Analyse
Erscheinungsdatum: 27. August 2024

Terror von Solingen: Merz macht Druck – Gesetzesverschärfungen rücken näher 

Nach dem Anschlag in NRW fordert die CDU Verschärfungen in der Asylpolitik. Aus der Regierung heißt es, man könne offen über mögliche Änderungen sprechen.

Der Terrorakt in Solingen hat das Land schockiert, und der Oppositionsführer sah seine Chance: „Dem Bundeskanzler entgleitet das Land“, sagte Friedrich Merz in der Bundespressekonferenz. „Es ist genug! Es reicht!“. Es kämen zu viele Migranten ins Land, legal und illegal, Deutschland sei überfordert. Und dann listete er eine Reihe von Vorschlägen für schnelle Lösungen auf, Vorschläge, die er zuvor auch in einem 70-Minuten-Gespräch dem Kanzler unterbreitet hatte: eine enge Kooperation von Kanzleramt und Union; zwei Beauftragte, die sich bilateral auf erste Vorschläge verständigen könnten, Thorsten Frei von der Union, und eine zu benennende Vertrauensperson des Kanzlers.

Weitere Forderungen von Merz: Die deutschen Grenzen müssten schärfer kontrolliert, das Aufenthaltsrecht geändert werden. Die Bundesregierung solle in Brüssel eine nationale Notlage erklären, um Flüchtlinge an den Grenzen einseitig zurückweisen zu können. Ein entsprechendes Papier der CDU flankierte die Offensive. Vor allem wären bilaterale Gespräche hilfreich – nur zwischen Kanzleramt und Union, ohne FDP und Grüne.

Nur: Die Bundesregierung besteht aus drei Parteien. Und Bundestag und damit eine Bundesregierung sind für vier Jahre gewählt. Das machte der Kanzler am Abend im heute-journal deutlich, wo er Offenheit und Abgrenzung zugleich signalisierte: Es sei „eine gute Sache, wenn die Opposition bereit ist, mit der Regierung zusammenzuarbeiten“. Was Gesetzesverschärfungen angeht, habe sich bereits einiges getan, aber, so räumte Scholz ein: Im Konkreten sei leider nicht alles gelungen. Einen generellen Aufnahmestopp für Syrer und Afghanen werde es aber nicht geben. Und auch am Grundrecht für Asyl will Scholz nicht rütteln. Er könne sich aber mehr Dynamik bei den Abschiebungen vorstellen, und unbedingt auch Rückführungen nach Syrien und Afghanistan.

Man könne „offen über weitere Gesetzesänderungen sprechen“, hieß es zudem in Regierungskreisen. Das Waffenrecht ist bereits in Arbeit, und, so ist zu hören, und unter dem Druck der jüngsten Ereignisse wird sich mutmaßlich auch die FDP einer Verwendung von IP-Adressen bei drohenden Verbrechen nicht länger verschließen. Die CDU-Bundestagsabgeordnete Serap Güler forderte im Gespräch mit Table.Briefings außerdem mehr Videoüberwachung und nannte Dänemark als Vorbild bei der Bekämpfung des Terrorismus. Auch die Änderung des Grundgesetzes dürfe kein Tabu sein. „Wir müssen jetzt über alles offen reden. Es geht mehr, als manche wahrhaben wollen.“

Weitere Themen, über die sich Kanzleramt und Union weitgehend einig wären: Kompetenzerweiterungen für Bundespolizei und Bamf bei Abschiebungen. Und auch die Erhöhung der Zahl stationärer Grenzkontrollen, gegen die sich die Innenministerin lange gesträubt hatte, wird wohl zum Dauerzustand werden – wenn denn die Bundespolizisten zur Verfügung stehen. „Sehr effizient“ nannte sie jedenfalls am Abend der Kanzler.

So oder so ist die Bundesregierung nach den Solinger Morden unter Druck. Die NRW-Familienministerin Josefine Paul, zuständig für Flüchtlinge und Integration in ihrem Bundesland, sprach am frühen Abend von „Versäumnissen“ der Ausländerbehörden. „Fehler“ wollte sie das nicht nennen, da die Verfahrensabläufe nicht klar geregelt seien. Sie räumte zudem ein: Dass Rücküberstellungen scheiterten, sei nicht die Ausnahme, sondern die Regel. Paul: „Das Verfahren ist so nicht mehr handlungsfähig.“

Kurzfristig dürften auch die Landtagswahlen am Sonntag die Dinge vorantreiben. Sollte es in Thüringen und Sachsen zu der absehbaren Schlappe für die Ampel-Parteien kommen, wird das den Druck auf die Bundesregierung weiter erhöhen. Merz kündigte jedenfalls an, das Thema in den Bundestagswahlkampf zu ziehen, falls es nicht zu erkennbaren Fortschritten komme.

Letzte Aktualisierung: 24. Juli 2025
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