Analyse
Erscheinungsdatum: 29. Mai 2024

Markus Söder: Warum seine Zerrissenheit für CDU und CSU zum Problem werden kann

Die Kanzlerkandidatur scheint entschieden, aber das, was danach kommt, ist völlig offen. In CDU und CSU wächst die Sorge, dass Markus Söder es wie einst Edmund Stoiber machen könnte: zögern und zaudern im Kampf für einen gemeinsamen Wahlsieg.

Was macht Markus Söder? Es ist eine Frage, die noch nicht offen diskutiert wird, aber die strategisch klügeren Köpfe in der Union längst umtreibt: Wie verhält sich der CSU-Chef, wenn Friedrich Merz Kanzlerkandidat der Union wird? Wird er sich dem Erfolg unterordnen und damit einen unbelasteten Wahlkampf ermöglichen? Oder wird er weiter auf Distanz spielen und damit die Zweifel untermauern, die ohnehin viele in der CDU an seiner unbedingten Loyalität haben? Versprochen hat er ersteres. Aber in CDU und CSU gibt es niemanden, der nicht auch Letzteres für möglich halten würde. Und das kann beiden Parteien noch große Schmerzen bereiten.

Söder, so heißt es in der CSU, wisse selbst nicht, was er tun soll. „Der ist jeden Tag hin- und hergerissen“, sagt ein führender CSU-Politiker. In der CSU weckt das ungute Erinnerungen an den Wahlkampf 2005. Damals konnte sich CSU-Chef Edmund Stoiber bis zur Wahl nicht entscheiden, ob er Ministerpräsident in Bayern bleiben oder als Minister unter Kanzlerin Angela Merkel nach Berlin wechseln sollte. Stoibers Strategie der Unbestimmtheit zwang Merkel zu politischen Verrenkungen mit einem „Wirtschaftsexperten“ Paul Kirchhoff, die der Union fast den Sieg gekostet hätten. Stoibers damaliger Generalsekretär: Markus Söder.

„Lieber Superministerpräsident in Bayern als Superminister in Berlin“ – so hat es Söder im April im CSU-Vorstand gesagt. Doch so entschieden die Äußerung klingt, diese Formulierung schließt in Wirklichkeit nichts aus, sie verhindert zunächst nur, dass zu früh eine Diskussion um seine Nachfolge in Bayern aufflammt. Zumal Söder in der gleichen Vorstandssitzung gesagt haben soll, dass er – sollte CDU-Chef Merz wider Erwarten doch nicht Kanzlerkandidat werden – natürlich wieder im Rennen sei. Doch Söders Hoffnung, womöglich doch noch eine Chance zu bekommen, weil er in den persönlichen Umfragen stets vorn lag, ist durch das jüngste ZDF-Politbarometer schwer erschüttert worden. Dort rangiert er bei der Frage nach dem besten Kanzlerkandidaten der Union nur noch auf Platz drei – hinter Wüst und Merz. „Aus der CDU wird ihn niemand rufen“, heißt es deshalb längst unter führenden CSU-Politikern.

Wie sehr Söder seine politische Zukunft umtreibt, zeigte sich zuletzt, als Bild noch einmal die immer wieder aufflackernden Gerüchte groß aufblies, Söder könne der nächste Bundespräsident werden. Als Quelle berief sich die Zeitung auf CDU-Politiker. Doch wer sich in der CSU umhört, bekommt immer wieder zu hören, die Spekulation werde aus Söders eigenem Umfeld gestreut. In der Sache ist die Bundespräsidenten-Nummer absurd. Die Wahl findet erst 2027 statt und auch ein fest im Sattel sitzender Kanzler Friedrich Merz könnte niemandem dieses Amt versprechen. Aus eigener Kraft kann die Union in der Bundesversammlung gar nichts durchsetzen, sie bräuchte Verbündete. Und die Vorstellung, dass Söder unter Grünen, Sozialdemokraten oder Liberalen besonders viel Unterstützung bekommen könnte, wird von kaum jemandem in der Union ernsthaft vertreten.

Unter taktischen Gesichtspunkten macht der frühe Vorstoß indes Sinn. Söder deponiert damit schon einmal vorsorglich sein Interesse, so ganz im Grundsatz und unter außergewöhnlich wichtigen Umständen einen Wechsel nach Berlin nicht auszuschließen. Und es ist ein klares Signal an Merz und die CDU, dass seine Loyalität einen Preis haben wird. Söders Problem ist aber, dass Merz ihm zwar ein wichtiges Amt in einer unionsgeführten Regierung versprechen könnte, er sich aber keinesfalls ein Wunschressort aussuchen kann. Denn wer welches Amt bekommt, entscheidet sich erst in den Koalitionsverhandlungen einer neuen Regierung. Dort säße Söder als CSU-Chef mit am Tisch, aber vermutlich als kleinster Partner.

Das bedeutet: Merz und Söder könnten früh eine kleine Auswahl an wichtigen Ressorts treffen, von denen Söder eines bekommen könnte. Den ersten Zugriff nach dem Kanzler hat der vermutlich dritte Koalitionspartner, weil er nach heutigem Stand größer als die CSU wäre. Danach käme dann Söder an die Reihe. Schon länger spekuliert wird an dieser Stelle über drei Ressorts, die ihm gefallen könnten: erstens das Finanzressort, da kennt er sich aus; zweitens das Verteidigungsressort, es hat nach Jahrzehnten einer doch recht begrenzten Bedeutung massiv an Gewicht gewonnen. Dann ist da noch das Auswärtige Amt – ein Feld, auf dem sich Söder als MP zuletzt durchaus gerne getummelt hat. Und zuguterletzt gibt es ein starkes Wirtschafts- und Energieministerium. Ausgerechnet Robert Habeck, an dem sich Söder so gerne und manchmal auch aggressiv reibt, lebt ihm seit zweieinhalb Jahren vor, wie wichtig dieses Amt geworden ist. Nur: Bislang mag das alles für Söder interessant klingen, sicher ist gar nichts.

Es spricht deshalb viel dafür, dass sich Söder so lange wie möglich offen hält, ob er in Bayern bleibt oder nicht. Für die Wahlkampfstrategie der Union, die in den Umfragen zwar klar vorn liegt, angesichts des Zustandes der Ampel aber eigentlich viel besser dastehen müsste, wären das keine guten Aussichten. „Das wäre ein Déjà Vu zu 2005“, sagt ein CSU-Mann, der sich an den damaligen Wahlkampf noch gut erinnern kann.

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Letzte Aktualisierung: 24. Juli 2025

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