Analyse
Erscheinungsdatum: 01. Juni 2025

Zukunft von Stadt und Land: Was Bund und Kommunen tun können

Viel ist in den vergangenen Jahren vom „Innenstadtsterben“ die Rede. Fachleute haben Tipps für eine bessere Stadtentwicklung – und auch Ideen für den ländlichen Raum.

Städtebau- und Wirtschaftsförderung sowie Verkehrs- und Gesundheitsplanung sollten zusammengedacht werden: Das ist eine zentrale Erkenntnis aus zwei neuen Publikationen: Für die eine hat das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) acht Studien zum Thema ausgewertet. In der anderen hat der Beirat für Raumentwicklung beim Bauministerium eine Zusammenstellung seiner Empfehlungen und Stellungnahmen aus der vergangenen Legislaturperiode veröffentlicht.

Die Fachleute sind sich einig: Raumentwicklung, also die Planung rund um Stadt und Land, sollte nicht nur als Thema des Bauministeriums gesehen werden. Ein Beispiel: Als zentrales Hemmnis gelten die hohen Kauf- und Mietpreise für Immobilien in Innenstädten. Hier gebe es Steuerungsmöglichkeiten wie die Abschöpfung von Bodenwert-Steigerungen, dafür müsste aber das Finanz- und Steuerrecht geändert werden – ergo käme das Finanzministerium ins Spiel. Das Landwirtschaftsministerium, das jetzt auch die „Heimat“-Thematik aus dem BMI übertragen bekommen hat, ist zudem für den ländlichen Raum zuständig. Den 2024 erstmals erschienenen Bericht zu den offiziell noch immer angestrebten „gleichwertigen Lebensverhältnissen“ überall im Land wiederum hat das Wirtschaftsministerium herausgegeben. Der Beirat regt „nachdrücklich“ an, den nächsten Bericht ressortübergreifend zu erarbeiten.

Behörden sollten das Thema auch im wörtlichen Sinn grenzüberschreitend angehen, so die Autoren: Infrastruktur, Umweltschutz sowie Klimaanpassung – etwa Hochwasserschutz – seien oft Aufgaben, die Nachbarländer genauso betreffen und daher mit ihnen zusammen bearbeitet werden sollten. Konkret nennen sie unter anderem das Dreiländereck um Basel sowie den Raum Vorpommern/Stettin. Partnerschaften brauche es auch zwischen Stadt und Land innerhalb Deutschlands, um Bauen, Energie, Landwirtschaft, Ernährung und Wasser im Rahmen einer Kreislaufwirtschaft zusammenzudenken. Dazu könnte den Expertinnen und Experten nach auch eine „Denkoffensive“ zum Thema Suffizienz gehören, das etwa in Frankreich schon fest in der fachlichen Debatte verankert ist. Hier geht es kurz gesagt um die Frage: Wie viel ist genug?

Außerdem solle der Bund „noch konsequenter auf eine integrierte, CO₂ -mindernde Siedlungs- und Verkehrsentwicklung hinwirken“ und prüfen, ob er in dem Kontext stärkere Anreize für die Kommunen schaffen kann. Idealerweise würden neue Wohn- und Gewerbegebiete dann an solchen Standorten entstehen, die gut zu Fuß, mit dem Fahrrad oder dem ÖPNV erreichbar sind. Ziel sollte sein, „zu weniger motorisiertem Individualverkehr sowie zu weniger Kfz insgesamt zu gelangen“, heißt es. Darüber hinaus sei „die Siedlungstätigkeit (...) zukünftig konsequenter auf die Haltepunkte des regionalen und kommunalen Schienenverkehrs auszurichten“. Regelungen dazu würden bisher vielfach nur „Soll-Ziele“ beinhalten und könnten dementsprechend verschärft werden.

Zur Beschleunigung von Prozessen regen die Fachleute an, Digitalisierung und KI „mit hoher Priorität“ zu nutzen. Darüber hinaus brauche es „standardisierte Basis-Kriterienkataloge zur Analyse von Raumwiderständen für unterschiedliche Vorhabentypen“. Mit „Raumwiderstand“ ist alles gemeint, was einem Bauprojekt im Wege stehen könnte – zum Beispiel Natur- beziehungsweise Wasserschutzgebiete sowie steile Hänge und felsige Böden, aber auch Industriegebiete oder Wohnsiedlungen.

