Analyse
Erscheinungsdatum: 28. Februar 2024

Militärische Forschung: Warum Wissenschaftler die deutsche Politik aufrütteln wollen  

Militärische Forschung hatte in Deutschland lange Zeit keinen guten Ruf. Wissenschaftler fordern jetzt in einem Gutachten, die Zweifel abzulegen und genau in diese Forschung zu investieren. Ein Baustein der Zeitenwende.

Es war lange Zeit ein Tabu. Aber dieses Tabu könnte bald fallen: militärische Forschung an deutschen Unis und Wissenschaftseinrichtungen. Ein entsprechendes Plädoyer hat am Mittwoch die Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI) der Bundesregierung vorgelegt. Ihr Credo: die Zivilklausel in der deutschen Wissenschaft zu überdenken. Angesichts zunehmender globaler Bedrohungslagen sollten „die Optionen im Umgang mit militärischer Forschung und Entwicklung neu bewertet werden“. So steht es im Jahresgutachten der EFI, dass die Experten am Nachmittag an Bundeskanzler Olaf Scholz übergeben haben.

Gemessen an der Ablehnung, die in Deutschland bei diesem Thema über Jahrzehnte herrschte, kommt der Schritt einer kleinen Revolution gleich – und kann schon bald zu einem weiteren Baustein der Zeitenwende werden, die Olaf Scholz nach Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine ausgerufen hat. Forschungsministerin Bettina Stark-Watzinger sieht das offenkundig so. Sie griff der Empfehlung der Wissenschaftler am Montag schon vor und sprach sich in einer Konferenz für eine stärkere Dual-Use Forschung ausgesprochen. Die FDP-Ministerin braucht Felder für die eigene Profilierung und nutzt nun, im Wissen um das Gutachten, dieses Thema, um sich positionieren.

Der Vorsitzende der Kommission, Uwe Cantner, fordert von Kanzler und Regierung nicht nur mehr Offenheit, sondern auch mehr Tempo bei einer Verzahnung von militärischer und ziviler Forschung. Deutschland vergebe an der Stelle große ökonomische Chancen. Von den Hochschulen hörte man lange nichts zu dem Thema. Doch durch den Krieg in der Ukraine, die generell wachsenden Bedrohungen auf der Welt und den engen finanziellen Grenzen durch die Schuldenbremse könnten die inneren Widerstände im Wissenschaftssystem zunehmend schwinden. Reaktionen auf die Forderungen der EFI lesen Sie in dieser Analyse im Research.Table.

Letzte Aktualisierung: 24. Juli 2025
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