Analyse
Erscheinungsdatum: 31. Oktober 2024

Welche Swing States entscheidend sind – und wie sie sich positionieren

Millionen Menschen werden am Dienstag einen neuen Präsidenten in den USA wählen, entschieden wird die Abstimmung aber in den Swing States. Welche der 50 US-Bundesstaaten entscheidend sind und wie sie sich bisher positionieren, hat US-Korrespondent Julian Heissler aufgeschrieben. Ein Überblick.

Am Dienstag werden 160 Millionen Amerikaner den nächsten Präsidenten der USA wählen. Doch aufgrund des Wahlsystems werden schlussendlich wohl weniger als 100.000 Menschen verteilt über einer Handvoll Swing States darüber entscheiden, ob am 20. Januar Kamala Harris oder Donald Trump ins Oval Office einziehen. Wie sieht es also aus in diesen entscheidenden Bundesstaaten?

Der Keystone State Pennsylvania dürfte in diesem Jahr der wichtigste Bundesstaat sein. Kein anderer Swing State verfügt über mehr Stimmen im Electoral College (19), in kaum einem anderen sind die Umfragen knapper. Laut Datenanalysewebsite 538 liegt Trump derzeit hauchdünn vor Harris, wenn man aus den aktuellsten Wählerbefragungen einen Mittelwert bildet – allerdings nur mit 0,3 Prozentpunkten.

Knappe Rennen sind in Pennsylvania gleichwohl nicht die Ausnahme, sondern die Regel. In dem Staat befinden sich einerseits mehrere zu den Demokraten tendieren Großstädte und ihre Vororte, andererseits aber auch viele ländliche Landkreise, die bis heute mit den Auswirkungen des Abstiegs der Schwerindustrie zu kämpfen haben. Hier dominieren konservative Wähler, und damit die Republikaner. Pennsylvania sei „Philadelphia und Pittsburgh – und dazwischen Alabama“, hatte Bill Clintons ehemaliger Wahlkampfleiter James Carville einmal geurteilt.

Daran hat sich bis heute wenig verändert. Angesichts dieser fast gleich großen politischen Lager können kleinste Bewegungen den Ausschlag geben. Und Umfragen zufolge tut Harris sich damit schwer, in traditionell demokratischen Wählerschichten wie bei schwarzen Männern so gut abzuschneiden wie Kandidaten vor ihr. Ihre Kampagne versucht dies mit Zugewinnen in den Suburbs auszugleichen. Trump wiederum scheint seine Basis fest im Griff zu haben.

Über viele Jahre hatte der Peach State Georgia auf einer Liste mit Swing States nichts verloren. Der Südstaat war fest in republikanischer Hand, bevor Joe Biden ihn und seine 16 Stimmen im Electoral College vor vier Jahren denkbar knapp für die Demokraten gewann. Es war das erste Mal seit 1992, dass seine Partei hier eine Mehrheit holte. Doch in den vergangenen Jahren ist viel passiert.

Kein Swing State verfügt über einen größeren Schwarzen Bevölkerungsanteil als Georgia. Er liegt bei mehr als 30 Prozent. Über die vergangenen Jahre haben die Demokraten hart daran gearbeitet, in diesem Bevölkerungssegment neue Wähler zu rekrutieren. Hinzu kommt, dass sich die Vorstädte der Metropole Atlanta zunehmend von der GOP (Grand Old PartyRepublikaner) entfernen – oder zumindest von Trumps MAGA-Bewegung. So konnte es den Demokraten gelingen, hier 2020 zu gewinnen und auch beide Senatssitze des Bundesstaats zu erobern.

Doch die republikanische Infrastruktur des Staates ist weiterhin formidabel. Die Partei stellt den Gouverneur, kann sich auf eine tiefe Verankerung bis weit in die Suburbs hinein stützen, während die Demokraten erst noch beweisen müssen, dass ihre neue Koalition langfristig trägt. Derzeit sieht es nicht so aus. Im aktuellen Durchschnitt der Umfragen führt Trump mit 1,7 Prozentpunkten vor Harris.

Auch der Tar Heel State North Carolina ist für die Demokraten kein leichtes Territorium. In diesem Jahrtausend gewannen sie hier lediglich einmal: 2008, als Demokrat Barack Obama antrat. Doch die Umfragen sind immer knapp – und die Trends weisen langfristig in ihre Richtung.