Was aus fachlicher Sicht des Weiteren helfen würde, damit Planung und Umsetzung von Projekten schneller gehen: die Übertragung der Zuständigkeit für überregionale Projekte auf das Bauministerium. Bei Planungen „mit bundesweiter Bedeutung“ sollten die regional zuständigen Planungsträger zudem verpflichtet werden, sich frühzeitig mit dem Bund abzustimmen. Außerdem solle sich der Bund dafür einsetzen, dass in den (Groß-) Stadtregionen „steuerungs- und handlungsfähige [Regionalverbände] für die integrierte Siedlungs-, Verkehrs- und Freiraumentwicklung sowie für die Umsetzung der Flächensparziele zuständig sind“. Laut Umweltministerium werden derzeit täglich 55 Hektar neu als Siedlungsflächen und Verkehrsflächen ausgewiesen. Zuletzt strebte die Bundesregierung an, bis 2030 auf unter 30 Hektar und bis 2050 durch „Flächenkreislaufwirtschaft“ auf eine Netto-Null zu kommen.

Auch die Kommunen selbst sehen die Experten in der Pflicht. Als wichtigen Hebel sehen sie eine stärkere Nutzung des kommunalen Vorkaufsrechts nach den §§ 24 und 25 BauGB. Dabei geht es beispielsweise um den von bestimmten Voraussetzungen abhängigen Erstzugriff auf unbebaute oder brachliegende Grundstücke. Das sogenannte allgemeine Vorkaufsrecht darf nur ausgeübt werden, „wenn das Wohl der Allgemeinheit dies rechtfertigt“ – ausdrücklich als möglicher Grund genannt wird dabei „insbesondere die Deckung eines Wohnbedarfs in der Gemeinde“. Mit dem von der Bundesregierung geplanten „Gesetz zur Beschleunigung des Wohnungsbaus und zur Wohnraumsicherung“ sollen die für einen Teil der Vorkaufsrechte maßgeblichen Regelungen zur Bestimmung von „Gebieten mit einem angespannten Wohnungsmarkt“ bis 2031 verlängert werden. Sonst würden sie Ende 2026 auslaufen.

Angeraten wird Städten und Gemeinden auch der verstärkte Rückgriff auf das Erbbaurecht. Statt ein Grundstück zu verkaufen, würde die Kommune hierbei nur das Nutzungsrecht vergeben und selbst Eigentümerin bleiben. Der Nutzer dürfte die Fläche bebauen, müsste aber eine regelmäßige Pacht („Erbbauzins“) zahlen. Im Vertrag könnten ihm Vorgaben zur Nutzung – bezahlbare Wohnungen, Kita-Plätze oder Ähnliches – gemacht werden, zudem würde Bodenspekulation vermieden. Laut einem vom Berliner Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg mit der Umsetzung einer „Lokalbau-Strategie“ beauftragten Unternehmen refinanziert sich der Grundstückpreis nach durchschnittlich 30 Jahren.

Zur besseren Mobilisierung von Flächen schlägt der Beirat für Raumentwicklung die verpflichtende Einrichtung von „Baulandpotenzialflächenkatastern“ sowie Bodenfonds vor. In solche Fonds würden Kommunen unter anderem Erlöse aus Erbbaurechten einzahlen, um Geld für den Kauf von Grundstücken zu sammeln. Zur Beratung von Städten und Gemeinden in diesen und anderen Fragen sollte die 2014 gestartete Kleinstadtakademie eingebunden werden, schreiben sie. Die im brandenburgischen Wittenberge angesiedelte Einrichtung lädt Ende Juni zum ersten „Kleinstadtkongress“.

Ein grundlegendes Problem aber bleibt bundesweit: Gerade in größeren Städten ist in vielen Fällen gar nicht klar, wem Boden und Gebäude an relevanten Stellen eigentlich gehören. „Persönliche Ansprechpartner sind aufgrund datenschutzrechtlicher Vorgaben schwer oder gar nicht zu identifizieren“, heißt es in einem der Papiere. Häufig handle es sich um „institutionelle, international tätige Eigentümerinnen und Eigentümer, die sich mit den lokalspezifischen Weiterentwicklungsmöglichkeiten ihrer Immobilie wenig oder gar nicht beschäftigen.“

Letzte Aktualisierung: 24. Juli 2025
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