Analyse
Erscheinungsdatum: 09. Mai 2023

Heizungsverband: „Das gegenwärtige Vorgehen ist ein Fehler“

Helmut Bramann, Hauptgeschaeftsfuehrer des ZVSHK, Zentralverband Sanitär Heizung Klima, St. Augustin, 16.08.2018. || (c) Christoph Papsch - www.christoph-papsch.com - Jegliche Verwendung nur mit Urhebervermerk nach Parag. 13 UrhG. Die IPTC-Daten und Urheberangaben sind nach Parag. 95c UrhG rechtlich geschuetzt und duerfen nicht entfernt werden.
Der Streit um die Heizungen hält das politische Berlin in Atem. Deshalb haben wir beim Hauptgeschäftsführer des Heizungsverbands nachgefragt, was technisch möglich ist, was vielleicht nicht geht und was nötig ist, um das Ziel eines CO2-neutralen Heizens zu erreichen.

Die Regierungspläne zum Verbot des Einbaus neuer Gas- und Ölheizungen haben zu beträchtlicher Verunsicherung geführt. Welche Gebäude eignen sich für den Einbau von Wärmepumpen und wo wird es problematisch?

Das ist in vielen Fällen eine Einzelfallbetrachtung. Da geht es zum Beispiel um die Frage, ist genügend Platz für das Außengerät da, etwa ein Garten, kann man es ohne große Störgeräusche aufstellen, denn eine Wärmepumpe verursacht einen gewissen Lärm, gibt es ausreichende Abstandsflächen zu den Nachbarn. Aber wir müssen natürlich auch eine gewisse Gebäudesubstanz haben. Und da würde ich grob schätzen, dass etwas unter 50 Prozent des Gebäudebestandes in Deutschland von seiner Substanz her dafür geeignet sind, nur mit einer Wärmepumpe als Heizung zurechtzukommen, ohne zusätzliche Maßnahmen ergreifen zu müssen.

Welche technischen Voraussetzungen müssen gegeben sein, damit eine Wärmepumpe sinnvoll ist. Es heißt immer, man braucht dafür eine Fußbodenheizung. Und man braucht vermutlich auch eine bereits durchgeführte Wärmedämmung.

Ich denke, bei Gebäuden auf Basis der zweiten Wärmeschutzverordnung, die bestimmte Dämmstandards umfasst, müsste es hinhauen, ohne dass zusätzliche Maßnahmen nötig sind. Aber alles, was diese Standards nicht erfüllt, und das sind eben etwas mehr als 50 Prozent der Gebäude, ist nicht so ohne Weiteres Niedrigtemperatur-fähig, sodass man sagen kann: Jetzt nur die Wärmepumpe und das reicht dann.

Und wie sieht es mit der Fußbodenheizung aus?

Für Wärmepumpen im Neubau empfiehlt sich grundsätzlich der Einsatz einer Fußbodenheizung. Bei der Modernisierung sollte durch den Heizungsbauer immer vorab geprüft werden, ob eine Wärmepumpe mit den vorhandenen Heizkörpern ausreichend viel Wärme erzeugt. Wenn nicht, müssen einzelne Heizkörper vergrößert werden oder eine neue Flächenheizung nachträglich eingebaut werden.

Was ist mit Altbauten, die unter Denkmalschutz stehen? Der Denkmalschutz ist oft mit strengen Auflagen verbunden.

Nehmen Sie nur den Reichstag. Der Reichstag wird wahrscheinlich weiterhin mit Gas beheizt werden müssen, da wird man mit Wärmepumpen nicht viel erreichen können. Das Problem ist die lange Dauer der Aufheizung, wenn man keine Flächenabstrahlung hat und das Erreichen der notwendigen Temperatur. Natürlich kann man Altbauten so sanieren, dass sie mit einer Wärmepumpe ausgerüstet werden können, aber das ist natürlich mit einem erheblichen Kostenaufwand verbunden. Und es gibt noch ein anderes Problem.

Welches?

Man erzeugt unter Umständen nicht die nötige Wohlfühltemperatur, die eine ältere Bevölkerung braucht. Je älter wir werden, desto wärmer wollen wir es in der Regel im Winter haben. Und das wird man mit einer Wärmepumpe möglicherweise nicht erreichen.

Welche technischen Alternativen für eine klimafreundliche Umrüstung der Heizung gibt es, wenn Wärmepumpen nicht infrage kommen?

Es gibt natürlich unterschiedliche Varianten, auch Kombinationsmöglichkeiten. In Bayern und anderen großen Flächenstaaten wird beispielsweise viel mit Holz geheizt. Und es gibt aus meiner Sicht auch keinen Grund, das nicht mehr tun zu dürfen. Wir haben in Deutschland einen sehr nachhaltigen Kreislauf bei der Waldbewirtschaftung. Bei der Holzverarbeitung fallen etwa 40 Prozent als Abfall an. Und das macht etwa 90 Prozent der Pellets in Deutschland aus, die wir derzeit noch nicht mal alle selbst verwerten, sondern auch exportieren.

Das heißt, Pellets sind für Sie auch unter Klimagesichtspunkten eine akzeptable Alternative?

