Analyse
Erscheinungsdatum: 05. Februar 2023

Warum ein Parteiausschluss heikel ist

Hans-Georg Maaßen stellt sich dem CDU-Kreisverband und der Jungen Union Schmalkalden-Meiningen vor. Die CDU in Südthüringen mit den vier Thüringer Kreisverbänden Suhl, Schmalkalden-Meiningen, Hildburghausen und Sonneberg will den ehemaligen Verfassungsschutzpräsident Maaßen für die Bundestagswahl nominieren. (Bild: IMAGO/ari)
Nach dem Entschluss des Parteipräsidiums stehen alle Zeichen auf ein Parteiausschlussverfahren von Hans-Georg Maaßen. Warum das der Anfang eines langwierigen Prozesses sein könnte und was einen Parteiausschluss juristisch so schwierig macht.

Um zwölf Uhr mittags lief am Sonntag die Frist für Hans-Georg Maaßen ab, die ihm das CDU-Präsidium gesetzt hatte. Sollte die Partei gehofft haben, der frühere Verfassungsschutz-Präsident und Vorsitzende der Werteunion werde sie freiwillig verlassen, wurde sie enttäuscht. Maaßen scheint es auf ein Parteiordnungsverfahren ankommen zu lassen, das die CDU nun einleiten möchte. Am Ende soll nach dem Wunsch des Vorstands der Ausschluss Maaßens stehen. Doch das könnte sich als langwierig erweisen.

Dem 60-jährigen Juristen wird vorgeworfen, sich mit Verschwörungstheorien sowie rassistischen und tendenziell antisemitischen Äußerungen rechtsaußen zu positionieren. Zuletzt hatte Maaßen auf Twitter behauptet, die Stoßrichtung der „treibenden Kräfte im politisch-medialen Raum“ sei ein „eliminatorischer Rassismus gegen Weiße“. Außerdem sprach er in einem Interview von einer „grün-roten Rassenlehre, nach der Weiße als minderwertige Rasse angesehen werden und man deshalb arabische und afrikanische Männer ins Land holen müsse“. Damit wollte er offenbar auf die Verschwörungstheorie von einem angeblich von Eliten betriebenen großen Bevölkerungsaustausch anspielen. CDU-Chef Friedrich Merz sagte daraufhin über Maaßen: „Das Maß ist voll.“

Juristisch sind Parteiausschlüsse kompliziert, weil Parteien eine Zwischenstellung zwischen Staat und Gesellschaft einnehmen. Bei ihnen treffen zwei Prinzipien des Grundgesetzes aufeinander: die Parteienfreiheit, wonach die Gründung und Betätigung politischer Parteien frei von staatlichen Eingriffen erfolgt; und das Gebot innerparteilicher Demokratie, wodurch verhindert werden soll, dass Parteiführungen kritische oder sonst missliebige Mitglieder rauswerfen. Im Grundsatz sind beide Prinzipien in Artikel 21 des Grundgesetzes geregelt. Ausgeführt werden sie im Parteiengesetz, das wiederum durch die Satzungen der einzelnen Parteien konkretisiert wird.

Nach Paragraf 10 Absatz IV Parteiengesetz kann ein Mitglied ausgeschlossen werden, „wenn es vorsätzlich gegen die Satzung oder erheblich gegen Grundsätze oder Ordnung der Partei verstößt und ihr damit schweren Schaden zufügt “. Darüber urteilt das zuständige Schiedsgericht der Partei. Gemäß § 11 Nummer 1 der CDU-Parteigerichtsordnung ist dies hier das gemeinsame Parteigericht der thüringischen Kreisverbände in Erfurt.

Dieses Gericht muss prüfen, ob Maaßen erheblich gegen Grundsätze und Ordnung der CDU verstoßen hat. Kommt es zu dem Ergebnis, dass er sich immer wieder rassistisch, völkisch, antisemitisch und verschwörungstheoretisch äußert, dürfte es dies bejahen. Sodann hat es zu beurteilen, ob der CDU schwerer Schaden entstanden ist. Dabei geht es in der Regel nicht um materiellen, sondern politischen Schaden, also um Ansehen, Glaubwürdigkeit und Zustimmung bei den Wählern.

