Analyse
Erscheinungsdatum: 19. Juli 2023

Standpunkt des Willy-Brandt-Kreises: „Streubomben sind eine Langzeitbedrohung"

Wolfgang Schmidt, Heidi Wieczoreck-Zeul, und Willy Brandts Sohn Peter Brandt (Bilder: Imago/Political-Moments, Imago/photothek, Imago/teutopress)
Mit Streubomben, von den USA geliefert und vom Völkerrecht geächtet, will die Ukraine den Krieg gegen den Aggressor Russland gewinnen. Eine für Menschen heimtückisch-tödliche und zugleich politisch heikle Lieferung, von der sich die Bundesregierung nicht ausdrücklich distanzieren mochte. Ein Gastbeitrag des Willy-Brandt-Kreises.

Wir halten die Entscheidung der U.S.-Regierung zur Lieferung von Streubomben an die Ukraine für völkerrechtlich falsch und politisch folgenreich. Das Ziel des Einsatzes von Streumunition ist es, besonders viele Menschen zu töten bzw. zu verletzen, deshalb wird seit Jahrzehnten weltweit dafür eingetreten, sie zu ächten. Wir stimmen in dieser Einschätzung überein mit großen Teilen der Zivilgesellschaft in den USA sowie einigen Senatoren im U.S.-Kongress.

Die Konvention zum Verbot und zur Ächtung von Streumunition ist seit 2010 verbindliches Völkerrecht. Sie wird inzwischen von mehr als 113 Staaten unterstützt, da Streumunition in breiter Fläche über Schlachtfelder verteilt wird und die zivile Bevölkerung tötet bzw. langfristig bedroht. Deutschland hat die Konvention bereits im Jahr 2009 zu Zeiten der Großen Koalition ratifiziert und auf einer internationalen Konferenz in Berlin im Juni 2009 ausdrücklich für weltweite Unterstützung geworben.

Wir verurteilen, dass Russland seit längerer Zeit Streubomben gegen die Ukraine einsetzt, ein abscheuliches Verbrechen, das gerade die Zivilbevölkerung trifft. Auch in den Jahren zuvor hat Russland andere Länder, vor allem Syrien, beim Einsatz von Streubomben gegen die eigene Bevölkerung unterstützt. Auch der Ukraine wird der Einsatz von Streubomben nachgesagt. Für die Beurteilung des Sachverhalts der Völkerrechtswidrigkeit kann es keine Rolle spielen, dass weder Russland noch die USA oder die Ukraine die Konvention ratifiziert haben.

Warum erhebt die Zivilgesellschaft, auch in den USA, jetzt die Stimme gegen den Einsatz? Nicht explodierte Streubomben sind eine Langzeitbedrohung. Die Zivilbevölkerung in der Ukraine wird noch jahrzehntelang unter den Folgen von Streumunition zu leiden haben. Wichtiger wäre es deshalb, verstärkt für internationale Möglichkeiten zur Beendigung des Einsatzes von Streubomben in der Ukraine einzutreten, als neue Munition zu liefern.

Wenn die USA, die unsere demokratischen Werte in der Unterstützung der Ukraine stets betonen, gegen den Geist der Ächtung und des Verbotes von Streuwaffen verstoßen, führt das auch weltweit zu einer gefährlichen Delegitimierung der Konvention als wichtigem globalen Regelwerk. In zwischenstaatlichen, aber vor allem auch innerstaatlichen Gewaltkonflikten wird die Gefahr zukünftig weiterwachsen, dass diese Waffen eingesetzt werden, die besonders die Zivilbevölkerung gefährden.

In diesen Zeiten der Aufrüstung, der zunehmenden Waffenlieferungen, neuer Modernisierungsanstrengungen und der Aufkündigung von Abkommen zur Rüstungsbegrenzung ist es gerade wichtig, die Ächtung besonders grausamer Waffen (ABC-Waffen, Streumunition, Landminen) nicht weiter zu unterhöhlen. Im Gegenteil, es müssen verstärkt Anstrengungen unternommen werden, neue völkerrechtswidrige Waffensysteme bzw. Kriegsmittel wie auch KI-gestützte automatisierte Waffen oder auch private Söldnertruppen zu ächten.

Zu den Autoren: Der Willy-Brandt-Kreis, gegründet Mitte der 90er-Jahre, versucht Fragen der Völkerverständigung und des sozialen und gerechten Zusammenlebens aufzugreifen und so das ideelle Erbe des ehemaligen Bundeskanzlers weiterzugeben. Ihm gehören unter anderen die ehemalige Ministerin Heidemarie Wieczoreck-Zeul, Oskar Negt, Kanzleramtschef Wolfgang Schmidt, die ehemalige Verfassungsrichterin Christine Hohmann-Dennhardt, aber auch der Brandt-Sohn Peter Brandt an.

Letzte Aktualisierung: 24. Juli 2025
Teilen
Kopiert!