Absolut. Die Diskussion wird hier sehr verkürzt geführt. Es wird immer eingewandt, dass mit dem Heizen von Holz das im Holz gebundene CO2 freigesetzt wird, was schlecht sei. Aber wenn wir die Holzabfälle einfach verrotten lassen, wird das CO2 im Zuge des Vermoderns auch frei. Und wir schädigen damit eine funktionierende Holzindustrie, wenn sie die Abfälle nicht mehr vermarkten kann. Außerdem brauchen wir aufgrund des Klimawandels neue Waldbestände mit einer heterogenen Waldlandschaft. Das bedeutet, dass wir den Waldbestand ordentlich bewirtschaften müssen.

Neue Heizungen müssen auch eingebaut werden, dazu braucht es Fachkräfte. Wie viele Fachkräfte fehlen der Branche derzeit?

Was die Kompetenz beim Thema Wärmepumpe anlangt, fehlt uns niemand, die Betriebe befassen sich sehr intensiv mit diesem Thema. Das Problem ist der deutlich höhere Aufwand. Wir haben errechnet, dass der Aufwand für den Heizungsmonteur bei einer Wärmepumpe etwa zweieinhalbmal höher ist als bei einem Heizkessel. Dazu kommen dann noch die anderen Gewerke, die für den Einbau von Wärmepumpen gebraucht werden. Man muss durch die Gebäudehülle durch und je nach System ein Loch graben oder eine Fundamentplatte setzen. Und wir haben derzeit Lieferprobleme. Bei einer Wärmepumpe, die man jetzt bestellt, kann es durchaus passieren, dass sie erst im nächsten Jahr komplett geliefert wird.

Der geplante Verkauf der Heizungssparte des Herstellers Viessmann hat zu Diskussionen geführt. Die einen warnen vor der Abwanderung einer Zukunftstechnologie, andere setzen darauf, dass die Preise für Wärmepumpen sinken, wenn große Unternehmen aus Asien und den USA auf dem deutschen Markt tätig werden. Wie sehen Sie das?

Beides ist richtig. Wenn ein großer amerikanischer Hersteller über Viessmann einen leichteren Zugang zum deutschen Markt bekommt, wird sich das auf die Preise auswirken. Ich glaube, dass die Preise im nächsten Jahr wesentlich niedriger liegen werden. Andererseits wird durch einen solchen Verkauf natürlich auch technologisches Wissen in eine dann größere Einheit fließen. Die deutschen Hersteller haben gegenwärtig beim Thema Wärmepumpen, etwa was den Einsatz von Kältemitteln angeht, einen Vorsprung von ein bis zwei Jahren. Und ein Verkauf kann eben auch dazu führen, dass die Technologie dann woanders weiterentwickelt wird und nicht mehr in Deutschland.

Ist das deutsche Stromnetz für den flächendeckenden Einbau von Wärmepumpen gerüstet?

Nein, das Stromnetz ist dafür gegenwärtig überhaupt nicht ausgelegt. Wir haben ja nicht nur die Wärmepumpen zusätzlich am Stromnetz, sondern auch die ganze Ladeinfrastruktur für den Ausbau der Elektromobilität.

Das heißt, man muss zuerst die Stromnetze ertüchtigen und kann dann mit der großen Heizungswende beginnen?

Absolut. Das ist auch einer unserer Hauptkritikpunkte. Es geht auch um eine zukunftsfähige kommunale Wärmeplanung. Dafür gibt es Vorgaben, aber die Kommunen bekommen für die Umsetzung noch Zeit. Das bedeutet, dass jemand, der jetzt in eine Notsituation kommt und was an seiner Heizung tun möchte, oft gar nicht weiß, wie die Kommune in zehn Jahren die Wärmeversorgung organisieren wird. Nur wenige Kommunen sind in ihren Planungen schon weiter. In unseren Augen ist das gegenwärtige Vorgehen deshalb ein grundlegender Fehler.

Wird die Heizungswende überstürzt vorgenommen?

Ja, wobei es da nicht um die inhaltlichen Ziele geht. Das Problem ist die gegenüber dem Koalitionsvertrag vorgezogene Einführung zum 1. Januar 2024. Das führt dazu, dass jetzt angebahnte Aufträge, die 2024 ausgeführt werden sollen, nach neuer Gesetzeslage unter Umständen so gar nicht mehr ausgeführt werden können oder kostenintensive Nachbesserungen notwendig werden. Das kann bedeuten, dass bereits erteilte Aufträge dann rückabgewickelt werden müssten.

Was müsste geändert werden?

Man müsste zu der Vereinbarung des Koalitionsvertrages zurückkehren. Da steht der 1. Januar 2025 drin. Oder die Regierung hätte viel früher für Klarheit in dem Gesetz sorgen müssen. Das hat man wegen des Ukraine-Krieges und seiner Folgen im vergangenen Jahr nicht geschafft. Da mache ich niemandem einen Vorwurf. Aber dann muss man eben auf ein Vorziehen der Frist verzichten und es beim ursprünglichen Beschluss belassen.

Letzte Aktualisierung: 24. Juli 2025
Teilen
Kopiert!