiligung hier verlieren, dürfte die Krise ganz andere Dimensionen bekommen.
“Die Aufgaben sind riesig und wir geben linke Antworten”, sagt Parteichefin Janine Wissler vor den Klausuren von Fraktion und Partei Ende dieser Woche. Die Linke kritisiere nicht nur, sie habe auch konkrete Ideen und Konzepte. Sie sei die erste Partei gewesen, die einen Gaspreisdeckel gefordert hatte, einen Nulltarif beim ÖPNV und die Abschaffung von Fallpauschalen in Krankenhäusern. Lauter Themen, bei denen die Regierung irgendwann gemacht hat, was die Linke auch schon wollte.
Aus linker Sicht sind das Erfolge – nur welche, die kaum einer wahrnimmt. Das größte Problem bleibt: Die politische Arbeit geht unter in dem Bild einer zerrissenen Partei, das das vergangene Jahr bestimmt hat. In Umfragen kratzt sie bundesweit an 5 Prozent.
Eine, die das ändern könnte, ist Heidi Reichinnek. Beim letzten Parteitag zeigte sie schon, wie viel Courage sie hat, als sie gegen Wissler antrat. Aktuell ist sie Bundestagsabgeordnete und Landesvorsitzende in Niedersachsen. Wie diese junge Politikerin Stimmen von der AfD zurückholen will und warum sie nicht mehr über Sarah Wagenknecht reden möchte, lesen Sie hier.
Security.Table: Angst vor Angriffen auf Unterseekabel. Immer mehr Länder rüsten für den Kampf am Meeresboden auf. Russische, chinesische und amerikanische Militärs entwickeln Technik, die Infrastruktur in 6.000 Metern Tiefe zerstören kann, sagt ein Experte der Konrad-Adenauer-Stiftung. Lisa-Martina Klein erklärt, was Deutschland, EU und Nato tun, um die Kabel zu schützen. Mehr
Bildung.Table: Neue KMK-Präsidentin im Interview. Astrid-Sabine Busse hat genau ein Jahr Zeit, um im Kreis der 16 Schulminister Reformen anzustoßen. Ganz oben auf der Agenda der Berliner Senatorin steht der Ganztagsausbau. Im Interview mit Christian Füller und Moritz Baumann hat sie noch weitere Vorhaben parat. Mehr
Europe.Table: Wie die Grünen Berlin und Brüssel verbinden. Im Europaparlament sind die Grünen längst nicht die stärkste Kraft. Bei der Vernetzung der Bundes- mit der EU-Hauptstadt macht ihnen aber keine andere Partei etwas vor. Von der täglichen “Spitzenschalte” um 7:30 Uhr und anderen Formaten mit EU-Bezug berichtet Markus Grabitz. Mehr
Europe.Table/ESG.Table: Warum das Recht auf Reparatur immer weiter verschoben wird. Die Gesetzesinitiative der EU-Kommission verzögert sich mittlerweile um ein Jahr. Wie Leonie Düngefeld erfahren hat, sind Abgeordnete und Verbraucherschützer besorgt, ob die Verhandlungen in der laufenden Legislaturperiode überhaupt noch vorankommen. Mehr
ESG.Table: Klima-Bilanz von Blackrock dürftig. Im Jahr 2020 wollte Larry Fink, CEO des weltgrößten Vermögensverwalters, “Nachhaltigkeit in den Mittelpunkt des Investitionsansatzes von Blackrock stellen.” Damals ein wichtiges Signal in der Finanzwirtschaft. Nico Beckert hat sich die Klima-Bilanz drei Jahre später angeschaut. Mehr
Informationen am Morgen (Deutschlandfunk)
ca. 6:50 Uhr: Andreas Müller, Jugendrichter: Vor dem Berliner Gipfel zu Jugendgewalt
ca. 7:14 Uhr: Oliver Krischer, Umweltminister: Lützerath vor der Räumung
ca. 8:10 Uhr: Cornelius Strangemann, Einzelhändler: Containern
ZDF-Morgenmagazin (ZDF)
6:40 Uhr: Sarah-Lee Heinrich, Bundessprecherin Grüne Jugend: Proteste in Lützerath und Energiesicherung für die Zukunft
