Analyse
Erscheinungsdatum: 15. September 2024

Söders Kanzlerambitionen: Der Mann, den keiner ruft

In der CSU wächst der Druck auf Markus Söder, seine „Kanzlerallüren“ endlich zu begraben. Weil Söder sich damit aber schwertut, fürchten viele, dass er auch nach einer Kür von Friedrich Merz keine Ruhe geben wird. Und auch die Dauerattacken des CSU-Chefs auf die Grünen finden längst nicht alle in der Partei gut.

Eigentlich war es ein Termin ganz nach dem Geschmack von Markus Söder. Am vergangenen Donnerstag besuchte der CSU-Chef den Münchner Cowboy Club, den es bereits seit 1913 gibt. Natürlich mit Journalisten-Begleitung. Und natürlich gab es wieder die Fotos, die Söder so sehr liebt. Söder mit Cowboy-Hut, Söder mit einem saftigen Steak auf dem Teller. Aber die Gelegenheit, sich bei diesem Termin gewissermaßen als Deutschlands oberster Sheriff in Szene zu setzen, ließ Söder verstreichen. „Cowboy ohne Colt“, titelte das Münchner Boulevardblatt tz über Söders Auftritt.

Die Schlagzeile bringt Söders aktuelle Situation ganz gut auf den Punkt. Der CSU-Chef hat sich selber in eine kritische Situation gebracht. Denn mit seinem Auftritt auf dem Volksfest Gillamoos hat der sonst instinktsichere Söder schlicht überzogen. Dass er sich selbst für den besten Kanzlerkandidaten hält und im Bierzelt eine Selbstbewerbung abgegeben hat, ist keine sonderliche Überraschung. CDU-Chef Friedrich Merz ließ lapidar wissen, Söders Bereitschaft habe keinen Neuigkeitswert.

Aber dass Söder bei seiner Rede rüde gegen Armin Laschet nachgetreten hat und damit alte Wunden in der Union wieder aufgerissen hat, lässt in der CSU die Alarmglocken schrillen. Und dass Söder ausgerechnet am Tag nach den Wahlen in Sachsen und Thüringen, bei denen mit AfD und BSW zwei Parteien am rechten und linken Rand Erfolge gefeiert haben, die Grünen erneut scharf attackierte, fand nicht nur Armin Laschet „eigenartig“. Auch in der CSU halten die strategischer denkenden Köpfe Söders Grünen-Bashing für einen schweren Fehler.

Dass die Kandidaten-Frage entschieden ist und an Merz kein Weg vorbeiführt, weiß auch in der CSU jeder. Denn anders als 2021 gibt es weder in der CDU noch in der CSU irgendeine Bewegung für einen Kanzlerkandidaten Söder. „Es ruft halt keiner“, sagt ein CSU-Mann aus dem Söder-Lager. Noch nicht mal irgendein Ortsverband der Jungen Union.

Dass er sich seine „Kanzlerallüren“ abschminken und jetzt den geordneten Rückzug antreten solle, ist Söder von verschiedenen Leuten auf verschiedenen Wegen übermittelt worden. Es komme jetzt darauf an, ob Söder diesen Rückzug „mit Größe oder schmollend“ antrete. Mit Größe, das wäre eine Art umgekehrtes Wolfratshauser Frühstück, bei dem Söder von sich aus Merz die Kandidatur anträgt.

Doch damit rechnet kaum jemand. Denn Söder habe mit der K-Frage „seinen Frieden noch nicht gemacht“, heißt es in der CSU. Dass er 2021 Laschet den Vortritt lassen musste, obwohl alle Umfragen ihm die größeren Chancen attestiert hatten, nagt bis heute an ihm. Mit seinen ständigen Querschüssen im Wahlkampf hatte Söder damals eine gehörige Mitschuld an der Wahlniederlage der Union. Das weiß man auch in der CSU. Es ist einhellige Auffassung, dass sich 2021 keinesfalls wiederholen dürfe.

Söder muss deshalb mit massivem Widerstand rechnen, sollte er sich erneut als Störenfried gebärden. In diesem Fall würden sich nach Informationen von Table.Briefings prominente Politiker öffentlich zu Wort melden. Sollte sich 2021 wiederholen, werde es in der Union „ein Söder-Bashing geben“ prophezeit ein CSU-Vorstandsmitglied. Und ein anderer wichtiger CSU-Politiker droht mit Blick auf mögliche Söder-Sticheleien: „Wenn er den ersten Atemzug tut, gibt es Widerstand.“

Zwar hat Söder selbst hoch und heilig versprochen, dass sich das Theater von 2021 nicht wiederholen werde. Aber wie belastbar ist das? Schließlich hatte Söder auch Laschet „meine volle Unterstützung“ versprochen, ohne sich dann daran zu halten. Mit Sorge wird deshalb in der CSU die lange Zeitspanne zwischen der Kandidatenkür (vermutlich in wenigen Wochen) und der Wahl im Herbst 2025 gesehen. Für Söder werde die Zeit bis dahin „brutal“ werden, er müsse sich „zwölf Monate auf die Zunge beißen“, sagt einer seiner Widersacher.

