Die Bundestagsverwaltung führt keine Statistik zu Verstößen bei der Parteienfinanzierung. Zu Verfehlungen der Abgeordneten gibt es zu Beginn einer neuen Legislaturperiode immerhin einen Bericht. Dabei geht es etwa um nicht oder zu spät gemeldete Nebeneinkünfte sowie die Ausübung bezahlter Lobby- und Beratungstätigkeiten. Für die 20. Wahlperiode soll der Bericht in den kommenden Monaten vorliegen, der für die 19. Wahlperiode erschien erst ein Jahr nach der Bundestagswahl 2021. Demnach wurden 386 Prüfverfahren eingeleitet, in fünf Fällen wurden Verstöße festgestellt. Ein Ordnungsgeld gab es in einem Fall, mehr ist laut Bericht nicht passiert. Transparenzorganisationen wie Lobbycontrol bemängeln deshalb immer wieder, die Verwaltung reagiere zu lasch. Auf Anfrage teilt die Verwaltung mit, sie nehme Kritik an ihrem Wirken „zur Kenntnis und setzt sich mit kritischen Bewertungen auseinander“. Auf die Frage, ob sie in Folge von Rückmeldungen schon mal etwas verändert hat, wollte sie nicht antworten.
Über ihre Befugnisse entscheidet die Verwaltung nicht selbst. Für schärfere Sanktionen müsste also der Gesetzgeber tätig werden. Bisher stehen bei Verstößen von MdBs außer Ordnungsgeldern und öffentlichen Rügen nicht viele Instrumente zur Verfügung. Lobbycontrol bemängelt auch die personelle Situation: Von gut 3.400 Mitarbeitenden sind nur jeweils zehn für die Überwachung der Parteienfinanzierung und der Verhaltensregeln zuständig. Dazu gehören etwa anzeigepflichtige Angaben wie Nebeneinkünfte. In vielen Fällen bleibe der Verwaltung „nichts anderes übrig als zu vertrauen, dass die Angaben richtig und vollständig sind“, so Timo Lange von Lobbycontrol. Prominente Beispiele und eine Bilanz der vergangenen Jahre hat die NGO in einem Bericht zusammengetragen.
Positiver sieht Lange das 2021 eingeführte Lobbyregister, um das sich ebenfalls zehn Leute kümmern. In Phasen mit einem „erhöhten Arbeitsaufkommen“ wird laut Bundestag aber zusätzliches Aushilfspersonal eingesetzt. Hier sei nicht nur die Personaldecke besser, sondern auch „das Engagement ausgeprägter, die gesetzlichen Bestimmungen anzuwenden“, so Lange. Dennoch spricht sich die NGO grundsätzlich für eine unabhängige Kontrollstelle aus – auch, um Interessenkonflikte etwa durch die Parteizugehörigkeit der Präsidentin zu vermeiden. Als Vorbild gilt Frankreich, wo die „Hohe Behörde für Transparenz im öffentlichen Leben“ (HATVP) Staats- und Regierungschef samt Berater sowie Abgeordnete sowohl im Inland als auch im Europaparlament prüft.
Dazu kommen unter anderem Bürgermeister von Städten mit mehr als 20.000 Einwohnern und Leiter öffentlicher Unternehmen. Sie müssen spätestens zwei Monate nach Antritt ihres Amts oder Mandats zwei Erklärungen abgeben, in denen sie ihr Vermögen sowie mögliche Interessenkonflikte offenlegen. Tun sie das nicht, dürfen sie die Stelle nicht antreten. Neben Geld- und Gefängnisstrafen sind auch Amtsverbote von bis zu zehn Jahren möglich. Während die Bundestagsverwaltung als wenig auskunftsfreudig gilt, bietet die HATVP zudem eine öffentliche Suchmaschine. Dort kann man mit zwei Klicks etwa die Einkünfte von Emmanuel Macron einsehen.
Unter der Ampel-Koalition gab es aber auch in Deutschland Verbesserungen. Im März 2024 trat eine Reform des Lobbyregistergesetzes in Kraft, zum Beispiel wurden Eintragungspflichten erweitert. Kurz darauf wurden auch Vorgaben im Strafgesetzbuch verschärft. Abgeordnete, die ihr Mandat nutzen, um gegen Bezahlung die Bundesregierung zu beeinflussen, machen sich seitdem strafbar. Sowohl ihnen als auch ihrem Auftraggeber drohen dann bis zu drei Jahren Gefängnis oder eine Geldstrafe. Außerdem gibt es ein sogenanntes Karenzzeit-Gremium, das ehemaligen Ministern und Staatssekretären für maximal 18 Monate nach Ausscheiden aus dem Amt untersagen kann, Lobby– oder andere Tätigkeiten mit möglichen Interessenkonflikten anzutreten.
Eine Dauerbaustelle bleibt die Parteienfinanzierung. Seit knapp einem Jahr läuft ein Gerichtsverfahren, das die PARTEI von Martin Sonneborn gegen den Bundestag angestrengt hat. Dieser hatte in einer Zahlung des Immobilienunternehmers Christoph Gröner an die Berliner CDU keine illegale Parteispende gesehen, obwohl Hinweise darauf vorlagen. Derzeit droht zudem der AfD, die schon mal wegen rechtswidriger Zuwendungen sanktioniert wurde, wegen einer kürzlich bekannt gewordenen Spende in Höhe von 2,3 Millionen Euro entsprechend gesetzlicher Vorgaben eine Strafe in dreifacher Höhe.
Eine große Lücke ist bisher Sponsoring wie auf Parteitagen. Das zeigt auch ein aktueller Fall aus dem Wahlkampf. Erst für Einnahmen ab 2025 muss offengelegt werden, woher das Geld kommt. Die entsprechenden Rechenschaftsberichte erscheinen aber mit zwei Jahren Verzug. Und obwohl laut Gesetz Summen über 35.000 Euro „unverzüglich“ dem Bundestag gemeldet werden müssen, halten sich die Verantwortlichen nicht immer daran – und haben bisher keine Konsequenzen zu befürchten. Über weitere Probleme bei der Parteienfinanzierung und Hürden für mögliche Verschärfungen äußerte sich kürzlich die Juristin Sophie Schönberger im Podcast Table.Today:
Anmerkung: In einer früheren Fassung hieß es, für das Lobbyregister seien 25 Personen zuständig. Es sind 10 zuzüglich Aushilfspersonal in Phasen mit erhöhtem Arbeitsaufkommen. Wir bitten, den Fehler zu entschuldigen.