Analyse
Erscheinungsdatum: 03. Februar 2023

Unsicheres Gegengeschäft für den Naturschutz

Offshore-Windpark Nordergründe im Wattenmeer der Nordsee
Windräder können in ausgewiesenen Gebieten künftig ohne Umweltverträglichkeitsprüfung und artenschutzrechtliche Prüfung errichtet werden. Im Gegenzug soll es mehr Geld für Naturschutzmaßnahmen geben. Wie viel das hilft, ist aber offen. Denn Artenschutzprojekte scheitern oft nicht am Geld, sondern an fehlenden Flächen.

Lange konnten sich Wirtschafts- und Umweltministerium nicht über die Beschleunigung des Windkraftausbaus einigen. Doch nach direkten Verhandlungen zwischen Robert Habeck und Parteikollegin Steffi Lemke hat das Kabinett die Umsetzung der sogenannten EU-Notfallverordnung doch gebilligt. Windräder können damit in ausgewiesenen Gebieten ohne Umweltverträglichkeitsprüfung und artenschutzrechtliche Prüfung errichtet werden. Habeck zeigte sich danach begeistert; das Kabinett habe „einen Windausbau-Beschleuniger auf den Weg gebracht, wie wir ihn noch nicht hatten“, erklärte er.

Von Lemke fehlt bisher ein lobendes Wort über die Einigung. Auch die Naturschützer innerhalb der Grünen-Fraktion sind dem Vernehmen nach nicht glücklich, wollen den Entwurf aber im Bundestag nicht blockieren. Sie trösten sich damit, dass noch Verbesserungen durchgesetzt werden konnten: So sind die Flächen in der Nordsee, in denen ohne Prüfung Windparks errichtet werden dürfen, nun enger gefasst; die für Zugvögel besonders bedeutsame Ostsee wurde komplett herausgenommen. Zudem wurde die Regelung, anders als zunächst vorgesehen, bis Mitte 2024 befristet.

Daneben soll es mehr Geld für den Artenschutz geben. Wenn keine direkten Ausgleichsmaßnahmen möglich sind, müssen Betreiber von Windkraftanlagen dem Entwurf zufolge eine Entschädigung für Naturschutzmaßnahmen an anderer Stelle leisten. Wie viel Geld das einbringt, ist allerdings unklar: Bei Windanlagen an Land liegt der Betrag bei 300 bis 7000 Euro pro Megawatt und Jahr, bei Windparks im Meer bei 500 bis 2500 Euro. Orientieren soll sich der Betrag am Schaden für die Natur – doch der dürfte sich oft schwer bestimmen lassen, weil auf nähere Untersuchungen ja gerade verzichtet wird. Kommunen können die Höhe deshalb wohl relativ frei festlegen.

Wie viel dieses Geld nützt, ist zudem unklar. Denn neue Artenschutzprojekte scheitern zumeist nicht an den Finanzen. Was häufiger fehlt, sind geeignete Flächen und Personal, ist von Mitarbeitern der zuständigen Naturschutzbehörden zu hören. Die Zahlungen seien darum „ein Ablasshandel mit ungewissem Ausgang“, meint ein Insider. Der Bundesverband Beruflicher Naturschutz hatte schon im letzten Jahr gewarnt, „ohne einen deutlichen Personalaufwuchs im Naturschutzbereich“ drohe das neue Artenschutzprogramm „absehbar zu scheitern“.

Auch für Ausgleichsmaßnahmen fehlen die Flächen. Der Naturschutzbund fordert, diese müssten „gleichzeitig und gleichberechtigt“ mit den Windkraft-Erleichterungen ausgewiesen werden. Länder könnten verpflichtet werden, nicht nur Windkraft-Gebiete zu definieren, sondern genauso Flächen für Naturschutz. Ob diese Forderung in die anstehenden Beratungen im Bundestag noch einfließt, ist angesichts des Zeitdrucks aber fraglich.

Letzte Aktualisierung: 24. Juli 2025
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