Analyse
Erscheinungsdatum: 15. Januar 2023

„Wir zahlen nicht“ – Initiative will Stromrechnungen boykottieren

(Foto: IMAGO / Westlight)
Eine neue Aktionsgruppe will eine Million Menschen hinter sich versammeln. Vorbild ist Großbritannien. Das Ziel: eigenmächtig Stromrechnungen deckeln und notfalls die Zahlungen vollständig einstellen.

„Wir zahlen nicht“: Das sind Name und Motto einer neuen Bewegung, die sich vor wenigen Tagen nach dem Vorbild der britischen Aktion „Don't Pay UK“ gebildet hat. Aus Protest gegen die gestiegenen Strompreise will sie eine Million Menschen versammeln, die ihre monatliche Abschlagszahlung zunächst eigenmächtig bei 15 Cent pro Kilowattstunden deckelt. Wenn die Forderungen nicht erfüllt werden, will die Initiative die Rechnungen vollständig boykottieren. Neben einer Vergesellschaftung der Energieversorgung verlangt sie einen dauerhaften Strompreis von 15 Cent/kWh sowie „100 Prozent erneuerbare und dezentrale Energie“.

Zudem tritt sie für ein Verbot von Stromsperren ein. Nicht erst seit dem vergangenen Jahr haben viele Verbraucher in Deutschland Schwierigkeiten, ihre Rechnungen zu zahlen. Laut Bundesnetzagentur kam es 2021 in gut 230.000 Fällen zu Sperrungen – immer dann, wenn der Haushalt zwei Monatsabschläge und mindestens 100 Euro in Verzug ist. Ist kein fester Abschlag vereinbart, muss der Verbraucher mindestens ein Sechstel des voraussichtlichen Jahresbetrags im Rückstand sein. Nicht zulässig ist eine Sperre, wenn sie „unverhältnismäßig“ ist.

Die Bundesregierung hat bereits reagiert. Im Rahmen der Strompreisbremse wurde es Verbrauchern erleichtert, mit ihrem Versorger eine sogenannte Abwendungsvereinbarung – etwa über eine Ratenzahlung – zu schließen. Anders als zuvor müssen die Stromanbieter die Kunden schon bei Ankündigung einer Sperre über diese Möglichkeit informieren. Bei Rückständen in Höhe von mehr als 300 Euro haben die Verbraucher künftig zudem bis zu zwei Jahren Zeit, diese abzubezahlen. „Ein großes Problem war auch, dass bisher bei Zahlungsverzug häufig eine Vorauszahlung verlangt wurde und hierzu Prepaidzähler installiert wurden “, schreibt das Wirtschaftsministerium in seinen FAQ zur Strompreisbremse.

War der Betrag aufgebraucht, ging automatisch das Licht aus.Das soll sich ändern. Bis April 2024 sollen zusätzlich zwei befristete Regelungen gelten : eine mögliche Aussetzung der monatlichen Zahlungen für bis zu drei Raten sowie überhaupt die Option von Abwendungsvereinbarungen für Haushalte außerhalb der Grundversorgung. Der neuen Streikinitiative reicht das nicht. Am Dienstagabend findet deshalb eine Auftaktveranstaltung in Berlin statt, an der auch Gruppen teilnehmen, mit denen sich „Wir zahlen nicht“ verbünden will.

Vertreten sein wird auch das britische Vorbild. Die Bewegung „Don't Pay UK“ hat bereits mehr als 250.000 Menschen in Großbritannien mobilisiert, die sich bereit erklärt haben, vom 1. Dezember 2022 an ihre Rechnungen nicht mehr zu begleichen. Sie organisierte außerdem Protestaktionen zum Beispiel in Einkaufszentren, von fossilen Konzernen gesponserten Museen sowie den Zentralen von Energieunternehmen.

Das deutsche Pendant ist noch lange nicht so weit.„Wir zahlen nicht“ plant ebenfalls Veranstaltungen und Lokalgruppen im ganzen Land. Im Einzelfall wollen die Boykotteure zudem von ihrem Plan abweichen. Je nach Größe einer Stadt und Zahl der Streikwilligen sei vorstellbar, dass sie auch bei weniger als einer Million Unterstützern Zahlungen boykottieren, heißt es. Der Weg dürfte lang sein: Bisher haben sich landesweit rund 3000 Menschen gemeldet.

Letzte Aktualisierung: 24. Juli 2025
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