Eigentlich sind es gute Nachrichten für die Deutsche Bahn. Aus dem 400-Milliarden-Euro-Sondervermögen für die Infrastruktur lässt sich auch der Sanierungsstau der Bahn in den kommenden Jahren abmildern. So jedenfalls sieht man es im Berliner Bahn-Tower. Der Aufsichtsrat der Bahn bezifferte den Finanzbedarf in seiner Sitzung an diesem Mittwoch auf 80 Milliarden Euro bis 2030 – und zwar zusätzlich zu den bisherigen Investitionen. Die Summe müsse aus dem Sondervermögen bekommen, heißt es im Aufsichtsrat.
Was die Bahn-Aufseher und den Vorstand aber ärgert, ist ein Passus im Abschlusspapier der Verhandler zu Verkehr, Bauen und Wohnen. Denn dort ist zu lesen, dass sowohl beim DB Konzern als auch bei der Infrastrukturgesellschaft InfraGO eine Neuaufstellung von Aufsichtsrat und Vorstand mit dem Ziel erfolgen soll, „mehr Fachkompetenz abzubilden“. Um den Absatz wurde bis zuletzt gerungen, vor allem die Union wollte ein klares Signal. Im Aufsichtsrat wird dies als „Respektlosigkeit“ gesehen. Der Bahn-Chef stehe offenbar vor der Ablösung, kommentierte einer der Insider der Bahn die Passage, die die Verantwortlichen im Konzern offenbar überrascht hatte.
In Kreisen der Verhandler heißt es dazu, dass es Konsens sei, dass die Bahn einen personellen Neustart dringend nötig habe. Die Pünktlichkeitszahlen in den vergangenen Jahren seien katastrophal, jeder dritte Fernzug kam 2024 mindestens sechs Minuten zu spät. Täglich gibt es mehr als 6.000 Störungen im Netz. Hinzu kommt: Die Kommunikation von Bahn-Chef Richard Lutz gilt als dürftig, doch konnte sich der Vorstandsvorsitzende, der noch einen Vertrag bis 2027 besitzt, auf den Rückhalt von Verkehrsminister Volker Wissing verlassen. Der jedoch verabschiedete sich am Mittwoch aus dem Aufsichtsrat. Bei Union und SPD fehlt diese Unterstützung für Lutz.
Schon werden Namen für einen möglichen neuen Vorstandsvorsitzenden genannt. In SPD-nahen Kreisen fällt bisweilen der Name des früheren österreichischen Bundeskanzlers und ehemaligen Chefs der Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB), Christian Kern. Die Union hält auch den bisherigen DB-Finanzvorstand Levin Holle für geeignet. Der Cargo-Chefin Sigrid Nikutta traut man in der Union offenbar nicht mehr viel zu, die SPD hält noch zu ihr. Um die „Marktfähigkeit“ der Gütersparte wieder herzustellen, müssten „strategische Partner“ gefunden werden, heißt es in dem Papier. Lücken in der Logistik – DB Cargo ist immer wieder verantwortlich dafür – seien ein Problem für den Industriestandort Deutschland. Dieser Passus sei als Hinweis an die Cargo-Chefin zu verstehen, sagt ein Mitglied der AG.
Die Verhandler von CDU, CSU und SPD versprechen außerdem eine „grundlegende Bahnreform“. Wie die im Detail aussehen soll, bleibt allerdings offen. Die Entflechtung zwischen Netz und Betrieb soll aber weitergehen. Einig ist man sich, dass die beschlossene Generalsanierung der 40 Hochleistungskorridore aus dem 400-Milliarden-Euro-Sondervermögen für Infrastruktur finanziert werden soll. Die Finanzierung für die Modernisierung der Schiene müsse aber weiterhin auch aus dem Haushalt erfolgen, heißt es.