Analyse
Erscheinungsdatum: 12. November 2024

Stühlerücken in der CSU: Wer will nach Berlin?

CSU-Chef Markus Söder wäre zwar gerne Kanzlerkandidat geworden, aber als Minister will er nicht nach Berlin. Damit wird CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt ins Kabinett müssen. Das erfreut längst nicht alle in der CSU.

Dass sich CSU-Chef Markus Söder in Berlin nicht wohl fühlt, lässt sich an vielen Details festmachen. Zum Beispiel am wöchentlichen Jour-Fix mit Friedrich Merz, der in der Regel digital stattfindet. Dabei wäre es eigentlich zwingend, dass sich die beiden Chefs der Union auch regelmäßig persönlich treffen.

Auch um Bundesratssitzungen drückt sich Söder gerne herum, wie die Süddeutsche Zeitung jüngst enthüllt hat. Von den 82 Sitzungen, die es seit Söders Wahl zum Ministerpräsidenten im März 2018 gegeben hat, war Söder nur elfmal da. Und wenn es doch mal unvermeidlich ist, in die Bundeshauptstadt zu fahren, soll Söder alles tun, um eine Übernachtung möglichst zu vermeiden, heißt es in der CSU. Ins heimische Nürnberg dauert es mit dem Auto gut fünf Stunden.

Ähnlich wie 2021 wäre Söder auch dieses Mal brennend gerne Kanzlerkandidat und dann möglicherweise auch Kanzler geworden. Aber als Minister will er nicht nach Berlin wechseln. Das hat zum einen damit zu tun, dass er sich nach sechs Jahren als Chef in Bayern nicht in einem Kabinett unterordnen will, in dem ein anderer das Sagen hat. Aber es hat auch mit seiner Angst vor Berlin zu tun. Alles dort ist ihm fremd. „Er hat in Berlin kein Netzwerk“, heißt es selbst im Söder-Lager. Was völlig rätselhaft ist, denn er hätte sich spätestens nach seinem gescheiterten Duell gegen Armin Laschet 2021 darum kümmern müssen, in der CDU Verbündete zu gewinnen.

Dabei wäre Söders natürlicher Platz als Vorsitzender einer Partei, die immer eine bundespolitische Rolle für sich reklamiert, angesichts der Lage des Landes, bei einem Wahlsieg der Union eindeutig in Berlin. Das sehen auch ehemalige CSU-Vorsitzende so. Horst Seehofer und Erwin Huber haben das bereits öffentlich gefordert.Theo Waigel hat es bei einer Veranstaltung zum 75-jährigen Jubiläum der CSU-Landesgruppe vor drei Wochen auf seine verklausulierte Art zum Ausdruck gebracht. Waigel schwärmte von seiner Zeit als Landesgruppenchef und sagte über seinen Wechsel ins Kabinett: „Man muss den Mut haben, zu einem bestimmten Zeitpunkt auch zu springen." Ein deutlicher Wink an Söder, der den Festakt zu diesem Zeitpunkt allerdings schon wieder verlassen hatte.

Auch wegen des Zustandes der CSU-Landesgruppe in Berlin wäre es eigentlich zwingend, dass Söder nach Berlin geht, zumal ihn sein Amt in München unübersehbar anödet. Nach allgemeiner Einschätzung in der CSU gilt die Landesgruppe als zweitklassig und personell ausgezehrt. Das sehen selbst in den eigenen Reihen einige so. „Die Landesgruppe ist schwach“, sagt einer, der schon länger dabei ist.

Das hat zur Folge, dass im Grunde nur Landesgruppenchef Alexander Dobrindt für ein wichtiges Ministeramt in einem Kabinett Merz in Frage kommt. Söder hat einen Wechsel Dobrindts ins Kabinett schon vor Wochen in einer Vorstandssitzung mehr oder minder angekündigt. Dobrindt selbst, so wird in der CSU kolportiert, würde gerne Finanzminister werden.

Das löst in der eigenen Partei eine Mischung aus Kopfschütteln und Entsetzen aus. Nicht nur weil Dobrindts vier Jahre als Verkehrsminister vielen als Schreckenszeit in Erinnerung sind. Sondern auch, weil Dobrindt als Europaskeptiker gilt und sein Verhältnis zu CSU-Vize und EVP-Chef Manfred Weber als zerrüttet gilt. Die Stärkung Europas wird nach dem Sieg von Donald Trump in den USA aber eine der wichtigsten Aufgaben der neuen Bundesregierung sein. Und sie wird Deutschland viel Geld kosten. CSU-intern gehört Dobrindt zu den unbeliebtesten Politikern, in der Landesgruppe selber fallen die Urteile über ihn allerdings positiver aus.

