Analyse
Erscheinungsdatum: 29. August 2024

Landtagswahlen: Im Osten und im Bund stehen Koalitionen und Karrieren auf dem Spiel 

Die Wahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg können Folgen haben, die weit über die Länder hinaus wirken – von Neuwahlen bis hin zu neuen Kanzlerkandidaten.

Vieles ist möglich am Sonntag. Populisten und Extremisten könnten die gemeinsam die Mehrheit der Sitze in den Landtagen von Dresden und Erfurt erringen. Ministerpräsidenten in Sachsen und Thüringen und drei Wochen später in Brandenburg könnten ihre Ämter verlieren. Werden die Ergebnisse der Landtagswahlen am Sonntag auch die Bundespolitik erschüttern? Ein paar Szenarien:

Die Union: Für Friedrich Merz geht es am Sonntag um die Kanzlerkandidatur. Verliert Michael Kretschmer in Sachsen die Macht, wird die CDU von der AfD deutlich geschlagen, oder kann Mario Voigt in Thüringen nicht Ministerpräsident werden, wird es schwierig für den CDU-Vorsitzenden. Seit Wochen lässt Merz Kretschmers Friedensbotschaften unwidersprochen. Gegen seine politische Überzeugung lässt er den Sachsen-MP fast das gleiche Lied singen wie die Russland-Freunde von AfD und BSW. „Aus Verantwortung für Sachsen“ geschehe das – aus Verantwortung für die Spitzenkandidatur 2025 natürlich auch. Niederlagen in Sachsen und Thüringen könnten schnell Markus Söder auf den Plan rufen – und andere Merz-Zweifler auch.

Die Botschaft der Sozialdemokraten lautet: Olaf Scholz ist unser Kanzler und wird auch unser Kanzlerkandidat. Gilt das noch, wenn die SPD in Sachsen aus dem Landtag fliegt? Und Dietmar Woidke in Brandenburg nicht wiedergewählt wird? Bisher heißt es, es werde bis zum regulären Wahltermin im September 2025 weitergehen, Scholz könne sich erholen und vielleicht sogar gegen Merz gewinnen. Aber wenn Merz gar nicht der Gegner ist – dann könnte es einen Kamala-Harris-Effekt für die Union geben. Und Scholz wäre der, der alt aussieht.

Ob ein solches Szenario zu Neuwahlen führen könnte, hängt auch von den Freidemokraten ab. Vor den Landtagswahlen rangiert die FDP in Umfragen überall an der Grenze der Messbarkeit. Aber nach allgemeiner Einschätzung wird auch eine dreifache Niederlage Christian Lindner nicht zur Umkehr bewegen. Im Gegenteil: Die FDP zielt auf ihr Stammklientel im Westen. Der Widerstand gegen rot-grüne Regulierungspläne, die Schuldenbremsen-Bewahrung – die Anti-Ampel-Politik in der Ampel – sind Lindners letzte Ideen, um seine Partei über die Fünf-Prozent-Hürde bei der Bundestagswahl zu hieven. Wird er es so dosieren, dass seine Partei gerade nicht aus der Ampel flieht?

Für die Grünen gilt: Jeder Wiedereinzug in einen der drei Landtage wäre ein Erfolg. Aber auch in einem solchen Fall wäre eine Regierungsbeteiligung eher unwahrscheinlich. Für die Bundespartei hätte das keine große Bedeutung. Für einen Spitzenkandidaten Robert Habeck auch nicht. Und im Übrigen ist nach allem, was man hört, klar: Ein Ausscheiden oder ein Rauswurf der FDP aus der Ampel bedeutete auch einen Rückzug der grünen Kabinettsmitglieder. Im Untergang will man sich von der SPD nicht für ein rot-grünes Minderheitenprojekt mitverhaften lassen. Das Licht im Ampel-Haus wird Scholz allein ausmachen müssen.

Die Linke liegt in Umfragen im niedrigen einstelligen Bereich. Es scheint, als habe Sahra Wagenknecht der einstigen und einzigen Ost-Partei den Todesstoß versetzt. Nicht ganz: In Erfurt regiert seit zehn Jahren Bodo Ramelow als beliebtester Politiker des Landes. Wer soll ihm eigentlich nachfolgen, wenn die CDU nicht mit der Linken koalieren will, und es mit dem BSW nicht reicht oder Wagenknechts Bedingungen unerfüllbar sind? Die Thüringer haben jedenfalls schon Erfahrungen mit Minderheitsregierungen.

Letzte Aktualisierung: 24. Juli 2025
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