Vor allem Alexander Dobrindt war es, der in den Gesprächen mit Britta Haßelmann und Katharina Dröge den tiefen Graben überbrücken half, den die CSU mit ihrem Grünen-Bashing über Monate aufgerissen hatte. Einen Graben, den Markus Söder mit seiner Rede beim politischen Aschermittwoch noch vergrößerte, obwohl die Not der schwarz-roten Koalition in spe längst offenkundig war.
Bislang galt Dobrindt selbst als holzschnittartiger Lautsprecher. Doch während Söder in Passau noch einmal polterte, werkelte Dobrindt in Berlin hinter verschlossenen Türen am großen Schulden-Paket mit den Grünen – und damit am Fundament für die neue Bundesregierung. Dass Dobrindt nach der Wahl rhetorisch abrüstete und mit großem Verhandlungsgeschick Kompromisse schmiedete, überraschte nicht nur Grüne und Sozialdemokraten.
Auch in der Union schauen viele erstaunt bis verwundert auf die Wandlung des ehemaligen Verkehrsministers. Personen, die auf höchster Ebene in die Verhandlungen eingebunden sind, berichten, dass Dobrindt es gewesen sei, der auch Pannen von Kanzlerkandidat Friedrich Merz im Umgang mit der Fraktionsspitze der Grünen ausbügelte. Spätestens seitdem gilt er als einer, dem ein wichtiges Ministerium nicht zu verweigern wäre. Zumal sein Verhältnis zu Merz schon seit längerem vertrauensvoll und eng ist. Damit gleicht er auch aus, was trotz aller öffentlichen Bekundungen an Misstrauen zwischen Merz und Söder geblieben ist.
In der CSU hat Dobrindt seine Position ebenfalls noch einmal verbessert. Er habe seine Sache bei den Verhandlungen mit den Grünen „sehr gut gemacht“, attestiert ihm zum Beispiel Klaus Holetschek, Vorsitzender der Münchner CSU-Landtagsfraktion. Und Peter Ramsauer, selbst zwischen 2005 und 2009 CSU-Landesgruppenchef, bescheinigt Dobrindt, er sei bei den Sondierungsgesprächen „sehr geschickt aufgetreten“. Selbstverständlich sind derlei parteiinterne Lobeshymnen nicht. Denn Dobrindt gehört in der CSU zu den unbeliebteren Politikern. Er gilt vielen als Machtmensch mit manchmal unangenehmen Umgangsformen. Politisch hängt ihm seine unglückliche Zeit als Verkehrsminister nach. Auch wenn sein Nachfolger Andreas Scheuer ein noch schlechteres Bild abgab – der Entwurf für die später gescheiterte PKW-Maut stammt aus Dobrindts Ministerzeit.
Zu CSU-Chef Markus Söder hat Dobrindt erst allmählich ein entspanntes Verhältnis entwickelt. In der Amtszeit von Horst Seehofer als CSU-Chef gehörte er zu denen, die einen weiteren Aufstieg Söders unbedingt verhindern wollten. Doch Dobrindt wechselte geschickt die Seiten. Er verstehe sich darauf, sich dem jeweiligen Chef anzupassen, heißt es bei seinen Kritikern. Inzwischen haben Söder und Dobrindt ein Verhältnis zum gegenseitigen Nutzen. Söder preist seinen Berliner Statthalter bei jeder Gelegenheit. Sein Vorteil: Indem er Dobrindt stark redete, konnte Söder eine Debatte darüber ersticken, warum er nicht selbst die Liste für die Bundestagswahl anführte und als Minister nach Berlin wechselt. Dobrindt seinerseits profitiert kurioserweise von seiner relativen Unbeliebtheit in der CSU. Dadurch muss Söder nicht befürchten, dass ihm in Dobrindt ein echter und also wirklich gefährlicher Rivale erwachsen könnte.
Lange galt es als ausgemacht, dass Dobrindt nach einem Wahlsieg ein wichtiges Ministerium übernimmt. Das könnte womöglich das Finanzministerium sein, aber auch Inneres oder Verteidigung. Söder selbst hat das in Gremiensitzungen offen angekündigt, schließlich fehlt es der CSU an politischen Schwergewichten für die Schlüsselressorts. Doch ob das auch so kommen wird, ist mittlerweile ungewiss. Dobrindt kann sich auch vorstellen, Landesgruppenchef zu bleiben.
Ramsauer hat ihm dazu nach der Wahl sogar ausdrücklich geraten. Er habe ihn gefragt, wer denn bei einem Wechsel ins Kabinett an seiner Stelle im Koalitionsausschuss sitzen werde, erzählt Ramsauer Table Briefings. Auch das habe Dobrindt offenbar ins Grübeln gebracht. Tatsächlich ist der Job als Landesgruppenchef für einen CSU-Bundespolitiker der schönste, den es geben kann: Man ist bei allen wichtigen Gesprächen dabei, muss aber für nichts endgültig den Kopf hinhalten. Kein Wunder, dass sich viele Landesgruppenchefs wie Ramsauer, Michael Glos oder Hans-Peter Friedrich lange gesträubt haben, Minister zu werden.
Welche Rolle Söder sich für Dobrindt wünscht, ist unklar. Einerseits hätte er bei einem dessen Wechsel ins Kabinett die Möglichkeit, einen treuen Gefolgsmann als Landesgruppenchef zu installieren. Andererseits kann Söder auch kein Interesse daran haben, dass ein als schwach eingeschätzter Landesgruppenchef im politischen Alltag vom weit größeren CDU-Teil der Fraktion und der SPD ausmanövriert wird. Der CSU-Landesgruppe wiederum muss daran gelegen sein, dass Söder keinen Aufpasser auf den Chefposten hievt, den er von München aus fernsteuern kann.
Dobrindt selbst soll heftig schwanken. Mehr Macht und Einfluss hätte er als Landesgruppenchef – außer, die CSU erhielte den Zugriff aufs Finanzministerium. Aber was immer aus Dobrindt wird – er ist eine Schlüsselfigur für eine künftige schwarz-rote Koalition. Wie sagte es erst vor wenigen Tagen ein führender Christdemokrat: „Dobrindt ist eine zentrale Figur. Er kann alles zerstören und er kann alles heilen.“ 2013 gehörte er zu den Verhinderern von Schwarz-Grün; 2025 heilt er Pannen und Fehler, die auf andere zurückgehen.