Ohne Aussetzung der Schuldenbremse gibt es kein zusätzliches Geld für die Ukraine: Mit dieser Aussage hat Olaf Scholz die Union, die FDP und die Grünen gleichermaßen gegen sich aufgebracht. Und selbst aus den eigenen Reihen gibt es gemischte Signale. Scholz hatte im Interview mit den Westfälischen Nachrichten erklärt, im Bundeshaushalt 2025 gebe es eine Lücke von 26 Milliarden Euro. Selbst wenn man unterstelle, dass im Jahresverlauf erfahrungsgemäß nicht alles Geld ausgegeben werde, bleibe wohl eine Deckungslücke von mindestens 16 Milliarden Euro, sagte der Kanzler. „Wenn wir jetzt weitere drei Milliarden Euro für bilaterale Waffenhilfe für die Ukraine beschließen wollen, wäre das ein ungedeckter Scheck, der diese Lücke weiter vergrößert.“ Wenn der Bundestag für die Ukraine-Hilfe allerdings eine Ausnahme von der Schuldenbremse beschließe, „unterstütze ich das gerne“, erklärte Scholz.
Grüne, Union und FDP widersprechen dem Kanzler vehement. „Olaf Scholz erzählt Tünkram“, sagte Grünen-Haushälter Sven Kindler Table.Briefings. „Die Finanzierung von drei Milliarden Euro ist aus dem Bundeshaushalt möglich, ohne dass an einer anderen Stelle gekürzt werden muss.“ Zum einen sei davon auszugehen, dass im letzten Jahr deutlich weniger Geld aus der Rücklage entnommen wurde als geplant. Zum anderen zeige die Erfahrung, dass der Mittelabfluss bei vorläufiger Haushaltsführung schlechter sei als in normalen Jahren. „Dass der Kanzler so etwas behauptet, hat viel mit dem deutschen Wahlkampf und wenig mit dem konkreten Bundeshaushalt zu tun.“
Auch FDP-Haushälter Otto Fricke sieht kein Problem. Für die drei Milliarden Euro eine Notlage zu erklären, sei „weder notwendig noch verfassungsrechtlich begründbar“, sagte er. „Der Haushaltsausschuss kann die zusätzlichen Ausgaben kurzfristig freigeben“, erklärt Fricke. „Das ist politisches Tagesgeschäft und das weiß der Bundeskanzler, der vier Jahre Bundesfinanzminister war.“ CDU-Haushälter Ingo Gädechens sieht angesichts der vorläufigen Haushaltsführung ebenfalls „kein ernsthaftes Problem“, die drei Milliarden Euro zusammenzubekommen. Das Vorgehen des Kanzlers bezeichnete er als „menschlich unanständig“.
Selbst aus den eigenen Reihen erhält der Kanzler nur bedingt Rückendeckung. Das SPD-geführte Finanzministerium bestätigte auf Anfrage, dass das Ministerium notwendige Mehrausgaben mit Zustimmung des Finanzausschusses auch unter vorläufiger Haushaltsführung genehmigen könnte. SPD-Haushälter Andreas Schwarz hält den von Scholz geforderten Notlagen-Kredit zwar für die „sauberste Lösung“, signalisiert aber im Gespräch mit Table.Briefings zugleich Kompromissbereitschaft. „Unsere Aufgabe muss sein, schnell eine Lösung hinzubekommen.“ Technisch möglich sei mit der Formulierung, „ist über Einsparungen im Haushalt sicherzustellen“, eine außerplanmäßige Ausgabe, womit die Entscheidung aber vertagt und der Folgeregierung die Einsparungen überlassen würden. Union und FDP müssten darum benennen, wo sie einsparen wollen. Äußere Sicherheit werde mit der SPD „nicht gegen soziale Sicherheit ausgespielt“, so Schwarz.
Von dem Geld soll vor allem Luftverteidigung beschafft werden. Dazu gehören drei weitere Iris-T-Flugabwehrbatterien mit Munition, Patriot-Lenkflugkörper, zehn Radhaubitzen, Skyranger-Flugabwehrsysteme sowie Artilleriemunition. „Die Menschen brauchen jetzt wirksamen Schutz gegen die brutalen Bombardements Putins“, sagt Kindler. In SPD-Regierungskreisen wird dagegen argumentiert, die behauptete finanzielle Notlage der Ukraine bestehe nicht. Zusätzliche Waffen könnten aus dem 50-Milliarden-Dollar-Kredit, den die G7-Staaten und die EU unter Nutzung der Erträge aus eingefrorenem russischem Auslandsvermögen aufgelegt hatten, finanziert werden; zudem sei ein Teil der Waffen kurzfristig gar nicht lieferbar. Welche Erwartungen der ukrainische Botschafter Oleksii Makeiev an Deutschland hat, lesen Sie im Security.Table.