Dass dies kein Heimspiel für Wolfgang Schmidt würde, war von Anfang an klar. Am Mittwochabend war der Kanzleramtsminister ins Berliner Kino Urania gekommen, um mit dem Zeit-Journalisten Bernd Ulrich und der Historikerin Hedwig Richter zu diskutieren – offiziell über deren Buch „Demokratie und Revolution“, faktisch aber vor allem über die Klimapolitik der Bundesregierung. Seine Aussage, dass die SPD „die Klimaschutzpartei“ sei, sorgte im Publikum für große Heiterkeit. Doch Schmidt meinte es völlig ernst. Die Sozialdemokraten sorgten dafür, „dass Klimaschutz tatsächlich Realität wird“, erklärte er – und dass er im Laufe des Abends dafür sorgen wolle, „dass hinterher nicht mehr ganz so viele lachen“.
Wirklich überzeugen konnte Schmidt seine Mit-Diskutanten allerdings nicht. Betonte er, wie weit die Ampel die Lücke beim Klimaziel für 2030 im Vergleich zur Vorgängerregierung geschlossen hat, hielt Ulrich ihm vor, dass das Ziel aber trotzdem noch nicht erreicht werde. Auf die Aussage, die Regierung mache „so viel wie noch nie jemand, um die Klimaschutzziele zu erreichen“, antwortete Moderator Jonas Schaible, es sei aber trotzdem nicht genug, um die Pariser Klimaziele einzuhalten. Und zum Gebäudeenergiegesetz, das aus Sicht von Schmidt in Kombination mit den Förder-Milliarden für neue Heizungen und der kommunalen Wärmeplanung einen großen Fortschritt bedeute, erwiderte Richter, es sei im Vergleich zum ursprünglichen Entwurf aber stark abgeschwächt worden.
Aus Sicht des Kanzleramtsministers ist allerdings genau diese Haltung der Klimabewegung Teil des Problems. „Es gehört zur Demokratie, dass wir politische Mehrheiten brauchen“, sagte er. Und es sei die gemeinsame Aufgabe aller, die mehr Klimaschutz wollen, „für solche Mehrheiten zu werben“. Im politischen Alltag erlebe er das aber nicht. „Ganz viele stehen schlecht gelaunt an der Seite und sagen: Das reicht alles nicht“, kritisierte Schmidt. Es würden aber Menschen gebraucht, „die ein bisschen mithelfen, auch mal sagen, ihr seid auf dem richtigen Weg, das muss jetzt weitergehen, wir unterstützen das“.
Denn ohne Unterstützung sei es noch schwieriger, gegen die Koalitionspartner und die fossilen Lobbys Fortschritte durchzusetzen. Darum habe er die Sorge, die Klimaschützer, die immer nur „kommentieren, was alles fehlt“, könnten „aus sehr gut gemeinten Gründen das Gegenteil erreichen“. Die Kritiker sollten zudem bedenken, sagte Schmidt, „wie die Wirkung ist auf diejenigen, die jeden Tag aufstehen und versuchen, diese Probleme anzugehen und zu lösen“.
Dass das massive Haushaltsloch aufgrund des Verfassungsgerichtsurteils die Einhaltung der Klimaziele gefährde, räumte Schmidt ein – verwies aber darauf, dass es in der derzeitigen Koalition kaum Möglichkeiten gebe, daran etwas zu ändern. Es bringe nichts, wenn er sich in dieser Frage mit Robert Habeck einig sei. Denn: „Last time I checked, hat es für Rot-Grün bei der Bundestagswahl nicht gereicht.“ Wer mehr Geld für die Transformation mobilisieren wolle, müsse darum für andere Mehrheiten kämpfen. „Im Moment sind wir da nicht“, so Schmidt. „Da sollten wir gemeinsam dran arbeiten.“
Wenig hilfreich ist dabei nach Ansicht des Kanzleramtsministers die Forderung, die Politik und speziell der Kanzler müssten die Menschen stärker auf Verzicht und Zumutungen einstimmen. „Ich persönlich glaube, dass die Zumutungsansprache an die Bürgerinnen und Bürger nicht funktioniert“, sagte Schmidt. „Biden redet auch nicht von Zumutungen, sondern er gibt Anreize, um das größte Klimaschutzprogramm in der Geschichte der USA mit dem Inflation Reduction Act auf den Weg zu bringen.“
Auch zu starke Vorgaben hält der langjährige Vertraute des Kanzlers für gefährlich. Wenn man „erstmal die Bevölkerung aus der Sicht vieler bevormunde“, sei das „keine erfolgversprechende Strategie, um Mehrheiten oder Zustimmung zu gewinnen für das, was doch das viel größere Ziel ist“, nämlich der Umbau von Energieversorgung und Industrie. „Ich glaube“, sagte Schmidt, „dass die Leute schon eine Perspektive brauchen, dass die Zukunft eine bessere wird.“
Einigkeit gab es am Ende des Abends erwartungsgemäß nicht. Ohne Verzicht und Zumutungen lasse sich die Klimakrise nicht verhindern, und das müsse die Politik ehrlich kommunizieren, beharrten Ulrich und Richter. Doch Schmidt bekam am Schluss zumindest mehr Applaus als zu Beginn. Und dass der Kanzleramtsminister nach Ende der Podiumsdiskussion nicht zu den parallel laufenden Haushaltsgesprächen eilte, sondern die Diskussion im kleineren Kreis fortsetzte, machte zumindest deutlich, dass es auf beiden Seiten großes Interesse am Austausch gibt.