Berlin.Table Analyse Sozialpolitik

Rente: Was mehr Reha und Prävention bringen könnten

Viele Menschen erreichen das gesetzliche Renteneintrittsalter gar nicht. Ein Fokus auf bessere Gesundheitsangebote soll helfen.

23. November 2025
Die Bundesregierung plant einen Ü45-Check für alle (picture alliance/Westend61/Vira Simon)

Im Koalitionsvertrag schreiben Union und SPD, sie wollten den Grundsatz „Prävention vor Reha vor Rente“ stärken. Denn viele Menschen arbeiten derzeit nicht bis zum regulären Eintrittsalter. Für die Jahrgänge ab 1964 beträgt es 67 liegt aber derzeit bei gut 66. Das BMAS setzt etwa auf einen flächendeckenden „Ü45-Check“, der dabei helfen soll, frühzeitig mögliche medizinische Bedarfe zu entdecken. Zudem sollen Reha-Leistungen für Menschen, die eine befristete Erwerbsminderungsrente haben, zielgenauer werden, um Betroffene idealerweise zurück in den Arbeitsmarkt zu führen. Das im September vom Kabinett verabschiedete SGB-VI-Anpassungsgesetz sieht außerdem die Einführung eines individuellen Fallmanagements für Menschen „mit komplexem Handlungsbedarf“ vor. Der Bundesrat muss am 19. Dezember allerdings noch zustimmen.

Eingeschaltet haben sich die Länder auch in die Diskussion um die sogenannte Aktivrente. In ihrer Stellungnahme fordern sie eine Kompensation der Steuerausfälle, die ihnen durch das Gesetz drohen. Insgesamt geht es um jährlich 900 Millionen Euro für Bund, Länder und Kommunen. Laut DGB entspricht die Summe rund zwölf Prozent der Reha-Ausgaben beziehungsweise rund 130.000 zusätzlichen Reha-Maßnahmen der Rentenversicherung. Man sei fest davon überzeugt, dass eine Stärkung von Reha und Prävention eine „deutlich gewinnbringendere Maßnahme“ wäre, sagte Markus Hofmann, Abteilungsleiter Sozialpolitik im DGB-Bundesvorstand, Table.Briefings. Davon würden nicht nur Betriebe und die Wirtschaft profitieren, sondern durch entsprechende Steuer- und Beitragseinnahmen auch Staat und Sozialversicherung – zudem hätten die Betroffenen höhere Rentenansprüche.

Schon 2024 veranstaltete das BMAS einen Dialogprozess zum Thema Arbeit und Rente. Fast 30 Prozent der dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehenden Erwerbspersonen werden bis 2036 das Renteneintrittsalter überschritten haben, heißt es in dem Ergebnispapier. Längeres Arbeiten könne daher einen Beitrag zur Fachkräftesicherung leisten. Dabei komme es auch auf Arbeitgeber an, „die Älteren auf dem Arbeitsmarkt eine Chance geben müssen beziehungsweise Beschäftigten bedarfsgerechte Angebote machen sollten“. Gleichzeitig sei das Rentenrecht schon sehr flexibel, das Wissen um die verschiedenen Übergangsmodelle aber „vielfach ausbaufähig“. Wenn es gelänge, die Erwerbsquote der 55- bis 64-Jährigen auf das Niveau der jeweils fünf Jahre Jüngeren zu steigern, bestünde ein zusätzliches Potenzial von 460.000 Erwerbstätigen innerhalb von fünf Jahren, so das Ministerium.

Auch der Gewerkschaftsbund sah in einem für den Dialogprozess erstellten Papier „enorme Potenziale“. Zuletzt seien mehr als 160.000 Versicherte vor dem 60. Lebensjahr und weitere 50.000 im Alter von 60 bis 64 über eine Erwerbsminderungsrente aus gesundheitlichen Gründen aus dem Arbeitsmarkt ausgeschieden. 100.000 Bezieher von sogenannten EM-Renten weniger würden demnach Einsparungen von zwei Milliarden Euro pro Jahr bringen. Schon die Ampel-Koalition hatte das Ziel, die Zahl der Betroffenen zu reduzieren. Dem Bereich Prävention und Reha als Kernaufgabe der Rentenversicherung komme „eine besondere Bedeutung für die Zukunftsfähigkeit von Wirtschaft und Gesellschaft zu“, hieß es in einem Arbeitsprogramm des Ministeriums für die Jahre bis 2025.

Nicht alle Punkte sind bisher umgesetzt. Einer betrifft etwa den Fachkräftemangel im Pflegebereich: Um ihm zu begegnen, könnten die rund 1.100 medizinischen Rehabilitationseinrichtungen „weitere Ausbildungsangebote abseits der Ballungsgebiete schaffen und einen Beitrag zur flächendeckenden Sicherung von Ausbildungskapazitäten leisten“, schrieb das BMAS damals. Zudem brauche es ein bedarfsgerechtes Reha-Budget, der jährlich neu festgelegte Betrag für medizinische und berufliche Rehabilitation ist bisher gedeckelt. Ebenfalls als Ziel genannt wurde eine flächendeckende Etablierung des betrieblichen Eingliederungsmanagements (BEM) als Angebot für Personen, die häufiger oder länger arbeitsunfähig waren. Diesen Aspekt hat auch die aktuelle Bundesregierung aufgegriffen: „Wir wollen das [BEM] auch aufgrund zunehmender psychischer Erkrankungen bekannter machen und stärken die Bekanntheit besonders in kleinen und mittleren Unternehmen“, heißt es im Koalitionsvertrag.

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Letzte Aktualisierung: 23. November 2025