Ob er das schafft? Zumal die Qualen für Söder nach einer Kür von Merz nicht vorbei sind, im Gegenteil. Er muss dann für sich selbst entscheiden, wo seine politische Zukunft liegt. Das Ministerpräsidenten-Amt langweilt ihn längst, aber sich im Kabinett einem Kanzler Merz unterordnen will er auch nicht. Stand jetzt glauben die meisten in der CSU, dass Söder in München bleibt. Auch weil er „mit Berlin fremdelt“, wie ein Söder-Kenner sagt.

Es gilt aber auch als denkbar, dass es sich Söder unterwegs nochmal anders überlegen könnte und während der Legislaturperiode eine Kabinettsumbildung in Berlin erzwingt, um doch noch in die Regierung zu wechseln. Zumal er sich auf die Loyalität der Berliner CSU-Landesgruppe keineswegs verlassen kann. Deren stärkster Mann Alexander Dobrindt dürfte in einer künftigen unionsgeführten Regierung das wichtigste Ministeramt bekommen, das der CSU zusteht. Warum sollte Dobrindt, der noch nie ein Söder-Freund war, auf Anweisungen aus dem fernen München hören, statt auf den Kanzler, mit dem er jede Woche am Kabinettstisch sitzt?

Auch in einer zweiten Frage, dem Umgang mit den Grünen, könnte Söder erleben, dass er klein beigeben muss. Söder schließt ein Bündnis mit den Grünen kategorisch aus und plustert sich dabei gewaltig auf. „No way“, tönt Söder. Merz dagegen will schon vor der Wahl ausloten, welche Möglichkeiten es mit den Grünen geben könnte.

Mit seinen Dauerattacken auf die Grünen kann sich Söder billigen Applaus in den Bierzelten abholen. An der CSU-Basis auf dem Land sind die Grünen seit Habecks Heizungsgesetz noch unbeliebter, als sie es dort schon immer waren. Die CSU-Aversionen gegen die Grünen haben eine lange Tradition. Als die Grünen 1986 erstmals in den bayerischen Landtag kamen, wurden sie unter Franz Josef Strauß zu keinem Staatsempfang eingeladen. Und die Treffen zwischen jungen CDU-Abgeordneten und Vertretern der Grünen in Bonn Mitte der 90er-Jahre wurde von der CSU mit allergrößtem Misstrauen verfolgt. Als Angela Merkel 2013 gern eine Koalition mit den Grünen gebildet hätte, scheiterte das vor allem am Widerstand der CSU.

Söders Grünen-Bashing ist aber nicht nur historisch bedingt, zumal er selbst vor drei Jahren noch ganz anders geredet hat. Seine Attacken sind auch angstgetrieben. Wer mit CSU-Leuten spricht, hört immer wieder, dass Söder mit seinen scharfen Attacken auf die Grünen eher auf die Freien Wählern und die AfD zielt. Diesen Parteien, für die die Grünen der Hauptfeind sind, wolle er keine Gelegenheit geben, die CSU in die Nähe der Grünen zu rücken.

Für diejenigen in der CSU, die weiter denken als bis zur nächsten Umfrage, ist diese Strategie aus mehreren Gründen falsch. Zum einen verenge man damit die Regierungsoptionen ohne Not auf die SPD als einzig akzeptablen Koalitionspartner. „Das treibt den Preis nach oben“, sagt einer. Zum anderen könne man die Grünen nicht permanent verteufeln, wenn man in mehreren Bundesländern mit ihnen zusammen regiere. In Thüringen dem möglichen Ministerpräsidenten freie Hand für ein Bündnis mit dem BSW zu geben und gleichzeitig eine Zusammenarbeit mit den Grünen abzulehnen, sei ebenfalls schwer zu vermitteln – zumal auch auf Bundesebene schwierige Mehrheitsverhältnisse entstehen könnten. Will die CSU dann ernsthaft Sahra Wagenknecht die Hand reichen und sie den Grünen verwehren? „Da ist mir der Hofreiter trotz seiner Frisur lieber“, spottet ein CSU-Vorständler.

In den Parlamenten sieht die Sache ohnehin ganz anders aus. Aus der Bundestagsfraktion der Grünen hört man, dass Söders Anti-Grünen Kurs keineswegs auf ungeteilte Zustimmung bei seinen eigenen Abgeordneten stoße. „Es gibt bei der CSU mehrere Leute, die mit den Augen rollen und das unmöglich finden“, sagte ein Grünen-Abgeordneter. Um keinen Hinweis auf seine Quellen bei der CSU zu geben, will er nicht namentlich genannt werden. Im bayerischen Landtag sieht es genauso aus. Der stellvertretende Grünen-Fraktionschef Johannes Becher sagt im Gespräch mit Table.Briefings, in persönlichen Gesprächen zeigten sich CSU-Abgeordnete durchaus offen für Schwarz-Grün, aber offiziell traue sich das niemand zu sagen. Namen nennt auch Becher nicht, er will seine CSU-Kollegen nicht in Schwierigkeiten bringen. Denn wer aufmuckt, bekommt sofort eine Nachricht von Markus Söder.

Letzte Aktualisierung: 24. Juli 2025
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