Fast die Hälfte der Deutschen findet das Grundgesetz überarbeitungsbedürftig und dass es an die Lebensrealitäten angepasst werden müsste. Das geht aus einer Umfrage der Marktforschungsinstitute Sinus und YouGov hervor. Vor allem Menschen des sogenannten nostalgisch-bürgerlichen Milieus (59 Prozent) äußerten sich unzufrieden – der höchste Wert aller zehn soziologisch aufgerasterten Sinus-Gruppen. Silke Borgstedt, Sinus-Geschäftsführerin, nennt das Segment „einen stark harmonieorientierten Teil der Mitte“, der sich „angesichts der vielfältigen und unübersichtlichen Veränderungen bedrängt“ sehe und „sich nach den vermeintlich guten alten Zeiten zurücksehnt“. Auch der adaptiv-pragmatische Teil der Gesellschaft ist unzufrieden. Für Sinus ist das der moderne, leistungsbezogene Teil der Mitte. Borgstedt: „Sie sind in der Rushhour ihres Lebens und zunehmend frustriert von schlechter Infrastruktur und nicht eingelösten Transformationsversprechen.“
Beide Mitte-Milieus fühlen sich von Staat und Politik nicht adäquat wahrgenommen. Überhaupt, auch das geht aus der Befragung hervor, hadern vor allem Menschen mit mittlerer Bildung und im Rentenalter mit der Demokratie in Deutschland. 59 Prozent der Deutschen sehen die Demokratie generell in Gefahr, sechs Prozent mehr als 2019. Wobei Rechtsextremisten (59 Prozent) die Deutschen deutlich mehr besorgen als äußerst linke Kräfte. 69 Prozent beklagen, dass in Deutschland verbindende Themen und Übereinkünfte verloren gegangen sind. Die Grundthese des Sinus-Instituts ist, dass die Milieuzugehörigkeit politische Einstellungen stärker beeinflusst als Geschlecht, Alter oder Bildung. Horand Knaup