Herr Miara, warum ist die Wärmepumpe in anderen Ländern absolut selbstverständlich und in Deutschland so unbeliebt?
Die Entwicklung ist tatsächlich in Europa sehr unterschiedlich. Es gibt die klassischen Länder, in denen die Wärmepumpe weit verbreitet ist, Schweden, Norwegen, Finnland oder seit einiger Zeit auch die Schweiz. Und dann sind in den letzten Jahren Länder wie Frankreich oder Italien dazu gekommen, auch weil sie enorm in die Forschung investiert haben.
Was haben etwa die Schweizer anders gemacht?
In der Schweiz war von Anfang an Qualität und Kommunikation wichtig. Und eine gewisse Standardisierung. Außerdem haben die Schweizer sehr viel Wert gelegt auf die Qualität der Installation. Die Installateure begleiten den Betrieb der Wärmepumpe von Beginn an ganz eng. Da gibt’s richtige Wärmepumpen-Doktoren. Und: Eine staatliche Förderung ist mit einem Standardisierungsmodell verbunden, mit einer begrenzten Anzahl von Hydraulik-Schemata – das macht vieles einfacher und übersichtlicher.
Und warum ist die Wärmepumpe in Skandinavien so verbreitet, trotz niedriger Außentemperaturen?
In Schweden hat man immer schon mit Strom geheizt, in Norwegen werden Wärmepumpen subventioniert und fossile Energien gleichzeitig hoch besteuert. Frankreich hat den Atomstrom, weshalb die Technik dort einen massiven Push erfährt. Und in Frankreich wird geforscht, und zwar nicht nur an den Forschungsinstitutionen. Wenn ich mir dort die Forschungslabore vom großen Energieversorger anschaue, kriege ich Tränen in die Augen.
Na ja, Fraunhofer ISE forscht auch mit nicht ganz unbeträchtlichen Mitteln.
Inzwischen ja. Aber auch bei uns wollte man sich lange nicht mit Wärmepumpen beschäftigen. Wir sind eine relativ junge Sparte. Aber richtig ist auch: Neulich war sogar der Kanzler da, um sich zu informieren.
Dabei hat Deutschland doch eine ganze Anzahl renommierter Hersteller?
Ja, wir haben viel mehr Hersteller als etwa die Schweiz. Aber die haben eigene Interessen und sie üben Druck auf die politische Ebene aus. Und jeder Hersteller will seine eigene Lösung. So was bleibt nicht ohne Folgen. Jetzt versuchen wir über die Deutsche Energieagentur (dena) zu einer gewissen Standardisierung zu kommen. Außerdem legt man in Deutschland großen Wert auf die Sicherheit. Mit der Folge, dass das Tempo der Verbreitung sinkt.
Ein Unterschied ist auch, dass es nirgendwo in Europa solche Kontroversen gab wie in Deutschland. Warum?
Ich kann es Ihnen nicht sagen. Deutschland war, verwöhnt durch russisches Gas, spät dran, was Alternativen angeht. Es gab keinen Druck in Alternativen zu denken, und dann sind wir an irgendeiner Stelle komplett falsch abgebogen.
Momentan klagen die deutschen Hersteller über massive Umsatzrückgänge. Teilweise bauen sie sogar Personal ab. Ist das nicht sehr kurzsichtig?
Ja, ist es. Und trotzdem gibt es auch nachvollziehbare Gründe. Der Markt ist quasi zusammengebrochen. Da geht es jetzt auch um Existenzen. Die Hersteller entlassen Leute, die Installateure orientieren sich um. Es ist eine sehr ungesunde Entwicklung gerade.
Strom ist teuer, dennoch ist absehbar, dass sich Gas und Heizöl spätestens 2027 mit Einführung des Emissionshandels massiv verteuern werden?
