Sie gilt inzwischen als Allzweckwaffe der SPD. Bärbel Bas, 56 Jahre alt, direkt gewählt im Wahlkreis Duisburg und zuletzt fast dreieinhalb Jahre lang Bundestagspräsidentin. Die Aufgabe hat sie nahezu geräuschlos und mit dem ihr eigenen Charme absolviert – und schon kommt sie, ohne dass sie sich auffällig danach gedrängt hätte, für weitere wichtige Jobs infrage. Seit Wochen gilt sie, sollte die SPD Teil der Regierung werden, als quasi sichere Ressortchefin. Für das Sozialministerium wird sie gehandelt, vor allem aber für das Gesundheitsressort, weil sie lange bei einer Krankenkasse gearbeitet hat und zwölf Jahre im Gesundheitsausschuss saß. Ärzte-, Krankenhaus- und Pharmafunktionäre schätzen sie, weil sie bei unterschiedlichen Interessen stets konstruktiv um Lösungen bemüht war.
Es könnten sich aber auch ganz andere Herausforderungen ergeben. Sollte Saskia Esken beim Bundesparteitag Ende Juni als Co-Parteichefin nicht mehr antreten und es weiter eine Doppelspitze geben, dann wäre die 65-Jährige auch dafür eine valide Kandidatin; jedenfalls dann, wenn Anke Rehlinger bei ihrem Nein zu einer Kandidatur bleiben sollte. Auf Bas käme ein Großteil der Parteiarbeit zu, insbesondere dann, wenn Lars Klingbeil Co-Vorsitzender bleiben sollte. An Aufgaben steht da eine Menge an: die schwierige Suche nach der sozialdemokratischen Identität, ein neues Programm, eine neue Parteistruktur – und natürlich die solidarisch-kritische Begleitung des Regierungsgeschäfts.
Und dann ist da noch die Frage nach der neuen Fraktionsspitze. Ob Einzel- oder Doppelspitze – auch dort fällt ihr Name, sofern Klingbeil ins Kabinett wechselt. Auf den Posten schielen ebenso Hubertus Heil und Matthias Miersch. Doch lauter niedersächsische Männer auf den spielentscheidenden Posten werden die übrigen Landesverbände und die Fraktion kaum widerstandslos hinnehmen. Im selbstbewussten NRW-Landesverband, dem immer noch mit Abstand mitgliederstärksten, hat das Gegrummel über die niedersächsische Dominanz längst begonnen.
Es könnte, bisher kaum beachtet, freilich noch etwas ganz anderes passieren. Denn auch die NRW-Landespartei muss sich neu sortieren. Am 10. Mai ist Landesparteitag in Duisburg, wo gleich mehrere Fragen zu klären sind: Lässt sich die alte Landesspitze mit Achim Post und Sarah Philipp im Amt bestätigen oder machen die beiden Platz für einen Kandidaten, der oder die dann auch 2027 Hendrik Wüst herausfordert? Und wer käme dafür infrage? Noch hat sich Post, auch Parteivize im Bund, nicht geäußert. Zur Bundestagswahl ist er aber nicht mehr angetreten. Fraktionschef Jochen Ott ist einer der Namen, die gehandelt werden – aber eben auch Bärbel Bas.
Das Dilemma der SPD ist dabei offenkundig : Das Bundeskabinett wird mutmaßlich Ende April, womöglich erst Anfang Mai benannt sein. In der NRW-Landespartei brauchen sie aber vorher Klarheit, um gerüstet in den Parteitag zu gehen. Zumal im September in NRW Kommunalwahlen anstehen. Nicht zuletzt dafür soll vom Duisburger Parteitag ein Signal des Aufbruchs ausgehen. Noch sind die Würfel nicht gefallen. Aber sicher ist, dass Bas nicht nur die Optionen für sich gut abwägt, sondern auch von Verhandlungsführer und Parteichef Klingbeil sehr konkrete Hinweise erwartet.