Interview
Erscheinungsdatum: 22. April 2024

Ex-NRW-Justizminister zu Cum-Ex: „Ein Untersuchungsausschuss ist notwendig“

Der CDU-Politiker Peter Biesenbach fordert Konsequenzen aus dem Abgang von Oberstaatsanwältin Anne Brorhilker, die zur NGO Finanzwende wechselt.

Oberstaatsanwältin Anne Brorhilker gibt auf. Wie bewerten Sie den Schritt?

Ich bedauere diese Entscheidung zutiefst. Das ist eine gegenwärtig noch nicht einzuschätzende Schwächung der Ermittlungsarbeit gegen die gesamte Cum-Ex-Industrie. Ich glaube auch nicht, dass sie das wirklich aus freien Stücken gemacht hat.

Sondern?

Für mich ist das ein Zeichen, dass ihr die Arbeit so schwer gemacht wurde, dass sie offensichtlich keinen anderen Weg mehr gesehen hat. Ich habe sie als leidenschaftliche Staatsanwältin kennengelernt. Sie hat den gesamten Cum-Ex-Bereich in NRW – und wir sind bundesweit die entscheidende Stelle bei dem Thema – aufgebaut. Sowas gibt man nicht ohne triftigen Grund auf.

Welche Bedeutung hatte sie für die Aufklärung?

Sie war nicht nur der Kopf der Ermittlungsarbeit, sondern auch der Motor. Sie hat dafür gesorgt, dass die Arbeit immer weiterging, auch wenn das Personal häufig wechselte. Sie kennt die gesamten Verflechtungen. Das alles wird jetzt aufgegeben – weil ihr die Unterstützung fehlt, wie sie ja selbst angedeutet hat.

Wie geht es jetzt weiter?

Es ist für mich der letzte Beweis, dass eine Aufklärung der gesamten Cum-Ex-Arbeit – und insbesondere ihrer Behinderung – durch einen Untersuchungsausschuss notwendig ist. Ich hoffe, der Landtag in Düsseldorf ist stark genug zu sagen: Wir wollen Aufklärung. Es kann nicht sein, dass die einen wegen kleiner Steuervergehen vor Gericht gezerrt werden und die anderen, die Millionen kriminell am Staat vorbei ergaunert haben, davonkommen.

Was muss dafür geschehen?

Nicht nur die Staatsanwaltschaft muss mit guten Leuten ausgestattet sein. Auch die Finanzbehörden und die Polizei brauchen ausreichend gutes Personal. Ich habe die Cum-Ex-Abteilung in der Staatsanwaltschaft während meiner Amtszeit von zweieinhalb auf knapp 40 Kräfte vergrößert. Ich habe aber auch gemerkt, dass in der Staatsanwaltschaft in Köln …

… Sitz der deutschlandweit einzigen Fachabteilung für Cum-Ex-Ermittlungen ...

... das Interesse nicht allzu groß war, das zu tun. Es gab permanent Reibereien. Inwieweit der gegenwärtige Justizminister hier steuert, ist die große Frage. Denn jetzt kann er die Schuld nicht mehr auf andere schieben. Er hat maßgeblich an diesem Zustand mitgewirkt und ist nun selbst in der Verantwortung. Das ist jetzt seine Situation und ich bin sehr gespannt, wie er damit umgeht.

Laut Frau Brorhilker war der Streit mit Justizminister Benjamin Limbach über einen möglichen Umbau der Abteilung nicht der Grund für den Abgang. Schließlich seien mehrere neue Stellen geschaffen worden.

Das ist nur der Versuch, keinen großen Streit mehr zu führen, sondern zu sagen: Ich habe damit abgeschlossen und gehe jetzt neue Wege. Wenn sie tatsächlich der Meinung wäre, dass die Staatsanwaltschaft gut aufgestellt ist, hätte sie nicht zu Finanzwende gehen müssen. Dann hätte sie sich auch von einer großen Anwaltskanzlei anwerben lassen können, denn dort hätte sie deutlich mehr Geld verdient. Das ist für mich das Signal, dass sie resigniert hat. Sie hatte keine Lust mehr, sich mobben zu lassen.

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Letzte Aktualisierung: 24. Juli 2025

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