Sie ist diskret, sie ist kapitalstark und potent, sie ist international einer der großen Player – aber sie macht zu wenig aus ihren Möglichkeiten. Und das zu einer Zeit, in der weltweit gewaltige Kapitalmengen erforderlich sind, um innerhalb weniger Jahrzehnte und global die Transformation in eine ökologischere und vor allem klimaverträgliche Welt zu schaffen.
Die Rede ist von der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) und ihren Töchtern, eine der weltweit großen Entwicklungsbanken. Denn der Anspruch ist kein geringer: Die Bankengruppe, zu 80 Prozent im Besitz des Bundes, zu 20 Prozent der Länder, hat die Umwandlung zu einer Transformationsbank zu ihrem wichtigsten strategischen Ziel erklärt. Das heißt, sie will Staaten und Projekte auf dem Weg zur Klimaneutralität unterstützen.
In der Selbstbeschreibung heißt es denn auch, die KfW Entwicklungsbank, eine der Töchter, gehöre „zu den größten Finanziers erneuerbarer Energien in Entwicklungsländern“. Bei den „Förderaktivitäten im Ausland gewinnen Umwelt- und Klimaschutzaspekte für die KfW immer mehr an Bedeutung“. So weit die Selbstdarstellung.
Eine Studie der Berliner Stiftung Klimaneutralität, die in dieser Woche veröffentlicht wird und von der Fachagentur Climate Development Advice stammt, kommt nun allerdings zu einem anderen Befund: In ihrem internationalen Geschäft werde die KfW „ihrem Anspruch, eine führende Rolle als Transformationsbank zu spielen, nicht gerecht“. Die wesentlichen Kritikpunkte:
— Die Bank finanziere weiterhin Projekte, die mit den Pariser Klimazielen nicht vereinbar seien.
— Sie vergebe zu wenig Kredite in den Sektoren Energie, Klima und Umwelt.
— Zu wenig Mittel flössen in den Globalen Süden. Von den Neuzusagen im internationalen Geschäft seien 2022 Prozent nur rund die Hälfte in den Globalen Süden geflossen. Besonders gering sei der Anteil in den vom Klimawandel besonders betroffenen Ländern gewesen.
— Die KfW mobilisiere zu wenig privates und sonstiges Kapital für den Umwelt- und Klimabereich.
— Seit Jahren würden in der KfW personelle Beratungs- und Think-Tank-Kapazitäten abgebaut. Solche Kapazitäten seien aber dringend nötig, um überhaupt mehr Transformationsprojekte im Globalen Süden bewerten und finanzieren zu können.
— Es fehle an einer Gesamtsteuerung in der Bank, um dem eigenen Anspruch, nämlich auch global Transformationsbank zu sein, gerecht zu werden.
— Die KfW sei eine öffentlich-rechtliche Bank. Dafür fehle es an politischer Einflussnahme. Die Möglichkeiten, über den Aufsichtsrat auf mehr Gemeinwohlorientierung zu dringen, blieben ungenutzt.
Die Herausforderungen sind gewaltig. Eigentlich hatten die Industrieländer 2015 in Paris dem Globalen Süden zugesagt, bis 2025 jedes Jahr mindestens 100 Milliarden Dollar für Maßnahmen zur CO₂-Minderung, zur Anpassung und Schadensbewältigung bereitzustellen. Bezahlt wurde seither deutlich weniger, während allein die 58 Mitglieder des Climate Vulnerable Forum (CVF) nach eigenen Angaben seither mehr als 500 Milliarden Dollar an Klimaschäden und -verlusten erlitten haben.
Hinzu kamen für die Länder des Südens enorme Kosten für gestiegene Nahrungsmittel- und Energiepreise, Milliardenausgaben für die Pandemiebewältigung und eine drastisch gestiegene Verschuldung. Betroffen von den drückenden Schulden sind vor allem die am wenigsten entwickelten Länder. „Die Schuldendienstzahlungen werden sich 2022-2029 auf 552 Milliarden US-Dollar belaufen, davon allein 77,6 Milliarden US-Dollar in 2024“, wie es in der Studie heißt. Und weiter: „Das globale Finanzsystem hat sich bislang als unfähig erwiesen, auf die neuen Realitäten des Klimawandels angemessen zu reagieren.“
Breiten Raum räumt die Studie den nicht ausgeschöpften Möglichkeiten der KfW ein. Es gebe erheblichen Spielraum, „mehr beziehungsweise günstigere Finanzierungs- oder Risikoübernahmeangebote zu machen“. Es sei überhaupt kein Problem, „für den Schutz globaler öffentlicher Güter mehr zu investieren und auch weitaus stärker ins finanzielle Risiko zu gehen“.