So ist es. Wer nur ein bisschen rechnen kann, dem ist klar, wie es weiter geht. Es ist ein absoluter Denkfehler, sich auf die heutige Situation zu fokussieren. Im Moment kostet das Gas 8 Cent/Kwh, der Strom 25 Cent/Kwh. Das macht die Wärmepumpe noch nicht interessant. Aber sobald wir beim Verhältnis unter den Faktor 2,5 kommen, werden die Leute merken, was los ist. Das wird spätestens in drei Jahren der Fall sein.
Warum sind ausländische Hersteller bisher auf dem deutschen Markt kaum vertreten?
Der Markt wird in Bewegung geraten. Skandinavische Hersteller drängen schon herein, die Asiaten wie LG oder Samsung, die seit vielen Jahren in viel höheren Stückzahlen produzieren, schauen genau hin, und ich kann mir auch chinesische Anbieter vorstellen. Und es werden Systemanbieter mitmischen wie thermondo, aira, enpal, octopus und weitere, die die Wärmepumpe mit PV und Batterie und intelligenten Systemen kombinieren. Da wird noch einiges passieren. Und es wird die deutschen Hersteller unter Druck setzen.
Wie haben Sie das Jahr 2023 erlebt, für das Ministerium und die Verbreitung der Wärmepumpen war es ja wohl ein Desaster?
Es war eine Katastrophe, und die Medien waren nicht ganz unschuldig daran. Denn dass für neue Heizungen 65 Prozent der Energie aus Erneuerbaren stammen sollten, war ja schon länger bekannt. Das schafft eigentlich nur die Wärmepumpe. Und lange hat sich niemand darüber aufgeregt. Bis der Starttermin von 2025 auf 2024 vorverlegt wurde – wegen des Russland-Krieges. Schlagartig sind die Preise der Installateure gestiegen, und es gab zu wenig Wärmepumpen. Und plötzlich war die Stimmung im Keller.
Und welche Rolle haben die Medien gespielt?
Keine gute. Wir haben im vergangenen Jahr über 100 Print- und Onlineartikel ausgewertet. Das Ergebnis: Die neutrale Berichterstattung lag im einstelligen Prozentbereich. Alles andere war tendenziös oder falsch.
Haben Sie Beispiele?
Die Springer-Presse zum Beispiel sprach nur noch vom „Heizungshammer". Das war kein Hammer, alle Eckdaten waren lange bekannt. Plötzlich war Robert Habeck der Mann, der deutsche Werte zerstören will. Auch das SPIEGEL-Cover mit Habeck im Keller, der die Heizungen rausreißen will, passt dazu. Oder dass die Wärmepumpe im Altbau nicht funktioniert oder nur bei Fußbodenheizungen: Alles Quatsch, aber es hat geholfen, die Leute massiv zu verunsichern. Es war unglaublich viel Symbolpolitik im Spiel – es gab aber auch einen fruchtbaren Boden dafür.
Inwiefern?
Weil die Leute verunsichert waren. Die Pandemie, der Krieg, die Inflation – natürlich löst das Unsicherheiten aus. Und das wurde dann geschürt. Plötzlich waren Sätze in der Welt wie: Man kann in Deutschland sein Geschlecht selbst wählen, aber nicht die Heizung im eigenen Keller. Was auch Unsinn war und ist.
In solchen Fällen hilft eigentlich politische Kommunikation
Die hat nicht stattgefunden. Im Ministerium hieß es kurz nach Kriegsbeginn: Noch nie war so klar, dass die Umstellung kommen muss und kommen wird. Ich habe gesagt, vielleicht ist das Ihnen und den Herstellern klar, aber dafür braucht es eine gute Kommunikation. Das Ministerium hat dann Briefe verschickt. Ich habe mich gefragt, wer soll die lesen? Fakt ist: Die Öffentlichkeit wurde mit ihrer Verunsicherung allein gelassen. Die Folge war, dass 2023 der Absatz von Ölkessel um 99 Prozent gestiegen ist. Vollsortimenter wie Viessmann oder Vaillant haben in drei Schichten Ölkessel produziert. Was für ein Irrsinn!
