Friedrich Merz wollte, dass es schnell geht mit dem Wahltermin. Umso schneller ereilt ihn jetzt eine Frage, die heikel werden kann im Ringen um eine Mehrheit: Mit wem will er hinterher eigentlich regieren? Und was bedeutet das für den Wahlkampf davor? Was wollen seine Leute? Und was erzählt er den Menschen? Ein Vertrauter des Kanzlerkandidaten sagte am Mittwoch Table.Briefings, die Union werde außerhalb von Berlin schon jetzt wie die nächste Regierung behandelt. „Aus diesem Grund dürfen wir nichts versprechen, was wir nicht halten können. Und wir dürfen nichts kaputt reden, was wir hinterher womöglich noch brauchen werden.“
Drei Stimmungen wirken aktuell auf Merz und die Union ein – und alle drei könnten in die Irre führen. Da ist erstens das altbekannte Gefühl, die FDP sei so etwas wie der natürliche Partner. Ein Blick auf die Rezepte zur Gesundung der Wirtschaft – radikaler Bürokratieabbau, Streckung der Klimaziele, Technikoffenheit bei der Lösung mancher Probleme – legt nahe, dass Union und FDP an der Stelle sehr gut zusammenpassen. Und es erklärt schnell, warum zwischen den Fraktionen vermehrt Brücken gesucht werden. Ein Beispiel: die sogenannte Kartoffelküche. Dabei handelt es sich um eine vertrauliche Runde, vor gut zehn Jahren gegründet von FDP-Chefhaushälter Otto Fricke und Ex-Finanzstaatssekretär Steffen Kampeter von der CDU, der heute Arbeitgeberfunktionär ist. Politico hatte als Erstes darüber berichtet.
Und doch: Nicht nur ein Blick auf die Umfragen führt bei Merz und seiner Mannschaft dazu, einen Lagerwahlkampf abzulehnen. Sie haben studiert, wie sich die FDP in der Ampel verhielt. Und sie haben nicht vergessen, dass auch die Liberalen beim neuen, vor allem die CSU treffenden Wahlrecht mitmachten. Und sie wissen, dass vor allem die SPD nur darauf wartet, Merz an der Seite von Christian Lindner zum kalten Wirtschaftsvertreter zu stilisieren.
Stimmung Nummer zwei: Der Kanzler ist gescheitert – und seine Partei gleich mit. Anders ausgedrückt: Die SPD ist und bleibt doch eigentlich der natürliche Gegner. Auch dieses Gefühl ist in den Reihen der Union weit verbreitet. Merz hat mit seinen scharfen Attacken gegen Scholz auch nichts getan, um dem entgegenzuwirken. Aber: Von nachdenklichen Christdemokraten, hohen Gewerkschaftsfunktionären und Betriebsräten kann man anderes vernehmen. Bis in die DGB-Spitze hinein hört man, dass sich Merz und Mitstreiter um gute Kontakte bemühen. Hier ist niemandem verborgen geblieben, wie prominent Merz den Tarifabschluss in der Metallindustrie gelobt hat. Dahinter steckt nicht nur Markus Söders Präferenz für die SPD, sondern auch die Ahnung, dass man in Wirtschaftskrisen die Sozialpartner mehr denn je braucht, also auch die Sozialdemokraten.
Stimmung Nummer drei: Bloß nicht mit den Grünen. Dieses Gefühl hat sich unter Mitgliedern und Funktionären festgefressen; und Merz weiß das. Höchstens in Nuancen lassen manche die Merz’sche Einschränkung zu, dass diese Grünen nach Heizungsgesetz und Technik-Rigidität keine Partner sein könnten. Allerdings stehen diesem Diktum drei Erfahrungen entgegen, die bei Merz Eindruck hinterlassen haben. Zum einen beschreiben er und sein Umfeld den persönlichen Kontakt zu den wichtigsten Spitzengrünen als angenehm und völlig in Ordnung, was er deutlich seltener über andere Parteien berichtet. Zum anderen weiß Merz, dass die Grünen ihm in der Ukrainefrage und im Umgang mit China und Russland viel näher stehen als die Scholz-Sozialdemokraten. Außerdem ist ihm nicht entgangen, dass gemäßigte Grüne nach dem Vorbild Winfried Kretschmanns verlässlich sein können. Er wird deshalb genau hinsehen, ob und wenn ja, wie geschlossen sich die Grünen auf dem anstehenden Parteitag hinter Robert Habeck versammeln.
Merz hat vor Wochen schon erklärt, er wolle eine Koalition bauen, die gemeinsam handelt und nicht mehr streitet. Und er kündigte an, dem früh mit vertrauensbildenden Maßnahmen den Weg zu bereiten. Das erklärt vermutlich am besten, warum er den aktuellen Stimmungen nicht nachgeben möchte. Sie könnten ihm Fesseln anlegen, die er nicht mehr loswird.