Analyse
Erscheinungsdatum: 18. April 2024

Habecks Reise: Wie ein Grüner zum Handelsreisenden für die Verteidigung der Ukraine wurde

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hatte schon im Sommer 2021 Defensivwaffen für die Ukraine gefordert und wurde damals in Deutschland verspottet. Seit Donnerstagfrüh ist er mit Vertretern mehrerer Rüstungsunternehmen in Kiew. Kann er dadurch Ampel-Abstimmungspflichten zur Waffenhilfe umgehen?

Die Ukraine und Robert Habeck – das ist eine ganz besondere Geschichte, die den Grünen-Politiker schon geprägt hat, als er noch gar kein Minister war. Bereits im Wahlkampf im Sommer 2021 hatte er das Land besucht und war entsetzt gewesen über die Aggressivität der Russen, die schon damals Zivilisten mit Drohnen terrorisierten. Prompt forderte Habeck Defensivwaffen für die Ukraine und wurde in Deutschland dafür kollektiv verspottet. Es wäre nicht weiter verwunderlich, wenn sich ihm das spätestens nach dem russischen Angriff im Februar 2022 für immer eingebrannt hätte.

Inzwischen ist der Grünen-Politiker nicht nur Bundeswirtschaftsminister. Er ist auch Mitglied in einem Kabinett, das seit Monaten mit sich ringt, wie ausgiebig man der Ukraine helfen soll. Habeck steht seit langem bei denen, die weit mehr fordern, als der Kanzler möchte – und hat nun eine Reise gewagt, mit der er die Berliner Debatten womöglich zu umkurven versucht. Seit Donnerstagfrüh ist er mit Vertretern mehrerer Rüstungsunternehmen in Kiew – und hat damit Firmen wie Rheinmetall und Diehl eine Art politischen Schirm verschafft, um der Ukraine mit Joint Ventures und eigenen Produktionsstätten ganz ohne Ampel-Abstimmungspflichten Waffenhilfe zuteilwerden zu lassen.

Angesichts der akuten Bedrohung der Ukraine weiß niemand, ob das noch rechtzeitig kommt. Gemessen an den Berliner Zwistigkeiten ist Habecks Botschaft aber eindeutig: Ich tue, was ich kann, und sei es, dass ich deutschen Firmen dabei helfe, lokal für lokal direkt in der Ukraine produzieren. So wie der Drohnen-Entwickler Quantum aus Gilching bei München.

Seine Vector-Drohnen helfen den Ukrainern schon seit mehr als zwei Jahren bei der Aufklärung. Offenbar haben sie sich so bewährt, dass Quantum nun in Beisein von Habeck den Aufbau einer eigenen Produktionsstätte in der Ukraine bekannt gab: Bis Ende des Jahres sollen 100 Beschäftigte dort die in Bayern entwickelten unbemannten Flugobjekte herstellen.

Quantum ist nur eines von vielen deutschen und europäischen Rüstungsunternehmen, die in der Ukraine entweder in eigene Projekte oder gemeinsame mit ukrainischen Partnern investieren. Vor der Krim-Annexion 2014 war die Ukraine der achtgrößte Rüstungsexporteur der Welt. Die Branche gilt nicht nur jetzt als überlebenswichtig für das Land. Ein Vertreter des ukrainischen Rüstungsindustrie-Verbandes Naudi sagte Table.Briefings bei einer Rüstungsmesse in Saudi-Arabien, dass nach Kriegsende Exporte helfen sollen, das Land wieder aufzubauen.

Die früheren, lockeren Exportbedingungen für Waffen aus der Ukraine könnten nicht zuletzt auch ein Grund für europäische Hersteller sein, langfristig in Fabriken in der Ukraine zu investieren. Inwieweit auch deutsche Unternehmen, deren Produkte eigentlich dem Rüstungsexportgesetz unterliegen, hiervon zu profitieren hoffen – diese Frage wollten weder Gesprächspartner aus der Branche noch aus dem Wirtschaftsministerium klar beantworten. Dass der Gedanke mitschwingt und zu den Kalkulationen aller Beteiligten gehört, kann aber als sicher gelten. Wie die Ukraine ihre frühere Führungsrolle in der Waffenproduktion wieder einnehmen könnte und was das mit westlichen Waffenbauern zu tun hat, lesen Sie im Security.Table.

Letzte Aktualisierung: 24. Juli 2025
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