Die CDU betrachtet sich als Volkspartei, die christliche, konservative und bürgerlich-liberale Wähler vertritt. Sie steht für die pluralistische, rechtsstaatliche, den Menschenrechten verpflichtete, europafreundliche Demokratie ein, wie sie das Grundgesetz festschreibt. Daher grenzt sich die CDU gegen extremistische, rassistische, antisemitische und nationalistische Kräfte ab. Dies will sie etwa dadurch bewirken, dass sie eine Zusammenarbeit mit der AfD ablehnt.

Prominente Mitglieder, die hartnäckig gegen diese Grundsätze verstoßen, schädigen das Ansehen der CDU schwer. Lässt sie die Partei gewähren, büßt sie Glaubwürdigkeit ein. Dies kann zum Verlust vieler Wählerstimmen führen. Befindet das Schiedsgericht in Erfurt, dass dies bei Maaßen zutrifft, kann es ihn aus der CDU ausschließen. Maaßen könnte dagegen ein Partei-Berufungsgericht anrufen. Bestätigt dieses einen Parteiausschluss, könnte er dagegen vor den Zivilgerichten klagen.

Die Zivilgerichte müssen die besondere Stellung der Parteien im Grundgesetz berücksichtigen. Sie würden im Fall Maaßen zwar prüfen, ob die CDU-Schiedsgerichte den Sachverhalt richtig ermittelt haben, also etwa, ob Maaßen die ihm nachgesagten Aussagen tatsächlich gemacht hat. Bei der Frage, ob ein erheblicher Verstoß gegen die Grundsätze und ein schwerer Schaden für die CDU entstanden ist, haben die Parteigerichte dagegen einen großen Beurteilungsspielraum. Die Zivilgerichte kontrollieren nur, ob Willkür oder offensichtliche Unbilligkeit vorliegt. Angesichts etlicher extremer Äußerungen Hans-Georg Maaßens dürfte die CDU-Führung mit einigem Grund davon ausgehen, dass ein Parteiausschluss am Ende Erfolg haben wird.

Leicht fällt den Christdemokraten Maaßens Ausschluss dennoch nicht. Damit stehen sie nicht allein. Die etablierten Parteien scheuen vor der schärfsten Sanktion häufig zurück, die ihnen zur Verfügung steht. Zum einen, weil das Recht hohe Voraussetzungen stellt, die zunächst von Parteigerichten und dann von ordentlichen Gerichten überprüfbar sind, was zu quälend langen Verfahren führen kann. So versuchte die SPD seit 2010, Thilo Sarrazin loszuwerden. Erfolg hatte sie erst zehn Jahre später. Im Fall des Ex-Kanzlers und Ex-SPD-Chefs Gerhard Schröder lehnte es ein Schiedsgericht der Sozialdemokraten vergangenes Jahr ab, den Putin-Freund zu sanktionieren.

Zum anderen sind solche Ordnungsverfahren für Parteien politisch unangenehm. Sie können den Eindruck der Zerstrittenheit erwecken. Sie zwingen zu Festlegungen, die Mitglieder vergraulen könnten, im Falle Maaßen etwa rechtskonservative CDU-Mitglieder in dessen Heimatverband Thüringen. Und sie verschaffen dem zu Maßregelnden eine Aufmerksamkeit, auf die es Menschen wie Maaßen womöglich gerade anlegen. Am Ende könnten die Verfahren ihnen nutzen und der Partei schaden.

Daher hat die CDU lange abgewartet. Durch die neuen Aussagen des Ex-Verfassungsschützers sieht sie sich nun zum Handeln gezwungen. Denn, so der CDU-Generalsekretär in Thüringen Christian Herrgott: „Die Sprache von Antisemiten und Verschwörungsideologen hat keinen Platz in unserer Mitte.“ Falls Maaßen nicht doch noch selbst geht, müssen jetzt die Gerichte entscheiden.

Letzte Aktualisierung: 24. Juli 2025
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