Markus Kerber, von 2011 bis 2017 Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands Deutscher Industrie (BDI) und später Staatssekretär im Innenministerium, warnt vor einem zu großen Werben um eine Expansion des China-Geschäfts bei der aktuellen Reise von Bundeskanzler Olaf Scholz nach Peking. „Wenn man mich fragt, würde ich derzeit die China-Geschäfte zumindest nicht ausweiten“, sagte er Table.Briefings.
Kerber hat in seiner Zeit als BDI-Hauptgeschäftsführer auf China-Risiken hingewiesen, ist aber auf Ablehnung der Industrie gestoßen, die ihm Pessimismus und „Kassandra-Rufe“ vorgeworfen hat. „Ich führe die Skepsis in der deutschen Wirtschaft maßgeblich darauf zurück, dass wir es nach 1990 mit einer Generation von Unternehmensführungen und Managern zu tun haben, die völlig apolitisch ist.“ Der Zweck der Reise des Bundeskanzlers scheine ihn insgesamt nicht klar definiert. „China steht mit seiner demographischen Entwicklung vor gigantischen Problemen. Das Wachstum, das wir bislang gewohnt waren, wird es so nicht mehr geben.“
In den vergangenen Jahren sind China-Risiken wie die Abhängigkeit von Lieferungen und vom chinesischen Absatzmarkt in den Vordergrund getreten. China trete nach den Worten Kerbers heute „viel aggressiver“ auf. „Man wollte es nicht wahrhaben“, sagt Kerber. „Leider ist es genau so gekommen.“ Russland als verlässlicher Lieferant deutscher Energieversorgung, China als verlässlicher Handelspartner, der WTO-Regeln folgt, und die USA als Zahlmeister der NATO und größter Verteidiger einer regelbasierten Globalisierung – alle drei Annahmen seien zusammengebrochen. „Die deutsche Wirtschaft ist meines Erachtens heute so exponiert wie seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs nicht.“ Felix Lee