Analyse
Erscheinungsdatum: 28. April 2025

Merz und die CDU: Last der Verantwortung, Lust aufs Regieren und ein umstrittener Staatsminister

Friedrich Merz hat seine Minister und Ministerinnen angekündigt, von Feststimmung konnte in Estrel jedoch kaum die Rede sein.

Keine Euphorie, kein übertriebener Beifall, kein rauschendes Fest, sondern viele ernste Worte: Wenige Tage vor der geplanten Übernahme der Regierung konnte man Friedrich Merz und seiner CDU anmerken, wie schwer die Last der Aufgabe für sie noch werden könnte. Vorneweg der Kanzler in spe zeigte mit seinem Auftritt, dass ihm, je näher er dem Kanzleramt kommt, immer stärker die Verantwortung bewusst wird. Merz verzichtete auf jeden scharfen Ton und erinnerte immer wieder daran, wie historisch heikel die Mission werden dürfte angesichts einer Weltlage, in der die für Deutschland so wichtigen Stützpfeiler wegbrächen. Der künftige Regierungschef sprach nicht ausschließlich über Krieg und Frieden. Aber er machte klar, dass ohne Sicherheit im Äußeren alle noch so wichtigen Fragen im Inneren unlösbar blieben. Westbindung, Wiedervereinigung, Europa – in diese Dimension stellte der CDU-Chef die anstehende Aufgabe. Das erklärt auch am besten, warum von Feststimmung im Estrel keine Rede sein konnte. Es gab zwar manches glücklich-stolze Gesicht, weil sich zum Beispiel Johann Wadephul (AA), Karin Prien (Bildung/Familie) und Serap Güler (Staatsministerin) sehr über ihre Nominierungen freuten. Aber selbst aus der Präsentation der künftigen Ministerinnen und Minister wurde keine Jubelfeier. Merz bemühte sich stattdessen, die Auswahl in jedem einzelnen Fall zu begründen. Der Beifall war bei allen ungefähr gleich; auch an der Stelle wollte niemand ein erstes Beliebtheitsranking machen. Zu ernst ist die Lage. Auf drei Kritikpunkte ging Merz besonders ein. Er betonte, dass die Lockerung der Schuldenbremse sich allein über die äußere Gefährdung begründen lasse. Ohne diesen Beschluss hätte die Handlungsfähigkeit des Staates massiv in Frage gestanden. Das Sondervermögen Infrastruktur lasse sich gegenüber der jüngeren Generation nur dadurch rechtfertigen, dass man damit nicht Substanz „verfrühstücke“, sondern neue Substanz schaffe. Und zur Kritik der Jungen Union, man kümmere sich nicht genügend um eine Reform des Sozialstaates, erklärte Merz, man sei fest entschlossen, diesen Eindruck zu widerlegen. Seine Zusage: Noch in dieser Legislatur werde man bei Rente, Gesundheit und Pflege große Reformen angehen. Das war zwar nur ein Versprechen, aber eines nicht ohne Risiko. Für die SPD können sich derlei Ankündigungen aktuell schnell zu einer mindestens gefühlten Drohung auswachsen. Stabilität lieferten im Estrel nicht zuletzt diejenigen, die sich als Verlierer fühlen könnten. Dazu gehören Abgeordnete wie Armin Laschet,Andreas Jung und Norbert Röttgen, die erstmal nichts wurden, aber im Estrel nicht jammerten, sondern sich demonstrativ mit anderen freuten. Hinzu kommen Landesverbände wie Hessen und Niedersachsen, die vom Kuchen wenig abbekommen haben, aber trotzdem uneingeschränkt für den Koa-Vertrag warben. Und auch NRW-MP Hendrik Wüst ließ nichts Negatives verlauten, obwohl NRW im Kabinett wenig Posten besetzt – und die weiter mächtigen Leute aus NRW wie Generalsekretär Carsten Linnemann und der künftige Fraktionschef Jens Spahn jedenfalls nicht zum Wüst-Lager gehören. Einziges Thema, das manchem im Estrel Sorgen bereitet: Wolfram Weimer. Der bisherige Verleger, den Merz als Staatsminister für Medien und Kunst nominierte, hat ob problematischer Aussagen schon heftige Kritik auf sich gezogen. Deshalb konnte man im Estrel MPs, Staatskanzleichefs und MdBs sprechen, die befürchten, dass diese Personalie nicht nur die Öffentlichkeit spalten, sondern auch die Bewertung des sonstigen Kabinetts negativ überlagern könnte. Weimer, der mit Merz befreundet ist, hatte in einem „Konservativen Manifest“ unter anderem die Sorge um die „Fortdauer des eigenen Bluts“ geäußert und eine „biologische Selbstaufgabe“ Europas beklagt.

Briefings wie Berlin.Table per E-Mail erhalten

Keine Bankdaten. Keine automatische Verlängerung.

Sie haben bereits das Table.Briefing Abonnement?

Anmelden

Letzte Aktualisierung: 24. Juli 2025

Teilen
Kopiert!