Auch drei Tage nach Beginn des israelischen Angriffs auf die Militärführung und das Atomprogramm des Iran ist kein Ende in Sicht. Im Gegenteil: Israel fliegt seither in zahlreichen Wellen Attacken auf Ziele bis ins Zentrum von Teheran. Nach Angaben von Experten hat es sich durch die zumindest teilweise Zerstörung der iranischen Luftabwehr eine Art Lufthoheit gesichert. Die Vehemenz der israelischen Angriffe deutet darauf hin, dass der Iran militärisch nahezu handlungsunfähig gemacht werden soll.
Bislang ist aber ungewiss, ob dieses Ziel tatsächlich erreichbar ist. Etwa verweisen israelische Sicherheitsexperten darauf, dass Israel bislang zwar die umfangreichen Bunkeranlagen beschädigen, aber nicht zerstören konnte. Ein früherer hochrangiger Mossad-Mitarbeiter sagte Table.Briefings dazu: „Der Erstschlag beeindruckt mich nicht. Der Iran ist ein nuklearer Schwellenstaat mit sechzig Prozent angereichertem Uran. Es bedarf nur einer Entscheidung des Obersten Führers, um die Grenze zu überschreiten.“ Ob die Angriffe auf Atomanlagen im ganzen Land die Fähigkeit des Irans zum Atombombenbau nachhaltig beeinträchtigen, war bis Sonntag weiter offen.
Die Intensität der israelischen Militärschläge hielt unvermindert an. Das könnte erklären, warum sich bis Sonntagnachmittag an immer mehr Militärstandorten im Iran Einheiten aus den Kasernen zurückzogen, um nicht getroffen zu werden. Ob das als Anfang vom Ende der Loyalität zum iranischen Regime gewertet werden kann, lässt sich derzeit noch nicht unabhängig bewerten.
Dabei steht auch die Frage im Raum, ob sich die Regierung von Benjamin Netanjahu verkalkuliert haben könnte. Sie könnte gehofft haben, dass der ihr eigentlich zugewandte US-Präsident Donald Trump sehr schnell helfen würde, die Atomanlagen zu zerstören. So haben die Amerikaner laut Sicherheitsexperten bunkerbrechende Bomben, die der israelischen Armee offenbar nicht zur Verfügung stehen. Bislang hat die US-Seite nichts unternommen, um in den Konflikt selbst einzugreifen.
Der Krieg überschattet auch das bevorstehende G7-Treffen in Kanada. Sollte der Iran entscheidend geschwächt werden und damit auch seinen Einfluss in der Region verlieren, könnte das die Lage weit über die Region hinaus verändern. So könnte Russlands Armee mit dem Iran einen wichtigen Drohnenlieferanten verlieren. Das könnte erklären, warum Wladimir Putin so erpicht darauf ist, zusammen mit Donald Trump als Friedensvermittler in Erscheinung zu treten. Putin will auf keinen Fall auf die Unterstützung aus dem Iran verzichten müssen.
Die Europäer dürften in Kanada vieles versuchen, um auch in der Frage wieder mitzureden. Aussicht auf viel Erfolg hat das aber nicht. Bislang gibt US-Präsident Trump den Ton für ein Ende der Auseinandersetzung vor. „Iran und Israel sollten einen Deal machen und werden einen Deal machen", schrieb er am Sonntag auf seiner Social-Media-Plattform Truth Social. Das steht zwar im Widerspruch zu Netanjahus Ankündigung, den Konflikt mit Iran in aller Härte militärisch weiterzuführen.
Und doch könnte Trumps Verweis auf eine Verhandlungslösung einen Ausweg aus der Eskalation bieten. Zumal wenn die Kritik aus Europa und dem Nahen Osten an Israels Vorgehen in den kommenden Tagen zunehmen sollte. Angesichts steigender Opferzahlen ist das alles andere als unwahrscheinlich. Mindestens 128 Zivilisten seien seit Freitag in Iran getötet worden, gab das Gesundheitsministerium in Teheran am Sonntag bekannt, Hunderte verletzt worden. In Israel sind seit Freitag 14 Menschen bei iranischen Angriffen getötet worden.
Gut anderthalb Jahre nach dem 7. Oktober hat Netanjahu vielleicht eine ganz neue Chance: Er könnte mit einer Friedensinitiative aus den taktischen Erfolgen auch strategisch Gewinn zu ziehen. Eine Verhandlungslösung im Atomstreit mit dem militärisch wie politisch erheblich geschwächten Iran könnte den Weg weisen hin zu einer friedlichen Neuordnung des Nahen Ostens, schreibt der israelische Sicherheitsexperte Yossi Melman in einer Analyse für Table.Briefings. Eine solche friedliche Neuordnung läge auch im Sicherheitsinteresse Israels. Dazu aber müsste Netanjahu bereit sein, auf dem Verhandlungsweg auch zu geordneten Regelungen mit Israels Feinden in Gaza, im Westjordanland, im Libanon und im Iran zu kommen. Wie der Israeli auf die Lage und auf sein Land schaut, lesen Sie im Security.Table.