Analyse
Erscheinungsdatum: 27. Mai 2025

Trump, Putin und die AfD: Wenn eine Regierung Erfolg haben muss

Angesichts der Lage ist es wenig verwunderlich, dass es hinter dem Vorhang großer Ideen noch etwas ganz anderes gibt: Unsicherheit im Umgang miteinander – und enormen Respekt vor der Aufgabe.

Jetzt also soll es losgehen. Endgültig. Nach drei Wochen Probezeit, Lernerfahrung und dem Erleben, wie schwer das Regieren doch geworden ist. Am Mittwoch gibt es erst das Kabinett, dann den ersten Koalitionsausschuss. Und dazwischen kommt auch noch Wolodymyr Selenskyj zur Kurzvisite vorbei. Für Friedrich Merz, Lars Klingbeil und all die Anderen im Kabinett hat es keine echte Schonphase gegeben. Die Welt lässt das nicht zu. Und der Erfolgsdruck im Innern tut es auch nicht. Unter schweren Bedingungen folgt jetzt der eigentliche Startschuss.

Angesichts der Lage ist es wenig verwunderlich, dass es hinter dem Vorhang großer Ideen und noch größerer Entschlossenheit etwas ganz anderes gibt: Unsicherheit im Umgang miteinander – und enormen Respekt vor der Aufgabe. Das hängt eng mit der für Deutschland prekären Weltlage zusammen. Ob es nun der russische Krieg gegen die Ukraine ist, die immer prekärere Krise in Nahost oder der schwierige Umgang mit der wirtschaftlichen Supermacht China – jede einzelne Aufgabe würde schon ausreichen, um einen Kanzler ausreichend zu beschäftigen. Jetzt aber lernt Merz im Schnelldurchlauf, wie es ist, wenn alle Krisen zusammenfallen. Und das alles wird begleitet von dem Wissen, dass diese Regierung erfolgreich sein muss. Ansonsten drohen mit einer noch stärkeren AfD ganz andere Verhältnisse.

Hört man sich im Kanzleramt um, dann begegnen einem Respekt, Vorsicht, selbst Demut auf allen Ebenen. Der Grund: Bei allen wirkt das Wahlergebnis nach; und bei allen schwingt die Sorge vor dem Scheitern mit. „Wir wissen, dass auch die CDU kein großer Sieger gewesen ist“, sagt einer, der nah dabei ist. „Und wir wissen, dass es nach dem Streit im Wahlkampf Zeit braucht, bis Union und SPD zu einem echten Team zusammenwachsen.“ Schon in den allerersten Tagen sei klar geworden, wie schnell sich Konflikte entzünden können. Die ersten Hickups quasi in den ersten Stunden rund um Sondervermögen und Schuldenbremse haben sich genauso eingebrannt wie das Tauziehen um das Verhältnis zur Linkspartei oder die Vorschläge von Bärbel Bas zur Rente. Es brauchte nur einen kleinen öffentlichen Vorstoß – und schon wurden Verwerfungen sichtbar, die niemand braucht, weil sie allen schaden.

Mit Respekt allein lässt sich für eine Regierung allerdings keine Kraft entfalten. Deshalb sollten in den ersten Tagen drei Botschaften helfen, sich mit großem Gestus als Kraft des Neuen zu präsentieren – und zugleich das endgültige Abschalten der Ampel zu demonstrieren. Arbeitsministerin Bas kritisierte öffentlich Fälle, in denen Menschen in riesigen Häusern wohnen und trotzdem die Kosten der Unterkunft bezahlt bekommen würden. Wirtschaftsministerin Katherina Reiche versprach, das Verbot für alte Gasthermen aufzuheben, um Vertrauen und Sicherheit herzustellen. Und Alexander Dobrindt startete mit verschärften Grenzkontrollen plus Zurückweisungen. Bürgergeld, Heizungsgesetz, Migration – drei Themen, die als Belege des Ampel-Versagens ganz neu angegangen werden sollten. Allein: Die tatsächlichen Zahlen sind in allen drei Fällen gering. Deshalb handelt es sich bis jetzt mehr um Symbolik als echte Veränderung.

Keineswegs nur symbolisch ist die personelle Entampelung der Regierung. Sie zeigt sich am deutlichsten bei der Entfernung von allen, die als Grüne oder Liberale galten. Also bei der Entlassung der Abteilungsleiter, die als politische Beamte in den einstweiligen Ruhestand versetzt werden. In Reiches Wirtschaftsministerium sollen sechs, wahrscheinlich sieben Ministerialdirektorinnen und -direktoren gehen oder haben das Haus bereits verlassen. Im Familienministerium hat Karin Prien allen Abteilungsleiterinnen und Abteilungsleitern mitgeteilt, dass sie ihre Posten räumen müssen. Ähnlich sieht es bei den Abteilungsleitern aus, die unter FDP-Ministerinnen oder Ministern ins BMBF oder ins BMF berufen wurden. Nicht viel anders sieht es im Kanzleramt aus, auch wurden so gut wie alle ausgetauscht, und das fast immer mit Männern. Was auch als Zeichen einer Entampelung gelesen werden kann.

Doch so entschlossen man Personen austauschen kann – die Welt da draußen lässt sich nicht einfach ändern. Hier bleibt die Verwundbarkeit auch für die neue Regierung am größten. Trotz vieler Reisen und zugewandter Botschaften sind bislang alle Bemühungen, Donald Trump von irgendetwas zu überzeugen, fehlgeschlagen. Europa ist zwar geschlossener aufgetreten als noch zu Ampel-Zeiten. Nur: Weder im Umgang mit Wladimir Putins Krieg gegen die Ukraine noch im Kampf gegen US-Zölle hat das tatsächlich etwas bewirken können. Merz und seine Koalition sehen sich hier vor Herausforderungen, gegen die der Umbau der Bürgerversicherung oder die Anpassung des Gebäudeenergiegesetzes harmlos erscheinen. Und dazu kommt eine israelische Regierung, die mit ihrem Gaza-Krieg auch engste Verbündete in Probleme stürzt.

Diese sich verstärkenden Gefahrenherde erklären am besten, warum die Regierung bei allen Sorgen auch ein besonderes Glück hat. Eines, das noch keiner Regierung vor ihr zuteilwurde.Obwohl die grüne und linke Opposition mit Merz sehr wenig und mit der politischen Kehrtwende auf zentralen Feldern wie der Klima- und der Sozialpolitik rein gar nichts anfangen kann, erklären vor allem die Erfahrenen unter den Grünen und Linken in vertraulichen Gesprächen, dass sie dieser Regierung trotz alledem Erfolg wünschen. Größer als der Ärger über deren Politik ist die Sorge, dass bei einem Misserfolg die Demokratie insgesamt in Gefahr ist. Trump, Putin und die AfD haben eine Situation geschaffen, die es in der Geschichte der Bundesrepublik und des wiedervereinten Deutschlands so noch nicht gegeben hat.

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Letzte Aktualisierung: 24. Juli 2025

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