Denn North Carolina, im Electoral College ebenfalls 16 Stimmen wert, boomt. Um die Hauptstadt Raleigh herum siedeln sich zunehmend Unternehmen aus dem Hochtechnologiebereich an. Und mit den Jobs kommen neue Bewohner, viele von ihnen gut ausgebildet und damit tendenziell eher den Demokraten zugewandt. Hinzu kommt, dass die GOP für die parallel zur Präsidentschaftswahl stattfindende Gouverneurswahl einen extremen, mit Skandalen behafteten Kandidaten nominiert hat, der ihre Chancen am Wahltag weiter schmälern könnte. Trotzdem wird es knapp. Und in aktuellen Umfragen liegt weiterhin Trump mit 1,1 Prozentpunkten vorne.

Der Wolverine State Michigan war ebenfalls lange Zeit kein Swing State. Bevor Donald Trump hier 2016 überraschend gewann, hatte kein Republikaner seit den 1980ern die 15 Stimmen des Staats im Electoral College gewonnen. Michigan war mit seiner Mischung aus Industriearbeitern und einer großen Zahl an Minderheitenwählern in Großstädten wie Detroit eine sichere Bank für die Demokraten. Doch mit dem Abstieg der Schwerindustrie lockerte sich auch der Griff der Partei. Heute liegt Harris in den Umfragen noch vorne, mit 0,8 Prozentpunkten allerdings nur knapp.

Ein Grund für die Unsicherheit: Die Zukunft der Automobilindustrie. Unter Joe Biden haben die Demokraten viel Geld an Anreizen zur Verfügung gestellt, um die amerikanische Pkw-Flotte zu elektrifizieren. Das hat unter vielen Arbeitern Unruhe ausgelöst. Sie sorgen sich um ihre Jobs, sehen aber gleichzeitig, dass viel frisches Geld in ihre Regionen fließt, um etwa Fabriken zu modernisieren. Am Ende wird entscheidend sein, ob sich die Hoffnung oder die Angst durchsetzt.

In keinem anderen Swing State sieht es besser für Trump aus als in Arizona. In den Umfragen führt er mit 2,1 Prozentpunkten Vorsprung. Die elf Stimmen im Electoral College scheinen für den Ex-Präsidenten also in Reichweite.

Für den Grand Canyon State wäre dies eine Rückkehr zur Normalität. Bidens Wahlsieg hier vor vier Jahren fiel denkbar knapp aus. Er war der erste Demokrat seit 1996, der den Staat gewann. Eine Wiederholung durch Harris könnte daran scheitern, dass sie auch hier unter traditionellen Stammwählern schwächelt. Umfragen legen nahe, dass sie etwa bei männlichen Latinos weniger hoch gewinnen könnte als Biden. Und Latinos stellen rund ein Drittel der Bevölkerung Arizona.

Wahlen im Badger State Wisconsin fallen traditionell knapp aus. Der Staat im oberen Mittleren Westen ist vor allem ländlich geprägt, verfügt mit der Hauptstadt Madison, Heimat der University of Wisconsin, und der Großstadt Milwaukee aber auch über zwei demokratische Hochburgen. Aufgrund dieser Mischung reicht es deshalb traditionell nicht, hier lediglich seine Basis an die Urnen zu bringen, um die zehn Stimmen des Staats im Electoral College zu gewinnen. Hier kommt es auf Organisation an.

Den aktuellen Umfragen zufolge haben dabei die Demokraten derzeit die Nase vorn. Harris führt mit 0,4 Prozentpunkten. Nicht viel, aber das ist nicht ungewöhnlich. Trump gewann hier 2016 mit gut 23.000 Stimmen Vorsprung, Biden 2020 mit rund 20.000 Stimmen.

Der Silver State Nevada ist für die Republikaner in etwa das, was North Carolina für die Demokraten ist: meist knapp, aber selten wirklich in Reichweite. Seit George W. Bush hat kein GOP-Kandidat hier mehr gewonnen. Doch sicher sollte sich Harris der sechs Stimmen im Electoral College nicht sein. In Umfragen liegt sie nur mit 0,1 Prozentpunkten vorne.

Nevada wurde lange von der politischen Maschine des ehemaligen demokratischen Mehrheitsführers im Senat, Harry Reid, dominiert. Sie sorgte dafür, dass die gewerkschaftlich organisierten Arbeitskräfte aus den Hotels und Casinos in Las Vegas und Reno an die Urnen strömten und so die Republikaner auf Abstand hielten. Doch diese Dynamik verschiebt sich gerade. Trumps gestiegene Unterstützung unter Latinos droht die Dominanz der Demokraten in dem Staat zu brechen.

Letzte Aktualisierung: 24. Juli 2025
Teilen
Kopiert!