Das Verhältnis zwischen Söder und Dobrindt ist wechselhaft. Dobrindt war nie ein Söder-Freund. Unter CSU-Chef Horst Seehofer war Dobrindt Teil der Führungsriege, die einen weiteren Aufstieg Söders verhindern wollte. Als sich Söder dann durchgesetzt hatte, haben sich beide arrangiert. Ob Dobrindt seinem Parteichef über die massiven Vorbehalte in der CDU gegen ihn aber reinen Wein einschenkt, bezweifeln viele in der CSU. Denn Dobrindt ist als erster Stellvertreter der Bundestagsfraktion in erster Linie seinem unmittelbaren Chef Friedrich Merz verpflichtet, mit dem er ein gutes Verhältnis hat. Wenn Dobrindt Minister in einem Kabinett Merz wird, dürfte erst recht klar sein, wem seine Loyalität gilt: dem Kanzler und nicht dem eigenen Parteichef.

Söder braucht dann eine Vertrauensperson in Berlin. Ein erster Versuch ist bereits gescheitert. Söder hat zwar erst jüngst wieder versichert, weder er noch ein Mitglied seines Kabinetts werde nach Berlin wechseln. Das ist nur die halbe Wahrheit. Auf dem Parteitag im Oktober hatte Söder mit dem Satz aufhorchen lassen, es wäre gut, wenn das Landwirtschaftsministerium wieder mal in CSU-Hand wäre. Die Äußerung ist merkwürdig, denn die CSU stellte nicht nur zwischen 1983 und 1993 mit Ignaz Kiechle den Agrarminister, sondern war auch von 2005 bis 2014 für das Ressort zuständig, zunächst mit Horst Seehofer, dann mit Ilse Aigner und kurzzeitig mit Hans-Peter Friedrich.

Nach Informationen von Table.Briefings wollte Söder seiner Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber einen Wechsel nach Berlin schmackhaft machen, die als enge Vertraute von ihm gilt. Um Kaniber zu überzeugen, hat Söder dem Vernehmen nach auch Ex-Parteichef Edmund Stoiber eingespannt. Kaniber hätte den freiwerdenden Wahlkreis Traunstein von Peter Ramsauer übernehmen sollen, der aus dem Parlament ausscheidet. Doch aus der Idee wurde nichts. Kaniber wollte nicht und als Ramsauer-Nachfolger wurde mittlerweile der Traunsteiner Landrat Siegfried Walch von den heimischen Delegierten nominiert.

Nachfolger Dobrindts als Landesgruppen-Chef könnte der Verteidigungspolitiker Florian Hahn werden, der als Söder-Gefolgsmann gilt. Hahn war im Jahr 2022 schon als CSU-Generalsekretär im Gespräch. Als daraus nichts wurde, hat man ihm als Trostpreis zum Internationalen Sekretär der CSU ernannt. Eine Funktion, von der keiner weiß, was sie eigentlich soll.

Ziemlich klar ist, dass nach einem Wahlsieg der Union und einem Verbleib Söders in München ein neuer Generalsekretär berufen werden muss – mit Sitz in Berlin. Der bisherige Generalsekretär Martin Huber würde dann mit einem Posten im Münchner Kabinett abgefunden. Es gibt das Gerücht, dass es der Ramsauer-Nachfolger Walch werden könnte, der 2022 ebenfalls als Generalsekretär im Gespräch war. Angeblich hat sich der 40-jährige Walch, der als sehr ehrgeizig gilt, an seiner Heimatbasis aber selbst ins Gespräch gebracht. In der Landesgruppe haben die Ambitionen des Frischlings bereits für bösen Spott gesorgt, es ist vom Autoverkäufer-Lautsprecher die Rede. Walch hatte vor seiner Wahl zum Landrat ein Autohaus.

Eigentlich ist es ausgeschlossen, dass Söder einen Generalsekretär ohne jede Ahnung vom Berliner Betrieb beruft. Anderseits weiß jeder, dass Söder das im Zweifel egal ist. Ähnlich wie bei Donald Trump zählt für den CSU-Chef vor allen eines: unbedingte persönliche Loyalität. Welche skurrilen Blüten das treiben kann, zeigt ein Vorgang nach der Wahl 2021. Damals drang Bayern Finanzminister Albert Füracker, ein enger Söder-Vertrauter und zugleich CSU-Bezirkschef in der Oberpfalz, darauf, dass eine von zwei frisch gewählten Oberpfälzer Abgeordneten an allen erfahrenen Kräften vorbei auf einen der drei Stellvertreter-Posten von Landesgruppenchef Dobrindt gewählt wird.

In der CSU-Hierarchie ist diese Funktion zwar völlig unbedeutend, aber weil Dobrindt keinen Ärger mit einem Söder-Buddy und damit womöglich mit Söder selbst bekommen wollte, willigte er ein. Die Frauen haben dann ausgelost, wer von beiden kandidieren soll.

Letzte Aktualisierung: 24. Juli 2025
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