7:10 Uhr: Hildegard Müller, VDA-Präsidentin: Autogipfel; Rohstoffmangel und Lieferprobleme
8:10 Uhr: Christian Mölling, DGAP: Krieg in der Ukraine, Waffenlieferung, Perspektive
8:40 Uhr: Cem Pancar, Streetworker bei Gangway e. V., Gipfel zu Jugendgewalt, Silvesterkrawalle
Inforadio (rbb24)
7:05 Uhr: Torsten Bauer, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Chefarzt der Lungenklinik Heckeshorn in Berlin: Drei Jahre leben mit Corona
7:25 Uhr: Elvira Berndt, Geschäftsführerin von Gangway e. V.: Gipfel gegen Jugendgewalt in Berlin
Security.Table: Sabine Thillaye – Französisch-deutsche Vermittlerin aus Remscheid
Mittwoch, 11. Januar
Tobias Lindner, Staatsminister im Auswärtigen Amt (Grüne), 41
Pascal Hector, Deutscher Botschafter in Dänemark, 61
Margret Uebber, Deutsche Botschafterin in der Republik Moldau, 64
Jochen Haug, MdB (AfD), 50
Martin Hess, MdB (AfD), 52
Donnerstag, 12. Januar
Michael Theurer, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Digitales und Verkehr (FDP)
Urban Mauer, Staatssekretär im Ministerium für Schule und Bildung des Landes Nordrhein-Westfalen, 55
Mittwoch, 11. Januar
Berlin: Gipfel gegen Jugendgewalt mit Akteurinnen und Akteuren aus Senat, Bezirken und Zivilgesellschaft nach den Silvester-Ausschreitungen. 10:00 Uhr, Rotes Rathaus
Donnerstag, 12. Januar
Afrika: Besuch von Außenministerin Annalena Baerbock in Äthiopien. Gespräche mit der Regierung und der Afrikanischen Union (AU) zusammen mit der französischen Außenministerin Catherine Colonna. Ganztägig, Addis Abbeba (bis Freitag)
Bundeswehr: Verteidigungsministerin Christine Lambrecht besucht die Marder-Kompanien der Schnellen Eingreiftruppe der Nato (VJTF). 10:00 Uhr, Marienberg (Sachsen)
Samstag, 14. Januar
Energie: Offizielle Inbetriebnahme des Lubminer Terminals für Flüssigerdgas (LNG) mit Olaf Scholz und Robert Habeck. 14:00 Uhr, Lubmin (Mecklenburg-Vorpommern)
Montag, 16. Januar
Union: Festmatinee der CDU-/CSU-Fraktion für Wolfgang Schäuble – 50 Jahre im Deutschen Bundestag. 11:30 Uhr, Glashof des Jüdischen Museums Berlin
Sie haben für heute Ihre Arbeit erledigt und hätten gerne noch ein bisschen Unterhaltung? Dann haben wir einen Tipp für Sie. Und zwar ein Buch (und Hörbuch) über die große Flucht einer Familie, das Ankommen in Deutschland und die eigene Geschichte, die einen nie loslässt – ganz gleich, ob man aus der Ukraine, aus dem Iran oder aus dem Libanon flieht. Hauptfigur ist Samir, der Sohn eines Paares, das 1982 aus dem libanesischen Bürgerkrieg nach Deutschland kommt. Nach Jahren scheint endlich alles gut zu werden; umgeben von einem kleinen Kreis aus Freunden und Bekannten gelingt es ihnen, sich wieder ein Stückchen Heimat aufzubauen. Dann verschwindet Samirs Vater – und es beginnt eine Suche nach Wurzeln, taumelnd zwischen Deutschland und dem Land der Vorfahren. Ein zarter Blick, eine wilde Geschichte. Eine Wucht.
Pierre Jarawan: Am Ende bleiben die Zedern | Buch: Berlin Verlag | Hörbuch: Osterworld Audio
Das war’s für heute. Schön, dass Sie bei uns waren. Das nächste Late-Night-Memo erhalten Sie am Donnerstagabend.
Good night and good luck!
Der Berlin.Table ist das Late-Night-Memo für die Table.Media-Community.
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