Davon jedoch könne keine Rede sein, vielmehr führe häufig „die Risikoaversion von Investoren zu einer massiven Finanzierungslücke“ – und genau dort müsse die KfW einspringen
Das jedoch finde nicht statt, und deshalb komme es auch nicht zu den milliardenschweren gehebelten privaten Investitionen, die jedoch für einen globalen effektiven Klimaschutz unverzichtbar seien. Um in dieser Hinsicht voranzukommen, solle die Bank ihren Instrumentenkasten finanziell besser ausstatten und zudem „viel stärker Gebrauch von Garantien als effektivem Hebelinstrument machen“. Diesbezüglich und im internationalen Vergleich sei die KfW Entwicklungsbank „eher ein Nachzügler und kein Vorreiter“, wie der internationale Vergleich zeige.
Vor allem mangle es jedoch an politischer Entschlossenheit. Im Aufsichtsrat sitzen zahlreiche Vertreter von Bund und Ländern. Auf eine politische Steuerung verzichten sie jedoch. Stattdessen orientiere sich auch die KfW am Ziel der meisten konventionellen Banken – der Renditeoptimierung. Die Studienautoren notieren, die Bankengruppe könne „für die Finanzierung von Transformationserfordernissen deutlich stärker ins Risiko gehen, als sie das heute tut, wenn hierfür der politische Wille besteht und im Verwaltungsrat durchgesetzt wird“. Denn: „Welchen Kurs die KfW einschlägt, obliegt letztlich der politischen Führung beziehungsweise der Bereitschaft, mehr von dieser walten zu lassen.“
So gesehen könne sich die Bankengruppe „deutlich stärker für risikobehaftete transformative Belange im Globalen Süden engagieren, wenn die Politik ihr dafür ein Mandat erteilt“. Davon jedoch sei kaum etwas zu sehen, „ein spezifisch entwicklungs-, transformations- und klimapolitischer Hintergrund ist im aktuellen Vorstand nicht erkennbar“.
Eigentlich kann das nicht wirklich erstaunen, vermerken die Autoren, denn die Bank funktioniere inzwischen weitgehend wie ein konventionelles Geldhaus. Das Personal komme überwiegend aus der traditionellen Finanzbranche, die einst renommierten Think-Tank-Qualitäten seien stark abgebaut worden und auch die neu justierten internen Anreizsysteme hätten die Innovationsfähigkeit und die Bereitschaft zur Förderung von kleinen Projekten und Vorhaben jenseits der üblichen Standards verringert.
Ein weiterer Kritikpunkt: Die KfW behalte sich vor, weiterhin fossile Energieträger in Form von 1,5 Grad-kompatiblen Erdgas-Kraftwerke zu finanzieren. Sie könne eigene nichtöffentliche Kriterien definieren, die nicht der Sektorrichtlinie entsprechen müssen, um auch weiterhin Erdgas-Kraftwerke zu finanzieren. Dies sei mit dem Anspruch, „eine vorbildliche Transformationsbank zu sein“, unvereinbar. Es sei auch im Bereich Erdgas angezeigt, „alle Unklarheiten auszuräumen“.
Immerhin, es gab auch Positives: So habe die Bankengruppe kooperiert und auch zuvor unveröffentlichte interne Daten zur Verfügung gestellt. Doch der Eindruck bleibt: Nach wie vor werde Klimaschutz zu oft „lediglich als zusätzliche Renditechance gesehen“. Nachhaltig gehandelt werde bei der Kreditvergabe und im Beteiligungsgeschäft nur dort, wo es auch finanziell lohnend sei. Wer jedoch eine Vorreiterrolle als Transformationsbank einnehmen wolle, so der unmissverständliche Hinweis, müsse „eine klare Ausrichtung ihrer gesamten Geschäftspolitik auf Gemeinwohlorientierung vornehmen und damit dem Schutz globaler öffentlicher Güter Vorrang einräumen“.
Denn, so heißt es, die KfW könne Vorreiter sein: Gelänge es, die Bankengruppe in eine echte Klima- und Transformationsbank umzuwandeln, „hätte dies Signalwirkung für viele andere Entwicklungsbanken“.
Ein zweites Gutachten, verfasst von der gleichen Agentur, empfiehlt mehr internationale Klima- und Transformationspartnerschaften. Deutsche Kooperationen seien strukturell zu wenig auf große Investitionen in die industrielle Transformation ausgerichtet. Wettbewerber wie die USA oder China seien deutschen Bemühungen mit schnellen und großvolumigen Investitionszusagen regelmäßig um Längen voraus. Stiftungsdirektorin Regine Günther : „Unter den geänderten geopolitischen Voraussetzungen sollte Deutschland auch seine internationalen Partnerschaften schnell neu justieren und diversifizieren.“