Analyse
Erscheinungsdatum: 30. April 2025

SPD: Basis gibt Klingbeil starkes Votum – Böhning kehrt zurück

Mit Rückenwind aus der Basis stellt die SPD ihre Regierungsmannschaft auf – und setzt dabei auf bekannte Gesichter und neue Impulse.

Die SPD-Basis hat sich überraschend deutlich für den Gang in die Koalition mit der Union entschieden. 84,6 Prozent der Mitglieder, die abgestimmt hatten, votierten für die Koalition. Beteiligt hatten sich knapp 56 Prozent der rund 358.000 Mitglieder. Das sei eine „große Rückendeckung“ für die SPD in der Regierung, lobte Generalsekretär Matthias Miersch. „Die SPD-Basis will, dass wir Verantwortung für das Land übernehmen. Ich bin positiv beeindruckt“, sagte Katja Mast, Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Bundestagsfraktion, im Podcast Table.Today. Es müsse nun sehr schnell Handlungsfähigkeit hergestellt werden und die Koalition in einen ruhigen Regierungsalltag kommen. Als wichtigste Maßnahmen aus Sicht der SPD nannte Mast Impulse zur Ankurbelung der Wirtschaft, aber auch die Verlängerung der Mietpreisbremse, die Stabilisierung des Rentenniveaus und das Tariftreuegesetz.

SPD-Chef Lars Klingbeil will als Vizekanzler und Finanzminister ins Kabinett gehen. Als Staatssekretär holt er sich Björn Böhning ins Haus. Der 46-Jährige war einst Juso-Chef, später von 2018 bis 2022 Staatssekretär im BMAS und ist seitdem Geschäftsführer der Allianz deutscher Produzentinnen und Produzenten. Vom ganz linken Flügel bis zum Arbeitgebervertreter der Filmbranche – Böhning hat persönlich durchlebt, was auch die Partei brauchen könnte: eine Annäherung an die Unternehmerwelt. Böhning soll für Klingbeil die SPD-Ressorts koordinieren, er ist aber auch in der Union anerkannt.

Boris Pistorius soll Verteidigungsminister bleiben. Schon am Wahlabend hatte Klingbeil dem 65-Jährigen signalisiert, dass er mit dem notwendigen „Generationenwechsel“ nicht gemeint sei. Der SPD-Minister ist immer noch der beliebteste Politiker Deutschlands und will angeblich nun einen zusätzlichen beamteten Staatssekretär ins Haus holen, um die finanziellen Herausforderungen durch die Aufrüstung besser zu koordinieren.

Auch Bärbel Bas als neue Arbeits- und Sozialministerin gilt seit Tagen als gesetzt. Die Duisburgerin, die seit 2009 Abgeordnete ist und zuletzt Präsidentin des Bundestages war, verhandelte in der 19er-Runde eng an der Seite der Parteivorsitzenden und blieb medial präsent: Sie warb intensiv für eine Zustimmung zum Koalitionsvertrag, mit Jens Spahn diskutierte sie nach dem Ende der Koalitionsverhandlungen bei Markus Lanz über den Umgang mit der AfD. Von 2013 bis 2019 war sie Parlamentarische Geschäftsführerin ihrer Fraktion und bis 2021 auch stellvertretende Fraktionsvorsitzende, fachpolitisch lag ihr Schwerpunkt bisher auf Gesundheit.

Der Ostbeauftragte Carsten Schneider könnte Parteikreisen zufolge ins Kabinett aufrücken. Schneider ist seit 1998 im Bundestag, wurde als Finanzexperte in der Euro-Schuldenkrise bekannt und war in der letzten schwarz-roten Regierung Fraktionsgeschäftsführer. Der Erfurter kann gut mit Klingbeil, hat den Osten in den vergangenen drei Jahren intensiv bereist und hat die Rückendeckung des Seeheimer Kreises und von Ost-Ministerpräsidentin Manuela Schwesig.

Im Gespräch für das Amt der Justizministerin ist Stefanie Hubig, Ex-Richterin und seit 2016 Bildungsministerin in Rheinland-Pfalz. Sie war bereits 2014 bis 2016 Staatssekretärin im Bundesministerium der Justiz. Es wäre auch ein Zeichen, dass SPD-Chef Klingbeil die Landtagswahlen im März 2026 im Blick hat. Eine andere Kandidatin ist die Brandenburger Bundestagsabgeordnete Sonja Eichwede, 37 Jahre alt, Juristin und rechtspolitische Sprecherin.

Ob die innerparteilich umstrittene Parteichefin Saskia Esken ins Kabinett geht oder nochmal als Vorsitzende antritt, ist weiter offen. Immer wieder wird sie als mögliche Entwicklungshilfeministerin genannt. Klingbeil muss diese Frage mit Esken und den Führungsleuten der Partei bis Montag klären.

An der Spitze der Fraktion soll Matthias Miersch die Flügel zusammenhalten und die Regierung stützen, wenn es nach Klingbeil geht, hört man in der SPD. Damit wäre der andere prominente Niedersachse, der bisherige Arbeitsminister Hubertus Heil, raus. Der hat allerdings auch Unterstützer und würde ebenfalls gerne Fraktionsvorsitzender werden. Als Vertreter des pragmatischen Netzwerker-Flügels könnte er ein Kompromiss zwischen den Parteilinken und den konservativen Seeheimern sein. Es würden noch „sehr viele Telefonate“ geführt, sagte ein Insider am Abend.

Letzte Aktualisierung: 24. Juli 2025
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