Dass im kommenden Winter in Deutschland das Gas knapp wird, ist ziemlich unwahrscheinlich. „Die Ausgangssituation zu Beginn der Heizperiode ist deutlich besser als im vergangenen Jahr“, erklärte der Präsident der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, in der vergangenen Woche. „Die Gasspeicher sind sehr gut gefüllt und die Importe und Einsparungen sind stabil.“ Doch diese guten Nachrichten ergänzt Müller um eine Einschränkung: „Für eine vollständige Entwarnung ist es aber noch zu früh.“
Untermauert wird diese Warnung durch Szenarien der Bundesnetzagentur zur Gasversorgung im nächsten Winter. Und die geben auf den ersten Blick tatsächlich Anlass zur Sorge: In zwei der sechs untersuchten Szenarien reichen die verfügbaren Gasmengen nicht aus, um die Versorgung jederzeit zu sichern. Großer Grund zur Sorge besteht dennoch nicht. Denn anders als im Vorjahr geht die Bundesnetzagentur diesmal in allen Szenarien von einem besonders kalten Winter aus: Als Referenz dient das Jahr 2012, in dem es im Februar Rekordtemperaturen von bis zu minus 30 Grad gab.
Zu einem Gasmangel kommt es aber auch in einem so kalten Winter nur, wenn mehrere weitere ungünstige Bedingungen eintreten: Dazu gehört zum einen, dass Verbraucher und Industrie keinerlei Gas einsparen, sondern der (temperaturbereinigte) Verbrauch anders als im vergangenen Winter dem langjährigen Mittelwert entspricht.
Zum zweiten geht die Netzagentur in den beiden Problem-Szenarien davon aus, dass die Lieferung von russischem Gas nicht nur durch die Ostsee und durch Polen ausfällt, sondern auch durch die Ukraine-Pipeline, durch die einige südosteuropäische Staaten derzeit noch Gas beziehen. In diesem Fall könnte der Füllstand der Gasspeicher der offiziellen Rechnung zufolge bis Ende März auf 5 Prozent sinken; bereits im Februar stünde weniger Gas zur Verfügung als benötigt wird.
Noch schlechter wäre die Situation, wenn zusätzlich noch die Importe geringer ausfallen, weil die Nachbarstaaten, aus denen Deutschland Gas bezieht, mehr Gas für sich selbst benötigen. Selbst bei einer hohen Auslastung der deutschen LNG-Terminals könnte der Speicherstand laut Bundesnetzagentur Ende März dann bei nur noch 2 Prozent liegen. Auch wenn noch eine kleine Reserve vorhanden ist, bedeutet das einen Gasmangel, weil bei Speicherständen von unter 15 Prozent bergrechtliche Einschränkungen greifen, die die Gasentnahme verlangsamen.
Dass alle diese Bedingungen gleichzeitig eintreten, ist wenig wahrscheinlich. Doch selbst wenn es der Fall sein sollte, ist die Situation besser als von der Bundesnetzagentur dargestellt. Deren Annahmen (die in diesem FAQ näher erläutert werden) berücksichtigen an mehreren Stellen nicht, dass die Ausgangssituation in diesem Jahr sehr viel besser ist als im letzten Jahr, das beim Im- und Export als Referenz dient.
Auch wenn eine Gasmangellage somit unwahrscheinlicher ist als von der Bundesnetzagentur angenommen, bleibt der Appell der Behörde sinnvoll, auch im kommenden Winter möglichst sparsam mit Gas umzugehen. Zum einen aus Gründen des Klimaschutzes, zum anderen aus finanziellem Interesse: Mit knapp 9 Cent pro Kilowattstunde kostet Gas bei neuen Verträgen privater Haushalte aktuell zwar weniger als halb so viel wie vor einem Jahr – aber dennoch fast doppelt so viel wie Anfang 2021. „Wer sparsam Gas verbraucht“, sagt Netzagenturchef Müller darum, „kann auch im kommenden Winter viel Geld sparen“.