Analyse
Erscheinungsdatum: 31. August 2023

Schönbohm-Entlassung: Die fürchterliche Fürsorge der Nancy Faeser

Bundesinnenministerin Faeser zu Besuch im BSI Aktuell, 08.08.2022, Bonn, Innenministerin Nancy Faeser gemeinsam mit BSI Praesident Arne Schoenbohm beim Rundgang und Besichtigung einzelner Exponate zur erfolgreichen Arbeit des Bundesamt Bonn Nordrhein-Westfalen Deutschland *** Federal Minister of the Interior Faeser to visit in the BSI Current, 08 08 2022, Bonn, Minister of the Interior Nancy Faeser together with BSI President Arne Schoenbohm during the tour and inspection of individual exhibits on the successful work of the Federal Office Bonn North Rhine Westphalia Germany

Bild: Imago / Political-Moments
Der frühere Präsident des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) Arne Schönbohm hat Klage gegen seine Dienstherrin erhoben: Er wirft ihr die Verletzung von Fürsorgepflichten vor. Bundesinnenministerin Nancy Faeser ist in Erklärungsnot – für die SPD-Spitzenkandidatin in Hessen wird ihr Vorgehen zum Problem.

Das Ende der Berliner Sommerpause hatte sich die Innenministerin sicherlich anders vorgestellt: Der von Nancy Faeser aus dem Amt gejagte frühere Präsident des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) Arne Schönbohm verklagt seine Dienstherrin. Formal geht es in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Köln um 5.000 Euro Schadenersatz. Tatsächlich geht es um Schönbohms Reputation – und damit um diejenige, die dieser Reputation geschadet haben soll: Bundesinnenministerin Nancy Faeser. Ihr Vorgehen gegen Schönbohm wird der SPD-Politikerin nun selbst gefährlich – und das zum denkbar schlechtesten Zeitpunkt für sie.

Mitte Oktober 2022 hatte die Ministerin Schönbohm die Führung der Dienstgeschäfte untersagt. Der Anlass: Wenige Tage zuvor hatte der ZDF-Satiriker Jan Böhmermann in einer Sendung den BSI-Präsidenten als Gefahr für die Cybersicherheit Deutschlands bezeichnet – ohne dafür einen konkreten Beleg liefern zu können. Doch an der Spitze des Bundesinnenministeriums hielt man Schönbohm nach der Sendung plötzlich für untragbar.

Doch Schönbohm, CDU-Mitglied und Sohn des einstigen brandenburgischen Innenministers Jörg Schönbohm, war und ist kein politischer Beamter, wie etwa die Präsidenten von BKA und Verfassungsschutz. Er konnte daher nicht ohne weiteres in den einstweiligen Ruhestand versetzt werden. Was folgte, war ein eigenwilliges Fernduell: Fachleute gegen die Hausleitung.

Schönbohm war sich sicher, als Staatsdiener stets korrekt gehandelt zu haben. Der BSI-Vizepräsident Gerhard Schabhüser schrieb kurz vor dem Amtsausübungsverbot einen Brief an das Ministerium, in dem er das BMI dazu aufforderte, Falschdarstellungen aktiver entgegenzutreten. Die Vorgänge würden der Reputation der Cybersicherheitsbehörde schaden. Und Schabhüser legte minutiös dar, warum Schönbohm keine Fehler gemacht habe.

Faesers Innenministerium interessierte das wenig. Es startete stattdessen komplizierte Umbesetzungsoperationen. An deren Schluss dotierte der Haushaltsausschuss die Leitungsstelle der winzigen Bundesakademie für Öffentliche Verwaltung Anfang Dezember höher, sodass sie Schönbohms Besoldungsstufe formal entsprach. Auf diesem Weg würgte das BMI eine Klage Schönbohms gegen das Verbot, die Amtsgeschäfte zu führen, juristisch ab. Denn der hatte ja nun eine neue Verwendung, beamtenrechtlich kaum anfechtbar. Auch dem von Schönbohm an das BMI gerichtete Wunsch, ein formelles Disziplinarverfahren gegen ihn zu eröffnen, um alle Vorwürfe klären zu lassen, wurde nicht entsprochen. Stattdessen ging das BMI einen ganz anderen Weg.

Niemand geringeres als die Bundesinnenministerin Nancy Faeser selbst ließ ihre nachgeordneten Behörden nach Anhaltspunkten für ein Fehlverhalten Schönbohms suchen. Das zeigt eine jetzt von Bild veröffentlichte interne Unterlage aus der Zentralabteilung des BMI. Sogar das Bundesamt für Verfassungsschutz, das eigentlich Terroristen, Spione und Demokratiefeinde finden und beobachten soll, sollte noch im März 2023 auf Wunsch Faesers nach Belegen suchen.

Da hatten die Beamten in ihrem Haus die Prüfung längst als abgeschlossen betrachtet – zugunsten Schönbohms. Dass eine Innenministerin aber den Verfassungsschutz gegen einen eigenen hohen Beamten belastendes Material suchen lassen will, dürfte in der Geschichte der Bundesrepublik seit der Wiedervereinigung ein einmaliger Vorgang sein. Weitere relevante Indizien für ein Fehlverhalten Schönbohms fanden sich auch nach Faesers Intervention nicht – wie von den eigenen Beamten vorhergesagt. Im Mai wurden die Nachforschungen dann für abgeschlossen erklärt.

Faeser selbst äußert sich bis heute in der Sache nicht. Auf den Vorgang angesprochen liest die Innenministerin, die im Oktober in Hessen Ministerpräsidentin werden will, stets das gleiche Statement ab: Das BSI habe mit Claudia Plattner jetzt eine hervorragende Präsidentin.

Schönbohm hat nun den einzigen Weg gewählt, der ihm bleibt, um seinen Namen reinzuwaschen: Er will gerichtlich feststellen lassen, dass Faeser und das BMI die Fürsorgepflichten verletzt haben, die der Dienstherr im Beamtenrecht hat. Für die Innenministerin kommt das Verfahren zur Unzeit : Sie muss sich erneut fragen lassen, warum sie Schönbohm erst überhastet aus dem Amt entfernte – und diesen Fehler bis heute nicht zugeben kann. Und kann eine Ministerin, die höchstpersönlich ihre Fürsorgepflichten als Dienstherrin verletzt haben soll, im Amt bleiben? Das entscheiden jetzt nicht mehr nur die Wähler in Hessen – sondern auch die Verwaltungsrichter in Köln.

Das Bundesinnenministerium äußerte sich am Abend zur Klage Schönbohms wortkarg: Es könne sich „wie üblich nicht zu möglichen einzelnen Personalangelegenheiten äußern“. Auch der frühere BSI-Präsident selbst äußert sich zum Sachverhalt nicht.

Letzte Aktualisierung: 24. Juli 2025
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