Sie hätten doch gegenhalten können – die Zunft der Experten, der Wissenschaftler. Warum haben sie es nicht getan?
Auf unseren Internetseiten haben sich zwei Millionen Leute über Heizungstechnologie informiert. Wir hatten jede Woche ein TV-Team hier im Institut. Aber wir waren eben leiser, nicht krawallig und ja, wir sind nicht immer durchgedrungen. Und dann kam noch die gewollte Verwirrung mit der Wasserstofftechnologie dazu.
Jedenfalls wurde mehrfach nachgebessert. Wie ist nun das Endergebnis aus Ihrer Sicht?
Die Gesetze wurden massiv verwässert. Die Kommunale Wärmeplanung kam noch dazu. Sie ist in der Sache richtig, aber verlängert natürlich den ganzen Prozess. Das motiviert alles nicht, schnell zu handeln. Auch der sogenannte Geschwindigkeitsbonus für Wärmepumpen , die bis 2027 eingebaut werden: Das ist doch keine Geschwindigkeit! Oder die Beratungspflicht durch Installateure – das ist oft leider eher ein Witz. Die raten im Zweifelsfall doch eher von einer Wärmepumpe ab.
Welche Rolle spielen überhaupt die Installateure? Man hat nicht den Eindruck, dass sie am Verbauen von Wärmepumpen wirklich interessiert sind.
Das stimmt nicht ganz. Heute sind nach Verbandsangaben 83 Prozent der Installateursbetriebe in der Lage, Wärmepumpen einzubauen. Vor drei Jahren waren es noch 20 Prozent. Die Hersteller bieten sehr offensiv Schulungen an, auch der VDI kümmert sich. Da passiert also durchaus was.
Tatsache ist: Im letzten Jahr wurden so viele Ölheizungen verbaut wie noch nie.
Auch das stimmt. Dafür gibt es drei Gründe. Der eine: Im Sanitärgewerbe gilt noch die Ausbildungsverordnung von vor über 20 Jahren. Das heißt, bis heute ist die Wärmepumpe nur ein winziger Teil des Curriculums, vielleicht ein Tag in drei Jahren. Der zweite: Die Fachverbände Elektro und Sanitär reden nicht immer miteinander.
Und der dritte Grund?
Viele Installateuren haben eine feste Vorstellung, wieviel eine Installation kosten muss. Das darf nicht so bleiben. Wenn mir ein Vertreter sagt, ein Endpreis von 30.000€ sei zu wenig, dann weißt du, die Branche ist immer noch in Goldgräberstimmung. Das darf nicht so bleiben. Ich habe mir vor acht Jahren eine qualitativ hochwertige Wärmepumpe einbauen lassen – für 20.000 Euro. Ohne Förderung. Ich sehe jedenfalls ein Potenzial bei den Preisen: Es geht auch deutlich günstiger.
Sie sind Forscher beim Fraunhofer-Institut. Sie arbeiten an leistungsfähigeren Wärmepumpen, neuen Kältemitteln und einer Optimierung des PV-Einsatzes in Verbindung mit Wärmepumpen. Bekommen Sie denn ausreichend Fördermittel?
Das BMBF hat angekündigt, uns die Gelder zu kürzen. Eine schwere Fehlentscheidung! Das wird die Situation nicht verbessern. Wenn wir für die Zukunft gerüstet sein wollen, müssen wir mehr investieren. Das ist nicht strategisch gedacht. Das wird den F+E-Bereich noch viel kosten.
Marek Miara, Gruppenleiter am Freiburger Fraunhofer-Institut für Solarsysteme ISE, forscht seit rund 20 Jahren zum Thema Wärmepumpen. Daneben überwacht er internationale EU-Projekte und -Aktivitäten und ist auch im VDI engagiert.