Analyse
Erscheinungsdatum: 28. April 2024

Mitgliederquorum, Geschlechtsbegriff, Atomkraft: Die Geheimnisse des FDP-Parteitags

Selbst die Delegierten bekommen oft nicht vollständig mit, was auf ihrem Parteitag beschlossen wird. Dabei lohnt sich der Blick auf die zahllosen Antragsdebatten. Sieben spannende Entscheidungen, die zwischen Lindner-Rede und Wirtschaftswende untergegangen sind.

Im Mittelpunkt des FDP-Parteitags standen die Rede von Christian Lindner und der Leitantrag zur Wirtschaftswende. Doch abseits davon – wenn die Fernsehsender Interviews führen und viele Delegierte sich an den Lobby- und Imbissständen umschauen – wird Kleinteiliges verhandelt, das in der öffentlichen Wahrnehmung untergeht.

Um eine Mitgliederbefragung durchzuführen, reichen in der FDP die Unterschriften von 500 Mitgliedern. Eine Gruppe um den ehemaligen Bundestagsabgeordneten Matthias Nölke hatte dies um die Jahreswende für eine Abstimmung zum Verbleib in der Ampel genutzt. Eine knappe Mehrheit votierte damals dagegen; viele Mitglieder beteiligten sich allerdings gar nicht an der Befragung.

Rund 30 Mitglieder beantragten nun gemeinsam, das Quorum für die Durchführung von Mitgliederbefragungen auf 2,5 Prozent aller Mitglieder zu ändern. Nach aktuellen Stand wären das rund 1.750. Nölke nutzte die Gelegenheit, um in seiner Gegenrede erneut gegen die Ampel zu wettern. Zwar stimmte eine deutliche Mehrheit (301 Ja, 148 Nein-Stimmen) für den Antrag, die für Satzungsänderungen notwendige Zwei-Drittel-Mehrhei t der zum Zeitpunkt der Abstimmung in der Halle anwesenden Delegierten wurde allerdings um neun Stimmen verfehlt.

Ein Antrag aus Baden-Württemberg forderte, die Bundesparteitage wieder an wechselnden Standorten auszurichten, um Wahlkampf führende Landesverbände zu unterstützen. Ein Großteil der Delegierten sieht dafür jedoch offenbar keine Notwendigkeit. Im FDP-eigenen „Alex-Müller-Verfahren“, durch das die Anträge schon im Vorfeld durch eine Online-Abstimmung priorisiert wurde, gab es so wenig Unterstützung, dass er auf dem Parteitag gar nicht erst diskutiert wurde.

Eine Aktion der Jungen Liberalen gehört zum Start eines FDP-Parteitags dazu. Diesmal hatte die Jugendorganisation vor dem Eingang zur Berliner „Station“ eine Wippe aufgebaut, um ihren Unmut über das geplante Rentenpaket II auszudrücken: auf der schweren roten Seite Pakete mit der Haltelinie 48 Prozent, steigenden Beiträgen und der Rente mit 63, auf der leichten gelben Seite die Aktienrente, ein flexibler Renteneintritt und die Stärkung der privaten Vorsorge. Deshalb unterstützten die JuLis auch einen Änderungsantrag des stellvertretenden Bundesvorsitzenden Johannes Vogel, der den Leitantrag deutlich verschärfte und unter anderem die Einführung einer Aktienrente nach schwedischem Modell fordert. Dafür gab es breite Unterstützung.

Als Erstes wurde am Sonntagmorgen ein Antrag der Landesverbände Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt mit dem Titel „Atomkraft – Ja bitte! - Den deutschen Sonderweg bei der Energieversorgung beenden“ behandelt. Der in weiten Teilen der Partei in Ungnade gefallene thüringische Landeschef und Kurzzeit-Ministerpräsident Thomas Kemmerich hielt das Plädoyer. Es folgte eine ausführliche Debatte mit zahlreichen Änderungsanträgen, die unter anderem aus der „Atomkraft“ „Kernkraft“ machten. Mehrheitsfähig war der Antrag trotzdem nicht. Was von der Debatte blieb, war die von vielen geäußerte Verärgerung, dass die alten Gräben durch die Debatte unnötigerweise wieder aufgemacht wurden.

Geld erregt bekanntlich die Gemüter: Das zeigte auch der Antrag von acht Landesverbänden (NRW, Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen und Thüringen) zur Änderung der Finanz- und Beitragsordnung. Sie wollten den Landesverbänden die Möglichkeit geben, verpflichtende Abgaben für Mandatsträger einzuführen. Von Abgeordneten, die ihr Mandat der Partei verdanken, könne man dies erwarten, argumentierte NRW-Schatzmeister Christoph Dammermann in seiner Rede. Ex-Generalsekretärin Linda Teuteberg setzte zu einer ausführlichen und leidenschaftlichen Gegenrede an. Über den Umgang mit Diäten dürfe ausschließlich der Gesetzgeber entscheiden, so ihre Argumentation. Damit überzeugte sie die Mehrheit: Mit 253 Nein- zu 229 Ja-Stimmen wurde der Antrag abgelehnt.

Zwei Formulierungen im Beginn der Satzung wollte der Bundesvorstand zeitgemäßer gestalten: Die Worte „des Standes, der Herkunft, der Rasse“ sollten durch „der sozialen und ethnischen Herkunft“ ersetzt werden, das „Geschlecht“ durch die „sexuelle Identität“. Für die Änderung des Rassebegriffs gab es eine deutliche Mehrheit, doch der Geschlechtsbegriff bleibt in der Satzung. Zwar stimmten mehr Mitglieder dafür als dagegen, das notwendige Zwei-Drittel-Quorum wurde allerdings verfehlt.

Nicole Bauer, frauenpolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion, setzte sich für einen Mutterschutz für Selbstständige ein. Unternehmertum und die Gründung einer Familie dürften keine Gegensätze darstellen. Eine Forderung, die nicht nur die weibliche Parteiseele berührt und mit lautstarkem Beifall bedacht wurde. Sie ist nun Teil des Leitantrags.

Letzte Aktualisierung: 24. Juli 2025
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