Analyse
Erscheinungsdatum: 29. Oktober 2023

Wagenknecht und die AfD – Konkurrenten oder Verwandte?

Vera Weidenbach, Franziska Klemenz
Wenn Sahra Wagenknecht ihre neue Partei gründet, wird sie in Konkurrenz zur AfD treten. Wichtigste Gemeinsamkeit der beiden Formationen: Beide sprechen enttäuschte Wähler an und geben im Kern ähnliche Antworten auf relevante Fragen. Während die AfD Wagenknecht bereits lobt, schließt die umgekehrt jegliche Zusammenarbeit aus.

In ihrem Verhältnis zur AfD wird sich das Profil der neuen Partei von Sahra Wagenknecht wohl am deutlichsten zeigen. Sie wird sich abgrenzen müssen und will gleichzeitig die potenziellen Wähler aus diesem Lager nicht verprellen – das dürfte nicht ganz einfach werden. Eine Zusammenarbeit mit der AfD hat Wagenknecht ausgeschlossen. Vielmehr hofft sie, den Rechtsnationalen Wähler abspenstig zu machen. Sie hofft diejenigen anzuziehen, die die Wut und Enttäuschung mit der Regierungspolitik teilen, aber nicht unbedingt ein rechtes Weltbild in sich tragen. Die Frage ist, welches Potenzial diese Wählerschicht noch hat. Denn auch die AfD hat sich verändert und ist nicht mehr die Protest-Partei, die sie noch bei der Bundestagswahl 2017 war. Sie hat vielmehr eine Stammwählerschaft um sich gruppiert, die die Transformation zu einer in Teilen rechtsextremen Partei akzeptiert hat.

Aus der Linken hört man, Wagenknechts neue Partei werde keine linke Partei mehr sein. „CSU mit sozialer Umverteilung“, sagt eine, die das neue Bündnis gut zu kennen glaubt. Wagenknecht selbst sagt, sie wolle keine „Linke 2.0“, sondern eine ganz neue Partei gründen. Wie die AfD verbindet Wagenknecht die soziale Frage mit nationalen bis nationalistischen Antworten und ist damit ebenfalls vor allem in Ostdeutschland erfolgreich. Sahra Wagenknecht hat sich bereits mehrfach klar von der AfD distanziert, und es gibt wenige Gründe, an ihrer sozialistischen Grundüberzeugung zu zweifeln. Die Frage ist eher, wie viel sie gewillt ist, davon für den Erfolg ihrer neuen Partei preiszugeben.

Die Vorsitzende von Wagenknechts neuem Verein, Amira Mohamed Ali, hielt sich mit Kritik an der Einbindung der AfD in legislative Prozesse zuletzt zurück. Nachdem die CDU in Thüringen im September einen Antrag zur Grunderwerbssteuer eingebracht hatte, dem auch FDP und AfD zustimmten, verteidigte Mohamed Ali die neue Allianz als „ganz normales parlamentarisches Vorgehen“. Einen Einsturz der Brandmauer gegen rechts könne sie darin nicht feststellen. Deutliche Kritik kam dagegen von SPD und Grünen in Berlin.

Umgekehrt hat die AfD Wagenknecht wiederholt gewürdigt. So sprach Rechtsaußen Björn Höcke bei einer Kundgebung in Dresden Sahra Wagenknecht offen seine Sympathie aus: „Liebe Frau Wagenknecht, ich bitte Sie: Kommen Sie zu uns“ – in die AfD. „Wir können Ihnen alles bieten.“ Wenn man sich in Spitzen-Kreisen der AfD umhört, erwarten die meisten allerdings, dass die Brandmauer der Wagenknecht-Partei zu den Rechtsnationalen noch robuster sein werde als die der CDU zur AfD – die ohnehin in den Ost-Verbänden längst bröckle. Mögliche Koalitionsperspektiven mit dem Wagenknecht-Bündnis sieht realistischerweise bisher niemand.

Durch die deutschlandweit und insbesondere im Osten hohen Umfragewerte ist das Selbstbewusstsein der AfD ungebrochen. Hinzu kommt, dass die Wagenknecht-Partei Zeit brauchen wird, um sich zu organisieren und zu etablieren. In der AfD erwartet man in einer Wagenknecht-Partei noch heftigere inhaltliche Auseinandersetzungen um ein klares Profil und eine klare Richtung als in den eigenen Reihen. Die AfD habe Leute aus dem Milieu von Mitte bis Rechts versammelt – gemeinsame Positionen seien schwierig genug zu finden. Wagenknechts Spektrum reiche von weit links bis weit rechts, sei damit noch erheblich schwerer vereinbar. In der AfD will man deshalb erst einmal abwarten, wie Wagenknecht sich als Kopf einer neuen Partei schlägt. Organisation und Teamgeist gehörten bekanntermaßen nicht zu ihren Stärken. Zwei bis drei Prozent könne sie vielleicht gewinnen, vermuten manche bei der AfD – das könne man gut verkraften.

Und noch etwas kommt hinzu: Die AfD spielt bereits mit der Hoffnung, im einen oder anderen Bundesland in Regierungsnähe zu gelangen. Wagenknecht wiederum steht erst einmal eine längere Zeit in der Opposition bevor. Enttäuschte Wähler, die Wagenknecht locken will, könnten sich von der AfD mehr Möglichkeiten auf eine Regierungsbeteiligung und tatsächliche Veränderungen versprechen. Deswegen, so die Überzeugung eines Spitzen-AfDlers, wollten Wählerinnen und Wähler die AfD endlich so stark sehen, dass sie mittun kann, beim Regieren. Opposition seien ihre Sympathisanten allmählich leid.

Auf AfD-Führungsebene vergleicht mancher Wagenknechts Programmatik mit jener der SPD aus den 1980er Jahren und unter Gerhard Schröder und fügt hinzu: Ob es dafür eine Marktlücke gibt, sei fraglich. Immer wieder fällt die Frage, welches Milieu Wagenknecht eigentlich repräsentieren wolle. Bei der Migration werde es schwierig, gegen das gefestigte Profil der AfD anzukommen. Auch Wagenknecht oder Mohamed Ali stünden bisher nun einmal für die Beschlüsse, die sie bei den Linken für lange Zeit mitgetragen haben. Im Wahlkampf dürfte die AfD Wagenknecht und potenzielle Anhänger nachhaltig daran erinnern. Der strategische Gedanke: Andere Parteien außer die Linke mögen zwar mittlerweile auch die Begrenzung von Migration fordern, glaubwürdig verkaufen könne das aber vor allem die AfD.

Letzte Aktualisierung: 24. Juli 2025
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